Griechenland-Frage:Verwirrender Rollenwechsel

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Eine Stabilisierungsfunktion für Griechenland und andere südeuropäische Mitgliedstaaten? Nicht mit der „Hanseatischen Liga“. (Foto: Yorgos Karahalis/Bloomberg)

Anders als Sigmar Gabriel unterstützt Kanzlerkandidat Martin Schulz nun Merkels Sparkurs in Europa. Das sah mal anders aus.

Von Nico Fried, Berlin

Es ist eine Überschrift, die überrascht. "Schulz verspricht, Merkels Sparkurs beizubehalten", titelte am Dienstag die Financial Times. Sie berief sich auf ein Pressegespräch des SPD-Vorsitzenden Martin Schulz mit ausländischen Journalisten in Berlin. Die hatten ihn auch nach seiner Position zu Griechenland gefragt. Und nicht nur der Reporter der englischen Zeitung hatte den Kandidaten so verstanden, dass sich unter einem Kanzler Schulz gegenüber dem Kurs der Kanzlerin Merkel wenig ändern würde.

Deutschland habe ein großes Interesse an stabilem Wachstum in allen Staaten der Europäischen Union, sagte Schulz. "Dazu gehören Reformschritte, die in diesen Ländern notwendig sind." Auf die Frage, ob Griechenland Mitglied der Euro-Zone bleiben werde, antwortete Schulz, das hänge davon ab, "inwieweit die Reformschritte im Land umgesetzt werden". Dies, so wertete die Financial Times die Aussagen, entspreche genau der Linie Merkels und ihres Finanzministers Wolfgang Schäuble, einem "Falken" in der Griechenland-Frage.

Soll das wirklich die Linie der SPD im Wahlkampf sein? Schulz' Vorgänger und jetzige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hatte zuletzt gegenüber den Griechen einen ganz anderen Ton angeschlagen. Gabriel erinnerte jüngst daran, dass Deutschland selbst in den Jahren der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder und seiner Agenda 2010 nicht parallel zu den Reformen den Haushalt saniert, sondern sogar höhere Schulden gemacht habe. "Warum verschleiern wir diese Erfahrung und empfehlen unseren Nachbarn Rezepte, die spürbar zu höherer Arbeitslosigkeit und damit auch zu steigender Verschuldung führen?", schrieb Gabriel in der Frankfurter Allgemeinen. Im Kern müsse das heißen, "die Reduktion europäischer Stabilität auf eine reine Sparpolitik zu beenden. Wer sein Land reformiert, muss mehr Zeit zum Abbau der Defizite und Hilfen bei Investitionen bekommen können."

Gabriel provozierte kurz danach auch den Kollegen Finanzminister, als er bei seinem Antrittsbesuch in Athen die griechischen Gastgeber mit Lob für ihre Reformen überschüttete und zugleich die Bereitschaft signalisierte, grundsätzlich mehr Geld in die EU zu investieren. "Sie sind tatsächlich ein Leader mit europäischem Profil", lobte der konservative griechische Präsident Prokopis Pavlopoulos seinen Gast und beglückwünschte ihn zu seinen Positionen. Wolfgang Schäuble aber schimpfte daheim in Deutschland, Gabriel setze die falschen Signale.

Schulz gab sich, wie aus dem Mitschnitt der Veranstaltung hervorgeht, am Montag eindeutig moderater als Gabriel. Allerdings verwies er auch wiederholt darauf, dass die Bundesregierung sich in den Tagen zuvor gerade auf eine Position zu Griechenland geeinigt habe, die mit zur vorläufigen Verständigung der Euro-Finanzminister am Wochenende auf Malta geführt habe, Griechenland im Gegenzug für zusätzliche Reformen auch weitere Hilfsgelder aus dem laufenden dritten Hilfsprogramm auszuzahlen. Offenkundig war Schulz also darum bemüht, kein neues Öl ins innenpolitische Feuer zu gießen.

Gleichwohl ist damit ein verwirrender Rollenwechsel verbunden: Während Gabriel Griechenland schon mal aus dem Euro werfen wollte, "letzte Brücken eingerissen" sah, und "nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen" wollte, geriert er sich jetzt als Freund der Griechen und spendierfreudiger Europäer. Schulz hingegen, der als Präsident des Europäischen Parlaments jahrelang Merkels Politik in der Euro-Rettung kritisiert hatte, vertritt nun standhaft den Kurs jener Bundesregierung, der als Minister nicht anzugehören ihm doch so wichtig ist.

Die Financial Times war jedenfalls nicht die einzige Zeitung, die das überraschte. Auch die auflagenstärkste griechische Zeitung Ta Nea meldete als Aufmacher auf der Titelseite, die Äußerungen des Kandidaten zeigten, dass Ministerpräsident Alexis Tsipras einer Illusion erliege, wenn er erwarte, dass sich mit Schulz als Kanzler etwas ändern würde.

Vermutlich hätten zumindest manche Griechen inzwischen lieber Gabriel als Kanzlerkandidaten.

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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