Syrien:Antworten auf die wichtigsten Fragen zum US-Angriff in Syrien

Was ist passiert? Wie viele Opfer gibt es? Und wird es zu weiteren Angriffen oder gar zu einem Konflikt mit Russland kommen?

Was ist passiert?

Die USA haben eine Luftwaffenbasis der syrischen Armee im Landesinneren angegriffen. Die Aktion ist eine Reaktion auf den mutmaßlichen Chemiewaffenangriff auf Zivilisten Anfang der Woche in Khan Scheikhun in der syrischen Provinz Idlib. Dort wurden mindestens 70 Menschen getötet, darunter etwa 20 Kinder. Die UN sprechen inzwischen sogar von mindestens 84 Toten. Die USA machen Syriens Präsident Baschar al-Assad für den Angriff verantwortlich.

Infolge eines direkten Befehls von US-Präsident Donald Trump sind von zwei US-Kriegsschiffen aus 59 Tomahawk-Marschflugkörper auf die syrische Luftwaffenbasis al-Shayrat abgefeuert worden. Das Pentagon hat Videomaterial veröffentlicht, das den Abschuss der Raketen zeigt.

Ziele seien Flugzeuge, Start- und Landebahnen sowie Treibstofflager gewesen, sagte ein Regierungsvertreter. Der Chemiewaffenangriff soll von der Luftwaffenbasis Shayrat ausgegangen sein. Die Zerstörung von Flugzeugen und Infrastruktur werde es den Syrern erschweren, weitere Angriffe dieser Art zu verüben.

Es ist die erste Militäraktion der USA gegen syrische Regierungstruppen seit Beginn des Bürgerkrieges vor sechs Jahren. Die Vorgängerregierung von Barack Obama hatte zwar mit militärischen Schritten gegen die syrische Regierung gedroht, sie aber nicht ausgeführt, weil der US-Kongress es ablehnte, eine solche Strafaktion zu unterstützen.

Wie viele Tote und Verletzte hat der Angriff auf die Luftwaffenbasis gefordert?

Welche Folgen der US-Angriff haben wird, ist noch nicht klar. Nach Angaben der syrischen Armee wurden bei dem Angriff sechs Menschen getötet und mehrere verletzt. Später sprach die staatliche syrische Nachrichtenagentur dann von neun toten Zivilisten in Gebieten nahe der angegriffenen Luftwaffenbasis, darunter vier Kinder. Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete hingegen vier getötete syrische Armeeangehörige, darunter einen General, sowie Dutzende Verletzte. Syrischen Militärkreisen zufolge sind außerdem zwölf Kampfjets und Hubschrauber sowie zwei Start- und Landebahnen zerstört worden. Auch Treibstofflager seien getroffen worden.

USA greifen syrischen Luftwaffenstützpunkt an

Die Luftwaffenbasis al-Schairat, die Ziel des US-Raketenangriffs wurde.

(Foto: dpa)

Berichten zufolge waren die meisten Soldaten vor der Bombardierung von der Basis abgezogen worden. Der regierungsnahe TV-Sender Al-Mayadeen berichtete, Syriens Luftwaffe habe die meisten Jets auf dem Flugplatz vor dem Angriff in Sicherheit gebracht.

Wie rechtfertigen die USA den Angriff?

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, hat Syrien mit weiteren Angriffen gegen die Streitkräfte des syrischen Machthabers Baschar al-Assad gedroht. "Wir haben gestern einen sehr begrenzten Schritte getan. Wir sind darauf vorbereitet, mehr zu tun, aber wir hoffen, dass das nicht nötig sein wird", sagte Haley bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates zu Syrien.

Der syrische Präsident Assad "terrorisiere" sein Land, sagte Haley weiter. "Er hat Hunderttausende ermordert und MIllionen vertrieben". Damit habe der syrische Machthaber "internationales Recht verletzt" und das "Gewissen der Welt schockiert".

Bis kurz vor dem Angriff hatte sich US-Präsident Trump in seiner Syrien-Politik auf den Kampf gegen die Extremisten-Miliz Islamischer Staat konzentriert. Erst vergangene Woche erklärte er, über das Schicksal von Machthaber Assad müsse das syrische Volk selbst entscheiden. Der Chemiewaffenangriff hat ihn offenbar dazu veranlasst, diese Haltung zu überdenken.

Am Donnerstagabend, kurz nachdem er den Befehl zu dem Luftschlag gab, äußerte sich der US-Präsident von seinem Feriendomizil Mar-a-Lago aus, wo gerade der chinesische Präsident Xi Jinping zu Besuch ist.

