Raketenangriff in Homs:Trumps Raketen werden Syrien keinen Frieden bringen

Raketenangriff in Homs: Satellitenbild der von den USA angegriffenen syrischen Militärbasis.

Satellitenbild der von den USA angegriffenen syrischen Militärbasis.

(Foto: AP)

Im Weißen Haus sitzt ein unberechenbarer Wutbürger ohne Plan. Jetzt muss die EU vermitteln, sonst droht die Eskalation zwischen den USA und Russland.

Kommentar von Kurt Kister

Auch der nächtliche Raketenangriff der US-Navy auf den Fliegerhorst der syrischen Luftwaffe hat eines wieder bewiesen: Man muss ernst nehmen, was Amerikas Präsident sagt. Außerdem muss man stets damit rechnen, dass er das Gegenteil von dem tut, was er noch in der Woche zuvor gesagt hat.

Einer der wichtigsten Punkte von Donald Trumps Wahl- und später Regierungsprogramm war bis ungefähr vorvorgestern, dass Amerika in der Welt eine andere, distanziertere Rolle spielen müsse, als dies unter den Präsidenten Obama und Bush der Fall war. Die America-first-Politik der Trumpisten ist vielleicht nicht klassisch isolationistisch, aber sie bedeutet dennoch Rückzug, Ausstieg und partiell Abschottung.

Die berüchtigte Mauer zu Mexiko gehört ebenso dazu wie die Abkehr von internationalen Abkommen. Speziell zu Syrien hieß es noch vergangene Woche aus dem Weißen Haus, eine Ablösung des Diktators Assad sei unrealistisch. Jenseits des Vorwurfs, dass Obama auch an dieser verfahrenen Situation schuld sei, wollte sich Trump nicht näher mit Syrien beschäftigen.

Im Weißen Haus sitzt ein Wutbürger, der Raketen losschicken kann

Nun ist dem Ohne-mich-Donald allerdings die grässliche Realität dazwischengekommen. Das Giftgas-Massaker von Idlib, mit großer Wahrscheinlichkeit von Assads Luftwaffe verübt, hat den Präsidenten mit Fotos konfrontiert, die ihn, den Twitterdenker und Bildermenschen, umschwenken ließen. Trump hatte eine Art Damaskus-Erlebnis und entschied sich spontan für einen Militärschlag. So ist das heute in Washington: Da sitzt ein Wutbürger, der Marschflugkörper losschicken kann.

Pläne dafür gibt es seit Langem. Amerikanische Schiffe, Raketen und Soldaten sind seit Jahren in der Region; ausgearbeitete Optionen für Einsätze der verschiedensten Art hat schon Trumps Vorgänger verlangt. Trump hat sich für eine militärisch begrenzte Variante entschieden; der Unkalkulierbare hat auf das kalkulierbare Risiko gesetzt.

Kalkulierbar war das Risiko, weil es sich um einen Angriff auf eine militärische Einrichtung handelte, weil bei geringen Verlusten der Syrer Startbahnen und Material zerstört wurden - und weil die USA Russland zuvor gewarnt hatten, eigenes Gerät auf dem Fliegerhorst in Sicherheit zu bringen. Jene, die hinter Trump denken, wollen keine Eskalation.

Russland ignoriert die Völkerrechtsverletzungen Syriens

Dennoch birgt diese gewaltsame Symbolpolitik die Gefahr der Eskalation. Die Regierung von Präsident Putin unterstützt das Assad-Regime politisch. Sie hat im UN-Sicherheitsrat bisher jede starke, gar gewaltbewehrte Resolution gegen Syrien verhindert. In diesem Sinne war der US-Angriff vom Freitag völkerrechtswidrig, weil nicht von den UN autorisiert.

Moskau (oft gemeinsam mit China) aber blockiert nahezu gewohnheitsmäßig solche Resolutionen, selbst jene gegen den Giftgaseinsatz. Gleichzeitig schert sich die Regierung Putin nicht um die Völkerrechtsverletzungen seines Verbündeten Syrien.

