Smart City:Willkommen in Datenhausen

Smart city

Ob wie hier in Peking oder anderswo: Wie man Städte durch Datenerfassung schlauer und damit lebenswerter macht, ist ein wichtiges Thema für Städteplaner.

(Foto: Wu Hong/dpa)

Unter dem Schlagwort Smart City versteht jeder etwas anderes. Klar ist nur: Städte und Regionen können in erheblichem Maß davon profitieren, wenn sie Daten erfassen, zusammenführen und auswerten.

Von Katharina Kutsche, Hannover

In den Mülltonnen ist noch Platz. "73 Prozent Füllstand" ist auf dem Überwachungsbildschirm zu lesen. Vor der digitalen Anzeigetafel steht Lutz Heuser, Geschäftsführer des Urban Institute (UI). Die Unternehmensgruppe berät Städte und Kommunen, die zur Smart City werden wollen. Heuser wirbt am Stand auf der IT-Messe Cebit in Hannover für das Konzept städtischer Vernetzung.

Mit den vernetzten Containern können Mitarbeiter von Bauhof und Grünflächenamt ihre Arbeit besser planen, fahren eben nicht zu einer halb leeren Mülltonne, sondern warten, bis diese von selbst Bescheid gibt. Dazu sind in den Tonnen Sensoren verbaut, die den Füllstand messen. Eine danebenstehende intelligente Straßenlaterne schickt zur Ergänzung noch ein Bild von der Umgebung des Müllbehälters. Ist alles sauber, muss niemand ausrücken. Die intelligenten Müllcontainer sind aber nur ein Beispiel von vielen.

Smart City ist ein Schlagwort, über das derzeit viel geredet wird, das aber kaum jemand auf den Punkt erklären kann. Lutz Heuser sagt, es gebe mehr als hundert Definitionen dafür. Einig ist man sich immerhin dabei, dass es um die Vernetzung von Daten angeht, die in einer Stadt anfallen. Diese sollen dauerhaft dazu genutzt werden, Planungen und Abläufe zu optimieren.

In Deutschland gibt es zwar Pilotprojekte und einzelne Leuchttürme, bei denen das Konzept intelligenter Städte erprobt wird. Doch von einer echten Smart City, die wesentliche Teile ihrer Infrastruktur über Datenflüsse koordiniert und sich selbst konstant verbessert, sind diese Vorhaben weit entfernt, sagt Marc Reinhardt, Public-Sector-Chef bei der IT-Beratung Capgemini. Das liege zum Teil an knapp bemessenen Innovationsbudgets im kommunalen Raum, aber auch daran, dass dort unternehmerisches Risiko nicht belohnt werde.

Fließender Verkehr ist für die Umwelt besser als ständiges Halten und Anfahren

Dabei können Städte und Gemeinden sehr wohl profitieren, wenn sie ihre Daten aufbereiten. In Darmstadt etwa nutzt die Verkehrsleitzentrale Zahlen aus dem Straßenverkehr, etwa wie viele Autos an welcher Ampel durchfahren und wie die Ampeln getaktet sind. Damit kann die Stadt ihren Verkehrsfluss besser steuern und vor allem ihre CO₂-Bilanz verbessern: Fließender Verkehr ist für die Umwelt besser als ständiges Halten und Anfahren. Auch im Portemonnaie der so gelenkten Bürger dürfte sich die Ersparnis beim Sprit bemerkbar machen. In Zukunft, sagt UI-Geschäftsführer Heuser, können die Verkehrsdaten entweder in eine Grünphasen-App laufen und in Assistenz-Systeme autonomer Fahrzeuge. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse helfen wiederum der Automobil-Industrie, um ihre Fahrzeuge zu optimieren.

