Vergleich:Die einzelnen Gütesiegel im Tierwohl-Check

Wie geht es den Mastschweinen zu Lebzeiten, deren Fleisch in den Kühlregalen der Supermärkte mit dem Label ausgezeichnet wird?

von Markus Mayr

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Bio-Siegel: Frische Luft und mehr Platz

Bio-Siegel

Quelle: SZ

Bio-Mastschweine haben es in vielerlei Hinsicht besser als Tiere in der konventionellen Landwirtschaft. Sie dürfen in einen Außenbereich an die frische Luft und haben mehr Platz. Die Hälfte der 1,3 Quadratmeter, auf denen sich ein 100-Kilo-Schwein im Stall breit machen darf, muss ein rutschfester Boden mit einer festen Fläche sein. In Standardställen gibt es oft nur Spaltenboden. Der ist zwar praktisch, weil Kot abfließt, aber schlecht für die Gelenke der Tiere.

Das Bioschwein kann sich auf Stroh oder anderen Naturmaterialien ausstrecken und hat die Möglichkeit - getrennt vom Schlafplatz - zu wühlen. Draußen steht einem Schwein mit zwei Zentnern zusätzlich ein Quadratmeter zur Verfügung. Im Optimalfall kann sich das Schwein im Außenbereich suhlen und in echter Erde wühlen.

Landwirte, die ihren Betrieb nach europäischen Öko-Standards führen, sind verpflichtet, ihre Produkte mit dem europäischen Bio-Siegel zu kennzeichnen (rechts im Bild). Wollen deutsche Bauern ihre Ware zusätzlich mit dem deutschen Bio-Siegel auszeichnen, müssen sie bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung um Erlaubnis fragen.

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Bioland: Bio + x

Bioland-Logo

Quelle: Bioland e.V.

Auf Bioland-Höfen haben Schweine zwar nicht zwingend mehr Platz als auf Höfen, die nach europäischen Öko-Standards wirtschaften. Anders als in der EU-Bio-Verordnung kommen im Regelwerk aber auch Tiere vor, die mehr als 110 Kilogramm wiegen. Ihnen steht im Stall noch etwas mehr Platz zu - 1,5 Quadratmeter pro Tier drinnen und draußen 1,2 Quadratmeter.

Auf Bioland-Höfen können sich Schweine neben Spaltenböden auch auf festen Flächen aufhalten. Es gibt einen Liegebereich, der weich und trocken gestaltet wird, zum Beispiel mit Stroh. Bei der Wahl des Standorts für einen Neubau will der Verband mitreden und so sicherstellen, dass das umliegende Weideangebot so groß wie möglich ist. Die Schweine müssen drinnen einen Platz zum Wühlen haben. Im Optimalfall haben die Schweine draußen ein Schlammloch zum Suhlen und Erde, in die sie ihre Schnauze stecken können.

Mit "Bioland" ausgezeichnetes Fleisch stammt aus Mastbetrieben, die den europäischen Öko-Standards zum Teil noch etwas draufsetzen. Um die Kennzeichnung zu bekommen, müssen Landwirte dem gleichnamigen Anbauverband beitreten und seine Auflagen erfüllen.

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Demeter: Ideologische Krönung

Demeter-Logo

Quelle: Demeter e.V.

Das "Demeter"-Siegel gilt in der Riege der deutschen Öko-Labels als die Krönung. Demeter Bauern begreifen das Wirtschaften mit Land und Vieh als Kreislauf, hinter ihrer Arbeit steht eine ganzheitliche Ideologie. Tiere gelten ihnen als "beseelte Wesen".

Die Landwirte des ältesten Öko-Anbauverbands Deutschlands stehen deshalb im Ruf, besonders sorgsam mit ihrem Vieh und ihrer Umwelt umzugehen. Sie wirtschaften auf sogenannten biologisch-dynamischen Grundsätzen. Dabei richten sie ihren Betrieb so ein, dass sie die dafür nötigen Produktionsmittel selbst herstellen können, und zwar so, "wie es den natürlichen Ökosystemen entspricht. Alles wird auf die Erhaltung und Förderung der Lebensprozesse ausgerichtet." So steht es auf den ersten Seiten des Demeter-Regelwerks.

Die Grundlage dieser Richtlinien ist der EU-Bio-Standard. Schweineställe auf Demeter-Höfen müssen also mindestens den europäischen Öko-Vorgaben genügen. Zusätzlich fordert der Anbauverband von seinen Bauern, dass sie für "einen guten Gesundheits- und Tierwohlstatus" Sorge tragen und auf "eine gute Pflege und Hygiene der Tiere" achten.

In einer früheren Version des Textes stand, dass die Demeter-Regeln beim Schwein wenig konkret sind und zum Beispiel nicht festgelegt ist, wie viel Platz ein Mastschwein haben muss. Das war falsch. Richtig ist, dass sich der Anbauverband in seinen Mindestanforderungen an die Schweinehaltung auf die EU-Öko-Richtlinie stützt (siehe Bild 1).

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Neuland: Kein Bio, weniger Platz

Neuland-Logo

Quelle: Neuland c/o BUND e.V.

Einem 100-Kilo-Schwein stehen in einem Neuland-Mastbetrieb 0,3 Quadratmeter weniger zu als auf einem Biohof, im Außenbereich statt einem ganzen nur ein halber Quadratmeter. Im den Regeln des Anbauverbands ist aber auch festgeschrieben, dass die Tiere nicht dort koten sollen wo sie liegen. Und dort wo sie liegen soll so viel Platz sein, dass sich alle Tiere gleichzeitig auf die Seite plumpsen lassen und alle Viere von sich strecken können.

