Büroeinrichtung:Im Büro soll es am schönsten sein

Büro, Office, Telekom

Der "Hubraum" der Telekom in Berlin, wo junge Gründer gefördert werden - besonders bei deren Start-ups sieht es oft aus, als wäre das Arbeiten nur eine von vielen Tätigkeiten.

(Foto: Stephan Rumpf)

Viele Berufstätige können am Arbeitsplatz essen, trainieren, kickern und schlafen. Warum einige Firmen das fördern - und andere den Spaß verderben.

Von Lea Hampel und Angelika Slavik

Wer die Zentrale des Internetunternehmens Yelp in Hamburg besucht, kann dort bisweilen ein seltsames Ritual beobachten. In leicht buddhistisch angehauchter Loft-Atmosphäre arbeiten hier viele junge, hip aussehende Menschen. Sie sitzen vor großen Bildschirmen, die meisten telefonieren. Plötzlich springt einer auf, rennt in die Mitte des Raumes und schlägt voller Stolz einen messingfarbenen Gong. Was dann passiert, wiederholt sich hier mehrmals täglich: Die Kollegen stürmen heran, jubeln und klatschen mit ihm ab. Der Gong-Typ hat gerade eine Anzeige verkauft.

Die Sache mit dem Gong könnte man spielerisch motivierend finden - oder durchgeknallt. Aber auch wenn das Bürokonzept von Yelp ein Extremfall ist, hat sich für viele Menschen in den vergangenen Jahren nicht nur die Art zu arbeiten verändert, sondern auch die Umgebung, in der sie das tun. Büros sind heute mehr als Schreibtisch, Computer und Telefon. Sie sind eine Botschaft des Unternehmens. Ob es immer die richtige Botschaft ist?

Ein paar hundert Meter von der Yelp-Zentrale entfernt residiert Facebook. Auf mehreren Etagen hat das Unternehmen seine deutsche Niederlassung zu einer Art überdimensioniertem Kinderparadies gemacht: Es gibt eine Wand, auf der sich jeder Besucher mit seinem Namen und gerne auch mit einer Zeichnung verewigen darf. Eine andere ist mit Motiven bemalt, die man für seine Selfies nutzen kann, außerdem gibt es diverse Installationen für coole Instagram-Fotos. Und alles ist voller Heliumballons: Immer, wenn sich der Tag ihres Arbeitsbeginns bei Facebook jährt, bekommen die Mitarbeiter einen riesigen Ballon in Form einer Zahl, die die Dauer ihrer Firmenzugehörigkeit symbolisiert. Weil Helium-Ballons eine ganze Weile halten, sieht es bei Facebook immer ein bisschen nach Party aus.

Es sind die Internetkonzerne, die in Sachen Bürogestaltung völlig neue Maßstäbe gesetzt haben - und damit auch traditioneller orientierte Unternehmen vor sich her treiben. Büro, das bedeutete lange Zeit: graue Stellwände, Schreibtische mit silbern gerahmten Fotos von Frau und Kind. Dazu ein Schubladenschränkchen mit Büroklammern und, je nach Leidensdruck, vielleicht auch einem Flachmann.

Verschiedene Generationen, verschiedene Wünsche

"Die Büroplanung manifestiert und unterstützt im Idealfall die Arbeitsabläufe, aber auch die Haltung eines Unternehmens", sagt Thomas Huth. Er berät Firmen beim Innenausbau und hat unter anderem den Co-Working-Space Betahaus in Hamburg gestaltet - einen Ort für Freiberufler, Start-ups und alle anderen, die nicht alleine Zuhause arbeiten wollen.

Huth sagt, es sei für Unternehmen heute nicht einfach, Arbeitsplätze für ihre Mitarbeiter so zu gestalten, dass die sich wohlfühlen und effizient arbeiten könnten. Unternehmen wie Facebook oder Yelp beschäftigen mehrheitlich junge Menschen, die das Internet seit jeher als Teil ihres Lebens begreifen. Es ist also eine vergleichsweise homogene Gruppe: mit ähnlichen Erwartungen an ihren Arbeitgeber und ihren Arbeitsplatz, vielleicht auch mit ähnlichen Interessen in ihrer Freizeit.

Für die meisten anderen Unternehmen aber ist die Angelegenheit komplexer: In der Regel beschäftigen sie Mitarbeiter aus drei unterschiedlich sozialisierten Generationen, sagt Huth. Sie alle sollen sich im Büro wohlfühlen, gleichzeitig muss der Arbeitsplatz aber auch wirtschaftlichen Kriterien genügen, also möglichst wenig Platz benötigen und die Kosten sollten gering gehalten werden. Flexible Nutzungsmöglichkeiten stehen ebenfalls auf der Wunschliste der meisten Firmen. Gleichzeitig sollen die Räumlichkeiten aber dennoch repräsentativ sein - und natürlich auch noch den Markenkern des Unternehmens widerspiegeln. Das richtige Sofa in der Lobby ist heute auch eine Form von Marketing.