Wegen seiner anachronistischen Struktur ist der UN-Sicherheitsrat in entscheidenden Fragen nur mehr ein Verhinderungsgremium, in dem aus nationalen oder nationalistischen Motiven gehandelt wird. Was bleibt, ist die Klage über die Ohnmacht der Vereinten Nationen.

Putin hält Assad militärisch am Leben

Die Gefahr einer Eskalation zwischen Russland und den USA ist vor allem groß, weil viele Tausend russische Soldaten in Syrien stationiert sind. Moskau hält Assad militärisch am Leben. Ohne Russlands militärischen Beistand sowie die Hilfe aus Iran wäre Syriens Diktatur in sehr prekärem Zustand, möglicherweise wäre sie bereits zusammengebrochen.

Russen und Iraner kämpfen gegen alle Feinde Assads, darunter auch die islamistischen Terrormilizen. Und es gibt auch noch eine nicht homogene Koalition von Amerikanern, Franzosen, Briten, Türken und anderen (dazu gehört ein Tornado-Kontingent der Bundeswehr), die in erster Linie den IS aus der Luft angreift. Übrigens haben die Amerikaner auch ein paar Hundert Rangers und Marines, also Bodentruppen, im Norden Syriens.

Syrien ist ein völlig zerbröselter Staat, auf dessen Gebiet sich in- und ausländische Freischärler, irgendwie religiös motivierte Banditen und reguläre Truppen aus mehr als einem Dutzend Ländern bekriegen. Das Völkerrecht wird jeden Tag gebrochen, die Menschlichkeit mit Füßen getreten. Es gibt fast jeden Tag ähnlich schreckliche Bilder wie die von den erstickten Kindern in Idlib. Offenbar aber hat sie Donald Trump bisher nicht wahrgenommen. Dies verwundert wenig, weil er sich seit Januar ohnehin nur zufällig mit den wirklichen Problemen dieser Welt beschäftigt hat.

Die EU sollte versuchen, USA und Russland an einen Tisch zu bringen

Alle politischen Versuche, in Syrien wenigstens einen halbwegs stabilen Waffenstillstand zu erreichen, sind gescheitert. Präsident Obama hat tatsächlich keine gute Rolle dabei gespielt; sein Nachfolger Trump hat jenseits spontaner Entschlüsse nicht einmal einen Plan. Demonstrative Militärschläge wie der gegen den Fliegerhorst in der Provinz Homs mögen kurzfristig Wirkung zeitigen, bleiben aber ohne die Einbettung in eine konfliktmindernde Strategie sinnlos. Einen Siegfrieden allerdings, wie ihn Moskau und Teheran noch für Assad durchsetzen wollen, wird es auch nicht geben.

Es ist Zeit für eine gemeinsame Initiative jener, die am Konflikt beteiligt sind wie Moskau, Teheran, Washington oder Ankara sowie eines starken Vermittlers, der unglücklicherweise nicht die Vereinten Nationen sein können. Die Europäische Union könnte eine solche Rolle annehmen und den ernsthaften Versuch machen, erst einmal die schwierigen Partner Russland und die USA an einen Tisch zu bringen. Gewiss, dies würde voraussetzen, dass Putin zumindest etwas von Assad abrückte und Trump sich überhaupt für einen Syrien-Prozess ernsthaft interessierte. Erste Schritte - Sicherheitszonen, Flugverbote, gesicherte Hilfskonvois - sind möglich.

Deutschland könnte dabei keine eigenständige Rolle spielen, wohl aber eine treibende Kraft in der EU sein. Auch das Elend der Flüchtlinge aus Syrien, viele Millionen, ist eine unmittelbare Folge des syrischen Krieges. Mit Marschflugkörpern und noch mehr Bomben aus russischen, syrischen, amerikanischen oder türkischen Flugzeugen wird sich dieses Elend nur noch vergrößern.

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