Heusers Flachbildschirm, Cockpit genannt, hängt nicht nur als Schauobjekt auf der Messe, er ist in Ämtern und Behörden auch im praktischen Einsatz. Deren Mitarbeiter sehen zum Beispiel, wie hoch die Belastung durch Feinstaub und Lärm gerade ist, wie viele städtische Fahrräder vermietet sind und wie stark das öffentliche Wlan genutzt wird. Die Müllcontainer aus Heusers Beispiel stehen unter anderem in der australischen Stadt Caloundra. Die Erfahrungen dort zeigten, dass die Anschaffungskosten für die smarte Technik sich in weniger als einem Jahr amortisiert hätten: allein durch Einsparungen bei Arbeitsstunden und Energieverbrauch, sagt Heuser.

In der Kombination mit smarten Straßenlaternen wird die Datenerfassung noch effektiver. Sie liefern die Feinstaubdaten, zählen vorbeifahrende Autos und versorgen Bürger mit Wlan: "Wir sagen immer, das ist wie ein schräges Computergehäuse", sagt Heuser. Beim Modell Smight (kurz für Smart City Light), einer Entwicklung des Energieversorgers EnBW, ist die Lampe sogar Ladestation für Elektrofahrzeuge: "Ein multifunktionales IoT-Device, das auch noch Licht kann", so Heuser.

Wie das Konzept der smarten Stadt im Kleinen funktionieren kann, sehen Cebit-Besucher auch am Stand von Panasonic. Der japanische Elektronikkonzern ist Partner eines Berliner Projekts namens "Future Living". Im Quartier Adlershof baut eine Unternehmenspartnerschaft von 2018 an 69 Häuser und Wohnungen. Sie sollen barrierefrei, bezahlbar und smart sein. Panasonic stellt die Technik für die Energieversorgung, Solarzellen auf den Dächern in die Wohnungen liefern Strom, heizen Räume, belüften Parkhäuser. Die zukünftigen Bewohner müssen ein Sensor-Armband tragen. Verlässt jemand das Haus und hat vergessen, das Licht auszuschalten, erkennt dies das System und schaltet das Licht automatisch aus. Stürzt eine ältere Bewohnerin in ihrer Wohnung, ruft das Armband einen Krankenwagen.

"Dort, wo ich einen großen Nutzen sehe, mache ich mit."

Diese Smart Home und Smart Health genannten Funktionen sind Teile der großen Vision Smart City. Die kann nur wahrwerden, wenn die Gesetzgeber mithelfen. Datenschutz ist eine wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Smart City, wird aber oft als Totschlagsargument dagegen benutzt. Die EU hat bereits 2009 beschlossen, bis 2020 mindestens 80 Prozent der Verbraucher mit intelligenten Energiemessern (smart meter) auszustatten. Doch während sie in Österreich bereits eingebaut werden, sprechen Kritiker in Deutschland von einer Zwangsdigitalisierung der Bürger.

Reinhardt empfiehlt, Smart City schrittweise und von unten wachsen zu lassen, jeweils ausgehend vom konkreten Problem und seiner IT-Lösung. So könne man Bürger und Unternehmen überzeugen, denn "dort, wo ich einen großen Nutzen sehe, mache ich mit."

Der Begriff der intelligenten Stadt ist ohnehin irreführend. Zwar können sich kleinere Gemeinden die smarte Technik oft nicht allein leisten. Doch die Probleme im ländlichen Raum seien die gleichen, sagt UI-Chef Heuser: Parkplätze und freie Fahrt suche man auch außerhalb der Großstädte. Der bessere Begriff sei daher Smart Region. Die Metropolregion Rhein-Neckar etwa sei Kunde von UI und trage die Kosten gemeinsam: 150 Gemeinden in drei Landkreisen und drei Bundesländern.

Und der Datenschutz? Ist unproblematisch, sagt Heuser. Für viele Zwecke brauche die Smart City keine der besonders geschützten personenbezogenen Daten. Ampeln und Laternen zählen lediglich, wie viele Menschen oder Autos an ihnen vorbeifahren. Um wen es sich dabei im Einzelnen handelt, interessiere weder die Technik, noch ihre Betreiber.

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