Gleichberechtigung:Die Hälfte der Männer findet, ihre Frau muss nicht arbeiten

Paare - Gemeinsames Girokonto

Gleichberechtigte Partner: Bei der Berufstätigkeit verfallen Paare immer noch in alte Rollenklischees.

(Foto: dpa)

Das Einkommen entscheidet für Männer, wie ernst sie es mit der Gleichstellung in der Partnerschaft nehmen, zeigt eine Studie des Familienministeriums.

Von Lea Kramer

82 Prozent der Männer wollen, dass ihre Frau arbeitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das Familienministerium in Auftrag gegeben hat. Aus dem Papier mit dem Titel "Männer-Perspektiven" (PDF hier) geben die befragten Männer sogar an, dass sie überzeugt sind, die Berufstätigkeit beider Partner sei förderlich für eine Beziehung. So weit, so gut. Gleichberechtigung, check! Nicht ganz!

Der vermeintliche Sieg für die Gleichstellung der Geschlechter ist allenfalls ein Etappenerfolg. Für die 1550 im Jahr 2015 befragten Männern spielen nämlich vor allem wirtschaftliche Interessen eine Rolle, wenn sie über die Berufstätigkeit ihrer Partnerin nachdenken. Denn obwohl ein Drittel der Männer (32 Prozent) "voll und ganz" der Auffassung ist, dass Gleichstellung sehr wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft ist (insgesamt stimmen 79 Prozent aller Männer dem zu), sagen genau so viele, dass das "klassische Ernährermodell" ausgedient habe. Eine Partnerschaft, in der nur einer der Hauptverdiener sei, sei demnach "wirtschaftlich nicht mehr tragfähig" und "im Lebenslauf zu riskant".

Hat der Mann einen sicheren Arbeitsplatz und verdient auch noch genug Geld, verschiebt sich auch die Erwartungshaltung an die Frau. Noch immer knapp die Hälfte der Männer (49 Prozent) findet, dass ihre Frau dann nicht selbst arbeiten muss.

Klassische Rollenbilder nicht abgelöst

Zwar ist die klassische Rollenverteilung von Mann und Frau offenbar nicht mehr so fest in der Gesellschaft verankert wie noch vor zehn Jahren. Doch noch immer fällt es vielen schwer, sich von traditionellen Modellen zu lösen. Sie wünschen sich Gleichberechtigung in der Lightversion. Einen Kompromiss, der in der Studie als "teiltraditionelle Rollenteilung" bezeichnet wird. Frei nach dem Motto: Der Mann als Hauptverdiener bringt das Geld nach Hause, die Frau kümmert sich um den Nachwuchs und verdient gegebenenfalls noch etwas dazu. Der Anteil der Männer, der so denkt, hält sich seit Jahren bei etwa 35 Prozent.

Ein Teil geht sogar noch einen Schritt weiter und vertritt klar antifeministische Positionen. Dem Bericht zufolge finden 18 Prozent der Männer es grundsätzlich nicht gut, wenn beide Partner arbeiten - fünf Prozent vertreten diese Meinung mit Nachdruck.

Immerhin lässt sich ein Trend in Richtung Gleichberechtigung ablesen. Noch vor zehn Jahren fanden 64 Prozent der Männer, dass ihre Frau zuhause bleiben kann, wenn der eigene Verdienst für beide ausreicht. Nicht verändert hat sich hingegen seit 2007 die maßgebliche Erwartung, dass die Partnerin dem Mann für seine Berufstätigkeit den Rücken freihalten soll. 85 Prozent der Befragten stimmen dem zu.

Die Motive für ihre eigene Karriere sehen die Männern indes erstaunlich selbstkritisch. Sogar 40 Prozent geben an, dass der tägliche Gang ins Büro auch eine Flucht vor den Arbeiten im Haushalt sein kann. Entscheidet sich das Paar eine Familie zu gründen, schleicht sich traditionelles Rollenverhalten in den Alltag ein. Haben sich Männer früher überwiegend um Reparaturarbeiten im Haus gekümmert, kommt die Studie heute zu dem Schluss, dass sie sich zumindest zunehmend "engagieren", um ihre Partnerin zu entlasten. Die Hauptlast der Hausarbeit bleibt allerdings weiter bei der Frau.

Nachwuchs bleibt Frauensache, doch Männer wollen helfen

Sobald Kinder in ins Spiel kommen, sehen sich die Väter inzwischen mehr in der Pflicht als noch vor ein paar Jahren. Mehr als jeder dritte Mann findet, dass ein Vater in den ersten Lebensmonaten seines Kindes seine Erwerbstätigkeit unterbrechen sollte. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, "dass die jahrzehntelang institutionalisierte hermetische Perspektive 'Männer können aus beruflichen Notwendigkeiten nur wenig Familienarbeit leisten' (...) sich in den Köpfen der Männer allmählich auflöst". Offensichtlich findet ein Generationenwechsel statt: Von den heute 70-jährigen Männern sind nur 20 Prozent dieser Meinung, von den unter 30-Jährigen immerhin 59 Prozent.

In der Untersuchung kritisieren die Männer gleichwohl die Schwierigkeiten, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Zwei Drittel der Väter mit Kindern unter zwei Jahren klagen über hohe Hürden, sich einbringen zu können. 94 Prozent der Väter wollen etwa, dass sich Kita-Öffnungszeiten am Modell von teilzeiterwerbstätigen Müttern orientieren würden. In den Zahlen schlägt sich das nieder. 80 Prozent der Väter nehmen sich zwar für die Kinderbetreuung Zeit und beantragen Elternzeit, allerdings nur für zwei Monate. Dem gegenüber bleiben 92 Prozent der Frauen zehn Monate und länger zu Hause und übernehmen damit immer noch den Großteil der Familienarbeit.

Gleichstellung für beide Geschlechter

Die Mehrheit der Männer sieht ein, dass die Rechte von Frauen und Müttern gestärkt werden müssen (62 Prozent). Gleichzeitig fordern sie aber auch, dass sich die Politik mit den Bedürfnissen von Männern befassen muss. "Aus ihrer Sicht muss Gleichstellungspolitik gleichgewichtig die Gleichstellung von Frauen wie von Männern in den Blick nehmen", heißt es in dem Dokument.

Ungeachtet der zunehmenden Akzeptanz der Gleichstellungspolitik in der Breite der Bevölkerung gebe es aber auch eine radikal antifeministische, betont "maskulistische" Strömung. Männer mit dieser Einstellung sind der Auffassung, dass Gleichstellungspolitik nur ein anderer Name für Männerdiskriminierung sei. Ein Prozent der Befragten vertritt diese Meinung, fest überzeugt von dieser Annahme sind demnach fünf Prozent.

Für die Studie wurden 2007 und 2015 mit denselben Untersuchungsmethoden 3000 Männer und Frauen ab 18 Jahren befragt. Die Auswertung ist Teil der Gleichstellungsstudie 2016. Sie soll Aufschluss geben, ob sich die Einstellungen und das Verhalten von Männern zu Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit, zur Verantwortung für Erwerbseinkommen und Familienarbeit, zur Vorstellung attraktiver Männlichkeit (und Weiblichkeit) sowie hinsichtlich der Gleichstellungspolitik in den vergangenen Jahren verändert haben.

Mit Material von epd und dpa.

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