Klassik:Rainer Kussmaul ist tot

Rainer Kussmaul, 1946 in Mannheim geboren, war eine der maßgebenden Instanzen für modernes und historisch orientiertes Streicherspiel. (Foto: Hochschule für Musik Freiburg)

So gar nicht egozentrisch und immer neugierig: Der Musiker, Lehrer und Konzertmeister der Berliner Philharmoniker.

Von Harald Eggebrecht

Etwas zutiefst Untypisches für einen Geiger umgab Rainer Kussmaul, diesen bedeutenden Musiker und Lehrer: ein wohltuender Mangel an Selbstbezogenheit. Darin ähnelte er dem tschechischen Violinmeister Josef Suk, der auch nichts von der Präpotenz vieler Solisten an sich hatte. Dabei war Kussmaul ein höchst selbstbewusster Könner, der in Stuttgart bei Ricardo Odnoposoff, einem der Großgeiger des 20. Jahrhunderts, studiert hatte. Mit dem Stuttgarter Trio gewann er 1969 den ARD-Musikwettbewerb. Seit 1977 lehrte er an der Freiburger Musikhochschule mit leisem Witz und mit jenem frischen Interesse an Neuem, das ihn mit der historischen Aufführungspraxis in Berührung brachte. Er habe sich eine Barockgeige gekauft, um zu sehen, "wie das funktioniert". Bei ihm lernten auch Gottfried von der Goltz, Petra Müllejans, Anne Katharina Schreiber und Thomas Hengelbrock, die Gründer des Freiburger Barockorchesters. 1993 ließ Kussmaul die Professur für fünf Jahre ruhen und wurde Konzertmeister der Berliner Philharmoniker unter Claudio Abbado, mit dessen partnerschaftlicher Art und musikalischer Neugier ihn viel verband. In dieser Zeit konstituierte er mit Kollegen die Berliner Barocksolisten. Kussmauls Spiel zeichnete sich durch bogen- und grifftechnische Akkuratesse, Schlankheit und Biegsamkeit des Tons sowie große Wachsamkeit im Umgang mit welcher Musik auch immer aus. Er überzeugte stets durch sanfte Macht frei von Kraftmeiereien oder flottem Drauflosfiedeln. Am 27. März ist Rainer Kussmaul nach schwerer Krankheit in Freiburg gestorben.

© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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