Atomenergie:Fessenheim - ein Risiko für deutsche Steuerzahler

FILE PHOTO: View of France's oldest Electricite de France (EDF) nuclear power station is seen in Fessenheim

Atomkraftgegner protestieren seit Jahren gegen das Kernkraftwerk Fessenheim, das wegen Mängeln und gefälschter Dokumente zeitweise abgeschaltet wurde.

(Foto: Reuters)

Wenn Frankreichs Pannenreaktor vom Netz geht, trifft das auch EnBW und das Land Baden-Württemberg

Von Markus Balser und Leo Klimm, Berlin

Der Ärger war gewaltig - vor allem im benachbarten Baden-Württemberg: Als die französische Regierung am Wochenende klar machte, dass sie den Pannenreaktor Fessenheim bei Freiburg zwar abschalten will, allerdings viel später als ursprünglich geplant, reagierte die Landesregierung empört. Anstatt so schnell wie möglich, geht das Kraftwerk 2019 vom Netz - frühestens. "Das Dekret ist so formuliert, dass es den Betrieb von Fessenheim auf Jahre hinaus zementiert", kritisierte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). In dieser Form sei es "mehr eine Betriebserlaubnis als ein Abschaltdekret". Untersteller wurde noch deutlicher: "Das findet nicht meine Zustimmung."

Der Energieversorger EnBW darf 17,5 Prozent des Atomstroms aus Fessenheim beziehen

Doch nun wird klar, dass es einen veritablen Interessenskonflikt für die Staatsregierung gibt. Denn wegen alter Verbindungen gehört auch der Staatskonzern EnBW, zu mehr als 90 Prozent im Besitz des Landes und von Landkreisen, zu den Profiteuren der Stromproduktion in Fessenheim - und damit auch der Steuerzahler. EnBW habe ein "Strombezugsrecht in Höhe von 17,5 Prozent und ist entsprechend auch an den laufenden Kosten beteiligt", erklärte der Konzern am Montag. Im Klartext: Geht Fessenheim vom Netz, verliert EnBW eine Strom- und somit auch Einnahmequelle.

Die in der Öffentlichkeit kaum bekannte Liaison des deutschen Energiekonzerns mit dem Pannenkraftwerk auf französischer Seite geht auf jahrzehntealte Vereinbarungen zurück. Im Jahr 1972 übernahm das Badenwerk, eines der Vorunternehmen von EnBW 17,5 Prozent der Bau- und Betriebskosten von Fessenheim. Im Gegenzug sicherte Frankreich Stromlieferungen in gleicher Höhe zu. Der Kontrakt, um den viele Jahre ein großes Geheimnis gemacht wurde, läuft noch immer. EnBW habe aber weder Eigentumsanteile am Atomkraftwerk in Fessenheim, noch sei das Unternehmen "Aktionär" des AKW Fessenheim, stellte EnBW klar. Fessenheim befinde sich im alleinigen Eigentum des Pariser Staatskonzerns EDF, der "das Kraftwerk auch vollständig eigenverantwortlich betreibt".

Atomkraftgegner protestieren seit Jahren gegen das Kraftwerk. Wegen Mängeln an einer Stahlhülle und Fälschungen an technischen Dokumenten mussten die zwei Reaktoren zuletzt zeitweise vom Netz. Neben dem EnBW-Konzern liefert Fessenheim 15 Prozent der Produktion auch an ein Schweizer Firmenkonsortium. Nach Angaben von EDF sind die Partner aus Deutschland und der Schweiz durch die Verträge daran gebunden, sich an sämtlichen Kosten für das Kraftwerk zu beteiligen. Demnach musste EnBW seinen Anteil beisteuern, als nach der Atom-Katastrophe von Fukushima 2011 300 Millionen Euro in die Sicherheit der beiden Reaktoren im Elsass investiert werden mussten. Denn das Kraftwerk steht, wie Fukushima, in einem erdbebengefährdeten Gebiet - und es könnte, so die Kritiker, bei einem Dammbruch mit Rheinwasser voll laufen.

Ob mit dem Aus von Fessenheim weitere Kosten auf EnBW zukommen, ist fraglich. EDF zufolge muss sich EnBW nicht nur an den Betriebskosten beteiligen. "Sie beteiligen sich auch an den Kosten, die durch den Rückbau entstehen", so eine EDF-Sprecherin. EnBW zufolge besteht das Risiko einer Beteiligung an den Rückbaukosten dagegen seit 2015 nicht mehr. Man habe sich mit EDF verständigt. In Deutschland werden die Rückbaukosten für einen Reaktor auf bis zu eine Milliarde Euro beziffert. EDF hat fast 24 Milliarden Euro Rückstellungen für den Rückbau der Atomkraftwerke in Frankreich gebildet.

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