"Assad hat die Hilflosen erstickt", sagte Trump in der Ansprache (den ganzen Tex. "Kein Kind Gottes sollte jemals einen solchen Horror erleben." Es sei ein zentrales "nationales Sicherheitsinteresse" der USA, den Einsatz von Chemiewaffen nicht zuzulassen. "Jahrelange Versuche, Assads Verhalten zu ändern, sind gescheitert. Heute bitte ich alle zivilisierten Nationen, uns zu helfen, das Blutvergießen in Syrien zu beenden", sagte Trump

In der Nacht hatte sich der UN-Sicherheitsrat erneut nicht auf eine Resolution gegen Syrien einigen können. Ein Vorschlag von Frankreich, Großbritannien und den USA scheiterte an Russland.

Wie reagieren die syrische Regierung und Russland?

Das Assad-Regime und die Regierung in Moskau haben den Angriff der USA verurteilt. Die Attacke spiegele "eine Fortsetzung der Politik wider, die auf die Unterwerfung von Völkern" abziele, erklärte ein Sprecher von Baschar al-Assad.

Russlands Präsident Putin hält den Angriff einem Sprecher zufolge für eine Aggression gegen das internationale Völkerrecht. In der Folge hat Russland ein Abkommen mit den USA ausgesetzt, mit dem Zusammenstöße im Luftraum über Syrien vermieden werden sollen. Außerdem kündigte Russland an, die syrische Luftabwehr verstärken zu wollen und verwies auf eigene Luftabwehrsystem an russischen Stützpunkten in Syrien.

Droht ein Krieg zwischen den USA und Russland?

Donald Trump riskiert mit seinem Vorgehen gegen Assad einen Konflikt mit Russland und Iran, die beide den syrischen Diktator unterstützen. In erste Linie ist der Angriff auf den Luftwaffenstützpunkt aber eine einfache Botschaft an Assad, dass mit dem Einsatz von Chemiewaffen eine Linie überschritten wurde. Würden die Amerikaner tatsächlich eine Konfrontation mit Syrien und dessen Verbündeten suchen, hätten sie wohl nicht nur die Luftwaffenbasis angegriffen, sondern weitere Ziele.

Es ist davon auszugehen, dass der Angriff als einmalige Aktion geplant ist. Ein Pentagonsprecher erklärte am Freitag, die USA hofften, Assad habe "seine Lektion gelernt". Es bleibt abzuwarten, wie die USA reagieren, sollte die syrische Armee auch künftig Massaker an Zivilisten verüben, mit oder ohne Chemiewaffen.

Was ist in Khan Scheikhun tatsächlich passiert?

Nach Angaben der türkischen Regierung ist sicher, dass bei dem Angriff Chemiewaffen eingesetzt worden sind. Das habe die Autopsie von drei Opfern ergeben, sagte Justizminister Bekir Bozdağ in der zentralanatolischen Stadt Kırıkkale.

Mehr als 30 Opfer waren zur Behandlung über die Grenze in die Türkei gebracht worden. Die Untersuchungen nahmen türkische Rechtsmediziner im Beisein von Experten der Weltgesundheitsorganisation und der Organisation zum Verbot chemischer Waffen vor. Das Gesundheitsministerium teilte später mit, es gebe Hinweise, dass der Nervenkampfstoff Sarin eingesetzt wurde. Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) erklärte, ihre Mitarbeiter hätten bei Verletzten Hinweise auf ein Nervengas vom Typ Sarin gefunden.

Umstritten ist, wie die Chemikalien freigesetzt wurden. US-Geheimdienste gehen laut Medien davon aus, dass das Gift von einem Flugzeug oder Hubschrauber der syrischen Armee abgeworfen wurde. Das russische Verteidigungsministerium hatte hingegen mitgeteilt, die giftige Substanz sei bei einem Angriff der syrischen Luftwaffe auf ein Gebäude freigesetzt worden, in dem "Terroristen" Chemiewaffen hergestellt hätten. Militärexperten halten diese Erklärung jedoch nicht für glaubwürdig.

Experten der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) mit Sitz in Den Haag sollen im Auftrag der UN nun prüfen, was tatsächlich geschehen ist. Syrien hat 2013 die Chemiewaffen-Konvention unterschrieben und sich verpflichtet, seine Bestände zu zerstören. Allerdings gab es wiederholt Berichte über den Einsatz von Chlorgas.

Am Freitagabend gab das US-Verteidigungsministerium bekannt, es werde auch untersuchen, ob Russland an der Vorbereitung oder Durchführung des mutmaßlichen Giftgasangriffes in Syrien beteiligt war. "Wir haben derzeit keine Kenntnisse über eine russische Beteiligung, aber wir untersuchen das", teilte ein Pentagon-Mitarbeiter mit. Das Mindeste, was Moskau als Verbündeten Syriens vorzuwerfen sei, sei, dass es den Angriff nicht verhindert habe. Russland verfüge über Fachwissen im Umgang mit Chemiewaffen.

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