Pkw-Maut:Wie Thüringen bei der Maut vor Bayern einknickte

Horst Seehofer

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat sein Prestigeprojekt Pkw-Maut durchgesetzt.

(Foto: dpa)
  • Mehrere Länder hatten sich im Bundesrat zum Aufhalten der Maut formiert - doch der Druck aus Bayern war zu groß.
  • CSU-Chef Seehofer drohte, Verhandlungen um den Länderfinanzausgleich von der Zustimmung zur Pkw-Abgabe abhängig zu machen.
  • Mit Thüringen knickte daraufhin der entscheidende Widersacher ein. Nun ist die Maut noch mit EU-Recht zu stoppen. Zwei Nachbarstaaten denken laut darüber nach.

Von Cerstin Gammelin und Wolfgang Wittl, Berlin

Der Bundesrat hat am Freitag das Gesetz zur Einführung der Pkw-Maut in Deutschland beschlossen. Der Länderkammer gelang es aufgrund des immensen Drucks aus Bayern nicht, eine Mehrheit gegen die umstrittene Maut zu organisieren. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten vorgelegt und am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Die Abgabe soll frühestens 2019 erhoben werden. So lang wird es wohl dauern, bis das Mautsystem aufgebaut ist.

Vor der Abstimmung hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sein gesamtes Drohpotenzial ausgeschöpft, um das "Ja" zu erzwingen. Am Donnerstagabend waren die von der Union regierten Länder noch mal zusammengekommen. Angesichts der sich zu diesem Zeitpunkt abzeichnenden Abstimmungsniederlage knüpfte Seehofer jede weitere Zusammenarbeit in der Koalition an die Zustimmung zur Maut.

Er habe an jenem Abend "vom Stand der Dinge erfahren", sagte der CSU-Chef am Freitag der Süddeutschen Zeitung - und die Konsequenzen aufgezeigt. Die CSU sei bisher "mehr als vertragstreu" gewesen. Sollten andere jedoch erstmals in dieser Koalition ihr Wort brechen und gegen die Maut stimmen, "wäre es für Bayern naheliegend, dass es gewisse Vereinbarungen auch nicht mehr erfüllt".

Seehofer sprache von einem "Geben und Nehmen in der Politik"

Nach dieser Ansage habe sich CDU-Chefin Angela Merkel in Richtung SPD eingeschaltet. Auch SPD-Chef Martin Schulz sowie Vizekanzler Sigmar Gabriel hätten in ihren Reihen "eingewirkt". Seehofer betonte, er sei froh, "dass der Geist wieder da ist, dass wir uns bis zur Bildung einer neuen Regierung aufeinander verlassen können". Bayern sei nicht wehrlos, das habe jeder gemerkt. "Es ist immer ein Geben und Nehmen in der Politik".

Am Ende hielt der von einem rot-rot-grünen Bündnis regierte Freistaat Thüringen nicht stand. Bayern habe "deutlich gemacht, dass es eine Verbindung zwischen den laufenden Länderfinanzverhandlungen und der Mautabstimmung gibt", sagte Benjamin-Immanuel Hoff, Chef der Thüringer Staatskanzlei in Berlin. Die der SPD angehörige Finanzministerin habe schließlich empfohlen, kein Risiko für den Landeshaushalt einzugehen. Deshalb habe sich das Team um Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) entschlossen, doch nicht, wie zunächst geplant, für die Überweisung des Mautgesetzes in den Vermittlungsausschuss zu stimmen.

Es waren genau die vier Stimmen aus Thüringen, die am Ende fehlten, um die Maut zu stoppen. Brandenburg, Berlin, das Saarland, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, NRW und Niedersachsen blieben standhaft, konnten aber nichts ausrichten. Bayern verfügt über enorme Verhandlungsmacht im Bundesrat. Während der komplizierten Neuverhandlung der Länderfinanzbeziehungen mit dem Bund hatte Seehofer es geschafft, alle 15 Bundesländer hinter Bayern zu versammeln. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte der geballten Ländermacht wenig entgegenzusetzen. Seehofer rang ihm milliardenschwere Zugeständnisse ab, von denen alle Länder profitieren sollen.

Thüringen, der vorerst letzte Umfaller einer ganzen Serie seit 2013

Endgültig ist das noch nicht. Noch werden Details verhandelt, bei denen Bayern seine Macht ausspielen kann. München kann etwa Sanierungshilfen für das Saarland und Bremen blockieren - und Abweichler verantwortlich machen. Der Freistaat müsse nur solide auf "divide et impera" setzen, dann bekomme es seinen Willen, heißt es resigniert aus Kreisen der Länder.

Thüringen ist der vorerst letzte Umfaller einer ganzen Serie seit 2013. Die Maut ist Seehofers Prestigeprojekt. Er hatte sie 2013 im Wahlkampf angekündigt, um ausländische Autofahrer zahlen zu lassen, wenn sie deutsche Straßen nutzen. Merkel sagte damals, mit ihr werde es keine Maut geben. Bei den späteren Koalitionsverhandlungen gab sie nach, die Maut steht im Koalitionsvertrag. Auch Schäuble hatte erkennen lassen, dass er die Abgabe für ein Zuschussgeschäft halte, diese aber nicht blockiert. Schließlich knickte die EU-Kommission ein. Sie hatte zunächst ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angestrengt, dieses Ende 2016 aber überraschend ausgesetzt.

Österreich und die Niederlande erwägen eine Klage am EuGH

Die Maut gilt für Autos und Wohnmobile. Für ausländische Fahrzeughalter wird sie auf Bundesstraßen ausgesetzt, um den kleinen Grenzverkehr nicht zu belasten. Fahrzeughalter aus Deutschland müssen eine Jahresvignette für 130 Euro kaufen. Sie werden über die Kfz-Steuer in mindestens gleicher Höhe entlastet. Es zahlen unterm Strich also nur Ausländer, die auch Kurzzeitvignetten kaufen können.

Die Nachbarn drohen mit Widerstand. Die Niederlande und Österreich erwägen Klagen vor dem EuGH. Wiens Verkehrsminister Jörg Leichtfried bezeichnete die deutsche "Ausländermaut" als eine "Diskriminierung anhand der Staatszugehörigkeit". Deutschland verstoße eindeutig gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die EU-Kommission muss zuvor entscheiden, ob sie das pausierte Vertragsverletzungsverfahren wieder aufnehmen oder beenden wird.

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