SZ-Serie: Münchner Freiheit, Folge 4:Galerie mit Brutplatz

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Die Sonne genießen Nathalie und Tobias Lepper besonders gern auf ihrem Balkon. (Foto: Robert Haas)

Als Frühstücksplatz, Sonnenbank und Werkstatt nutzt Familie Lepper ihren Balkon hoch oben in Schwabing-West. In diesem Jahr aber muss sie ihr Paradies mal wieder teilen - mit einer Ente, bis deren Küken schlüpfen.

Von Irmengard Gnau

Nicht nur Menschen haben einen Blick für Schönheit, ganz offensichtlich wissen auch Tiere eine prächtige Aussicht über die Landeshauptstadt zu schätzen. Noch dazu, wenn sie von einem windgeschützten Plätzchen aus zu genießen ist. Den Beweis dafür liefern die tierischen Gäste, die sich regelmäßig auf Familie Leppers Balkon einquartieren: Zurzeit teilen sich Nathalie und Tobias Lepper und ihre Kinder Alicia und Felix ihren Balkon mit einer Entendame.

Einen dichten Buchsbaum im Eck hat sie sich ausgesucht, um dort ihre Eier auszubrüten, hoch über dem Boden und sicher vor allen Hunden und Katzen der Nachbarschaft. Auch zu ihren menschlichen Gastgebern hat die Vogeldame gleich ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. "Papa hat sie beim Gießen entdeckt", erzählt Tochter Alicia. Trotz der feuchten ersten Begegnung blieb das Tier an seinem auserkorenen Brutplatz sitzen. Kein Wunder, schließlich führt es auf dem Familienbalkon auch eine Tradition fort. "Schon in meiner Kindheit haben auf dem Balkon immer wieder Enten gebrütet", erinnert sich Nathalie Lepper. "Die meisten hat meine Mutter ,Angelina' getauft. Sie hatte immer ein ziemlich enges Verhältnis zu den Vögeln - wir mussten regelmäßig Urlaube verschieben, weil die Küken am Schlüpfen waren." Die 42-Jährige lebt seit ihrer Geburt in der Wohnung mitten in Schwabing-West. Hoch oben vom Balkon im obersten Stockwerk des Terrassenhauses aus den Siebzigerjahren aus schaute sie schon als Kind hinüber auf den Luitpoldpark und sah die Türme der Stadt um sich herum wachsen. Als die Eltern zu Beginn der Rente aus der Stadt ins Umland zogen, übernahm Lepper mit ihrer Familie die Wohnung - und, was beinahe genau so wichtig ist, den Balkon.

"Am liebsten daran mag ich, dass der Balkon so groß ist", sagt Alicia und spricht damit wohl jedem Familienmitglied aus dem Herzen. Wie eine Freiluftgalerie umschließt die Plattform aus hellem Beton die Leppersche Wohnung auf bald dreißig Metern in einem lang gezogenen Halbkreis. Von fast jedem Zimmer aus gibt es einen Zugang hinaus auf die braunen Holzfliesen. "So hat jeder sein eigenes Stück Balkon", sagt Nathalie Lepper mit einem Lächeln. Das kann jeder ganz nach seinen Wünschen gestalten. Alicia entspannt auf der Nordseite und schmökert mit Vorliebe in ihrem Hängesessel. Bruder Felix hat sich eine kleine Werkbank eingerichtet, an der er schnitzen kann. Auch ein Vogelhaus hat er hier schon gebaut; das blieb diesen Winter allerdings leer. Eine Nachbarin einige Stockwerke tiefer hatte heuer besonders viele Meisenknödel aufgehängt, erzählt Alicia. "Da waren die Vögel zu faul, zu uns hoch zu fliegen", vermutet sie. An der Ostseite trocknen Muscheln vom letzten Urlaub auf einer Kiste, auch für Gartenschlauch und Wäscheständer ist Platz.

Nathalie und Tobias Lepper genießen vor allem die Südseite. Hier stehen Holztisch und Gartenstühle fürs Frühstück auf dem Balkon, im Eck rankt sich der Wein die Hauswand nach oben. Auch die brütende Ente hat es sich hier gemütlich gemacht. Schon jetzt im Frühjahr lässt sich hier wunderbar in die Frühabendsonne blinzeln, die mit ihren Strahlen die Holzplatten am Boden erwärmt. Bei Föhn zeichnen sich die Berge in der Ferne ab und selbst das Riesenrad leuchtet zur Wiesnzeit herüber, erzählt Tobias Lepper. Eingerahmt wird der Blick über die Schwabinger Dächer vom kräftigen Grün der Buchsbaumbüsche und Thujen, die aus den massiven Balkonkästen sprießen. Auch ein Kirschlorbeer spitzt mit seinen rötlichen Blättern aus der Reihe hervor; auf der Westseite hat Nathalie Lepper Korkenzieherweiden angesetzt.

Die Thujen und Buchsbäume gefallen auch Vögeln. (Foto: Robert Haas)

Baumartige Gewächse sind offensichtlich bei allen Nachbarn sehr beliebt, von außen wirkt das Haus fast wie eine grüne Arche Noah. Früher, erzählt Tobias Lepper, habe es sogar noch dichteren Bewuchs gegeben. Doch als der Siebzigerjahrebau vor zwölf Jahren generalsaniert wurde, mussten alle Bäume weichen. Ihre Nachfolger lassen sich das nicht anmerken; sie sprießen eifrig, zur großen Freude von Nathalie Lepper. "Wenn ich auf dem Balkon sitze und mich zurücklehne, sehe ich nur Grün und den Himmel", sagt sie. "Das ist quasi die urbane Version von Garten." Das ist auch der Hintergrund, warum die Familie Bäumchen und Büsche statt Blütenmeere anpflanzt. "Ich wollte etwas Grünes, auch im Winter", sagt Nathalie Lepper. Das Garteln selbst steht dabei nicht im Vordergrund. Hinzu kommt, dass die betonierten Balkonkästen sehr tief hängen, es braucht also hoch wachsende Pflanzen, die meisten Blumen würde man von innen gar nicht sehen. Nicht zuletzt bieten Buchs, Koniferen und Co. ja bewiesenermaßen einen gefragten Rückzugsort für die Stadttiere der Umgebung - und zugleich spannendes Beobachtungsmaterial für die menschlichen Bewohner. Für den Zeitpunkt, wenn die Küken der Ente schlüpfen, steht übrigens schon ein Karton bereit. Die Jungen werden dann zum Schwimmenlernen gemeinsam mit ihrer Mutter an den Kleinhesseloher See verfrachtet.

Und wenn die Leppers doch einmal Lust nach anderen Balkonpflanzen verspüren, kann Sohn Felix vielleicht aushelfen. Er hat gerade ein eigenes kleines Beet angesät: mit Schlingpflanzen. Für die würde sich im Zweifelsfall sicher auch noch ein Plätzchen auf dem Balkon finden. Einen einzigen Nachteil an dem grünen Refugium der Familie sieht Tobias Lepper: "Im Urlaub für uns das Gießen zu übernehmen, kann man eigentlich keinem Nachbarn zumuten."

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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