Die Spalten in den Böden, durch die die Tiere ihren Mist trampeln könnten, sind verboten. Die reine Freilandhaltung ist erlaubt, wenn die Tiere auf der Weide in Unterständen oder Hütten Schutz vor der Witterung finden. Geschlossene Ställe ohne Auslauf sind verboten. Der Auslauf darf wegfallen, wenn die Gebäude eine offene Front haben. Können die Schweine nicht raus, muss der Bauer ihnen den Auslaufplatz im Stall gut schreiben.

Die Fenster müssen insgesamt so groß sein wie fünf Prozent der Bodenfläche, damit genügend Licht einfallen kann. Stroh soll nicht nur als Unterlage eingestreut werden sondern in solchen Mengen vorhanden sein, dass alle Schweine damit "Beißen, Kauen, Wühlen und Spielen" können. Da den Tieren gerne mal der Rücken juckt, müssen die Landwirte ihnen Flächen schaffen, an denen sie sich scheuern können. Frische Luft atmen Schweine beim Auslauf oder der offenen Front.

Das "Neuland"-Siegel erhalten die Mitglieder des gleichnamigen Anbauverband. Ökologische Richtlinien hat sich der Verein, zu dessen Trägern der Bund für Umwelt und Naturschutz und der Deutsche Tierschutzbund gehört, nicht verordnet.

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Tierschutzlabel "Für mehr Tierschutz": Spielzeug

Tierschutzlabel "Für mehr Tierschutz"

Quelle: Deutscher Tierschutzbund e.V.

Hinter diesem Siegel steht der Deutsche Tierschutzbund. Betriebe können sich freiwillig zertifizieren lassen. Die Auszeichnung gibt es in zwei Stufen: Einstieg und Premium. In der Einstiegsstufe bleibt das Label hinter den Öko-Platz-Anforderungen zurück.

Ein paar grundlegende Auflagen müssen die Landwirte in beiden Güteklassen erfüllen. In den Sommermonaten, wenn es in den Ställen zu heiß wird, sollen die Bauern die Schweine beziehungsweise die Luft mit Wassersprühanlagen runterkühlen. Tageslicht soll durch Fenster einfallen, die insgesamt so groß sein müssen wie drei Prozent der Stallgrundfläche. Der Gesundheitszustand der Tiere soll zweimal täglich kontrolliert werden. Die Stallabteile müssen so gestaltet sein, dass die Schweine eigens eine Fläche zum Liegen haben. Koten und Wühlen soll den Schweinen getrennt davon in anderen Teilen der sogenannten Buchten möglich sein.

Heu oder Stroh sollen die Schweine auf beiden Stufen in rauen Mengen haben - nicht nur zum darauf Liegen sondern auch zum Wühlen. Anders als auf Bio-Bauernhöfen sind Landwirte, deren Produkte mit "Für mehr Tierschutz" ausgezeichnet wird, angehalten, zum Beispiel Hanfseile aufzuhängen und Holzklötze daran fest zu knoten, mit denen die Schweine sich beschäftigen können. Und weil Schweine neugierig sind, beschäftigen sie sich mit allem, was sie vor die Schnauze gesetzt bekommen.

In der Premiumstufe muss der Liegebereich zusätzlich flächendeckend eingestreut und trocken sein. Die Tiere dürfen an die frische Luft, Stallgebäude mit einer offenen Front ohne ein angeschlossenes Auslaufgelände sind nur in Ausnahmefällen erlaubt. Etwa wenn baurechtliche Gründe dagegen sprechen. Ein Premium-Tierschutz-Schwein mit einem Gewicht von 100 Kilogramm hat drinnen und draußen so viel Platz wie ein Neuland-Schwein - der Stempel des Deutschen Tierschutzbundes ist bei beiden Siegeln nicht zu übersehen. Enger als in Öko-Ställen geht es dort trotzdem zu.

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Initiative Tierwohl: Mehr Schein als Sein

Initiative Tierwohl

Quelle: Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH

Teilnehmende Betriebe verpflichten sich, bestimmte Grundanforderungen und einige Kriterien aus dem Wahlkatalog zu erfüllen. Streng genommen reicht es, ein Stück Holz zum Spielen in den Stall zu werfen, eines von zehn Schweinen aus der Bucht zu nehmen und zusätzliche Checks etwa vom Stallklima zu machen. Die Pflichtkriterien reichen kaum über das Gesetz hinaus.

Lässt ein Bauer auf seine Schweine in der Hitze des Sommers Wasser von der Stalldecke rieseln, das Luft und Tiere gleichermaßen kühlt, hat er eins der freiwilligen Kriterien erfüllt. Wer seine Schweine so hält, dass ihnen Frischluft um den Rüssel weht, erfüllt eine weitere Vorgabe, faktisch wird dieses Kriterium aber nur selten von Landwirten erfüllt.

Kritiker werfen der Initiative vor, die Verbraucher zu täuschen. Die Maßnahmen seien von den Landwirten schnell umgesetzt. Das zeigt sich vor allem auch beim Platz. Selbst wenn der Landwirt seinen Schweinen 40 Prozent mehr Platz zugesteht, den Richtlinien der Initiative zufolge die höchste Platz-Kategorie, leben die Schweine dichter gedrängt als auf einem Biobauernhof.

Den Impuls für diese Initiative gibt der Einzelhandel. Pro Kilogramm Schweine- und Geflügelfleisch oder -wurst zahlen Edeka, Aldi und andere vier Cent an die Interessengemeinschaft. Diese belohnt damit Erzeuger, die auf ihren Höfen etwas tun.

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