Panama Papers:Gefeiert, gefeuert

Weltweit haben die Veröffentlichungen zu den Panama Papers Journalisten viele Preise eingebracht - aber noch mehr Schwierigkeiten bereitet.

Von Elisabeth Gamperl

Wohin mit ihnen - in die Bucht oder ins Gefängnis? Das waren zwei Antwortmöglichkeiten einer Abstimmung, die ein Nutzer auf Twitter erstellt hatte. Er wollte wissen, was mit "verräterischen Journalisten" geschehen sollte - gemeint waren die Reporter der panamaischen Tageszeitung La Prensa. Deren Redaktion liegt in Panama-Stadt, nur viereinhalb Kilometer von der Offshore-Kanzlei Mossack Fonseca entfernt, dem Zentrum des bisher größten Datenleaks in der Geschichte. Der kleine Staat in Mittelamerika wurde zum Namensgeber für das internationale Rechercheprojekt Panama Papers - die Investigativ-Journalisten von La Prensa aber wurden für manche zum Feindbild. Die Mehrheit im Twitter-Voting wünschte sich: ab ins Gefängnis mit ihnen.

Noch Monate nach der Veröffentlichung passten Leibwächter auf die Redakteure der Zeitung auf. "Wir verloren durch die Panama Papers enge Freunde", sagt die stellvertretende Chefredakteurin Rita Vásquez, "aber es war von Anfang an klar, dass wir einen Preis zahlen würden."

Seit den ersten Veröffentlichungen über die Panama Papers vor genau einem Jahr haben die SZ, das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und dessen Medienpartner rund 5000 Artikel, Radio- sowie Fernsehbeiträge publiziert. 400 Journalisten aus 80 Ländern haben gemeinsam am Leak gearbeitet. Zwar haben sie etliche renommierte Journalisten-Preise gewonnen, doch dafür auch einiges aushalten müssen.

In Deutschland war die Situation noch vergleichsweise komfortabel; das Team von WDR, NDR und der Süddeutschen Zeitung musste zwar mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen nach der Veröffentlichung der Panama Papers umgehen. Richtig brenzlig wurde es für andere Kollegen. Ein ukrainischer Reporter etwa verließ bis zur Veröffentlichung seine Heimat, andere wurden wie die Redakteure von La Prensa öffentlich beschimpft oder erhielten Drohanrufe. In Tunesien wurde der Onlineauftritt eines Partnermediums gehackt, in Venezuela eine Reporterin entlassen. Und manchen Journalisten machte der eigene Staat Probleme. Ein Überblick:

In der Türkei reichte bereits die Ankündigung einer Geschichte in einer Zeitung für eine mutmaßliche Morddrohung. An einem Freitagnachmittag, Ende Juni 2016, klingelte das Telefon in der Redaktion der türkischen Cumhuriyet. Eine Männerstimme sagte: "Ihr schämt euch nicht, mein Gesicht auf die Titelseite zu setzen? Ich werde euch bekämpfen (...) Ihr Hurensöhne, macht keinen Killer aus mir." Der Anrufer war offenkundig Mehmet Cengiz, ein türkischer Unternehmer. Er und fünf weitere Personen waren an diesem Tag mit Foto und Hinweis auf dem Cover. Sie tauchten in den Daten auf.

Man könnte Cengiz' Anruf als Morddrohung auffassen

Man könnte Cengiz' Anruf als Morddrohung auffassen, vielleicht muss man das sogar. "Andere Protagonisten unserer Geschichten haben uns verklagt, er aber nicht", sagt ein Mitarbeiter der Zeitung. Cumhuriyet ist eine der letzten regierungskritischen Blätter des Landes. Als die Zeitung Panama-Papers-Artikel veröffentlichte, berichteten viele türkische Onlinemedien darüber. Die Regierung blockierte daraufhin unliebsame Seiten per Gerichtsbeschluss.

Keung Kwok-yuen arbeitete für die Tageszeitung Ming Pao in Hongkong. Nur wenige Stunden nach der Publikation musste der leitende Redakteur seinen Schreibtisch räumen. Offiziell hieß es, das Blatt müsse sparen. "Man kann zwar nicht den direkten Zusammenhang zwischen der Veröffentlichung der Panama Papers und seiner Kündigung herstellen, aber man versucht immer wieder, die freie Presse einzuschüchtern", sagt Benjamin Ismail, Asien-Experte der Journalisten-Organisation "Reporter ohne Grenzen".

Finnland wird seit 2010 auf Platz eins der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" geführt. Die finnische Reporterin Minna Knus-Galán dachte sich also nichts, als sie einen Brief vom Postamt abholte. Die 49-Jährige arbeitet beim Fernsehsender Yle. Wochen zuvor hatte der Sender die Offshore-Geschäfte finnischer Unternehmer und Anwälte veröffentlicht. Der Brief, den Knus-Galán nun erhielt, stammte von der finnischen Steuerbehörde: Sie forderte die Herausgabe der geleakten Daten, um selbst Nachforschungen anstellen zu können. "Das fühlte sich unwirklich an", sagt Knus-Galán.

"Bist du jetzt zufrieden? Du solltest dich schämen!"

Ein Politiker der konservativen Partei bezichtigte den Sender in der Öffentlichkeit zudem, Steuersünder zu schützen. Auch der Fernsehsender selbst erhielt Post von der Steuerbehörde. Seitdem läuft in Finnland ein Gerichtsverfahren: Gewinnen die Steuerbehörden, so wäre es ihnen möglich, an Material aus den Leaks zu kommen. "Sie würden damit Pressefreiheit und Informantenschutz einschränken", sagt Knus-Galán.

Einen viel beachteten Medien-Auftritt im Zusammenhang mit den Panama Papers hatte Sigmundur Davíð Gunnlaugsson, damals Premierminister von Island. Als der Fernsehjournalist Jóhannes Kristjansson den Regierungschef vor laufender Kamera nach seinen Offshore-Geschäften fragte, fing dieser zu stottern an und brach das Interview ab. Das Video wurde weltberühmt, Gunnlaugsson trat wenige Monate später zurück. In seinem Land ist seitdem auch Reporter Kristjansson eine Bekanntheit, der neben Zustimmung auch massive Kritik erfuhr. Der Reporter erhielt böse Briefe, wurde am Telefon beschimpft oder in einem Lebensmittelladen angeschrien: "Bist du jetzt zufrieden? Du solltest dich schämen!"

"So in der Öffentlichkeit zu stehen, hat mehr negative als positive Seiten", sagt Kristjansson, "aber ich würde es wieder machen, keine Frage." Kristjansson wäre 2016 fast "Isländer des Jahres" geworden, bei einer Online-Abstimmung landete er nur knapp hinter einem ärztlichen Rettungsteam. Auf Platz drei kam übrigens Kristjanssons Gegenspieler: Ex-Premier Gunnlaugsson.

Im Video erzählt er seine Geschichte:

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