Es geht um viel mehr als Möbel

Huth stellt die großen Fragen, wenn er ein Projekt beginnt. Fragen, die weit über Teppichfarbe und Sofastoff hinaus gehen: Wie hierarchisch arbeiten wir? Was macht einen Großteil unserer Arbeit aus: Besprechungen? Oder Einzelarbeit? Letztendlich: Was ist uns als Firma wichtig? Das erstaunt seine Kunden gelegentlich. "Die meisten Kunden wissen nicht, welcher Prozess sie erwartet. Sie wollen einfach nur Möbel", sagt er.

Dabei geht es um viel mehr als Möbel. Wie die Arbeitsplätze aussehen, hat Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Zum einen, weil Firmen hoffen können, dass ihre Leute länger im Büro bleiben und folglich mehr arbeiten, wenn sie sich wohlfühlen. Das sieht man bei den Konzepten der Internetfirmen besonders deutlich, die Experten gern "work life blending" nennen, also das Verschmelzen von Arbeit und Leben: Die Spaßatmosphäre ist der Versuch, den Leuten keinen Grund zu geben, nach Hause zu gehen. Letztendlich laufen alle Besonderheiten, die Unternehmen anbieten, darauf hinaus: Sie wollen die Leistung optimieren. Deshalb gibt es die firmeneigene Kinderbetreuung im Erdgeschoss und das Fitnessangebot unterm Dach. Zum anderen spielt die Bürogestaltung aber auch für die unmittelbaren Arbeitsergebnisse eine Rolle: So zeigten Studien des Fraunhofer-Instituts, dass zwischen Büroeinrichtung und Kreativität ein Zusammenhang besteht.

Dieses Wissen wollen die Unternehmen nun nutzen: Während in den 1970er Jahren der Wandel vom Einzel- zum Großraumbüro eine markante Veränderung brachte und später die Kleingruppenbüros angesagt waren, sind die aktuellen Trends komplexer: Viele Firmen etablieren sogenannte "Mix Offices", in denen es flexibel nutzbare Bereiche gibt. Der Versandhauskonzern Otto etwa hat gerade sein "Collabor8" vorgestellt: In der höchsten Etage der Firmenzentrale ist eine Fläche entstanden, in der Mitarbeiter mit flexiblen Möbeln und verschiedenen Bereichen jederzeit das Umfeld kreieren können, das zu ihren aktuellen Anforderungen passt. Für zwischendurch gibt es eine Kaffeebar und Schaukelsessel, die von der Decke hängen.

Die höchste Steigerungsform dieser Idee ist das "Total Office", vor allem propagiert vom Internetkonzern Google. Das Büro ist dort ein Ort, wo man isst, Sport treibt, mit Freunden Bier trinkt und möglicherweise ein paar Stunden schläft.

Ob Einzelbüro oder gemischte Zonen, heutzutage ginge es darum, drei Grundbedürfnissen der Menschen auch am Arbeitsplatz gerecht zu werden, sagt Innenarchitekt Huth: Kommunikation, Konzentration und Regeneration. Diese Bedürfnisse hätten sich nicht verändert, die Firmen ginge aber damit bewusster um als früher. Mit anderen Worten: An der Kaffeemaschine haben sich schon immer alle zum Quatschen getroffen - heute möchte man das gezielt steuern und baut deshalb eine Coffee-Lounge mit Wlan.

Dabei stehen die Möbel für eine Herangehensweise, die allmählich die Arbeitswelt verändert. Die fängt zwar beim Filzhocker an, hört da aber nicht auf: Neue Besprechungstechniken halten Einzug und Mitarbeiter bekommen Einzelcoaching. Weniger Hierarchie und Regeln, mehr Kommunikation, Offenheit und Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Angestellten stehen dahinter - und manifestieren sich im Schaukelsessel. Das moderne Büro, sagt Inneneinrichter Huth, sei ein Symbol "für den internen Wandel und die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern".

Einer derjenigen, die gerade am Wandel vom Durchschnittsbüro zur Erwachsenenspielwiese mitarbeiten, ist Sven Hock. Er war selbst einst Berater und hat dann "Service Partner One" gegründet. Sein Unternehmen ist eine Mischung aus Hausmeister, Putzfrau und Essenslieferdienst. Wer bei ihm Kunde ist, bekommt vom Kaffeevollautomaten bis zum Kicker alles geliefert, was gerade im Büro vonnöten ist, und zahlt am Ende nur eine Rechnung. Hocks Beobachtung: Was Facebook und Google in Sachen Büro vorgelegt haben, müssen nun nicht nur andere Arbeitgeber im Valley, sondern auch jene im Vogtland bieten.

Mittelständler sind skeptisch

Angefangen hat Hock mit seinem Partner und kleinem Team, anfangs haben sie selbst geputzt und Obst ausgefahren. Rund zwei Jahre nach der Gründung hat das Unternehmen etwa 100 Mitarbeiter, sieben deutsche Standorte sowie zwei im Ausland. Das liege daran, dass die Firmen im Kampf um die besten Talente aufrüsten, sagt Hock. "Geld allein reicht heutzutage nicht mehr - man muss viel mehr bieten." Welche Dienstleistungen es über den schlichten Arbeitsplatz und das Gehalt hinaus gebe, werde mehr und mehr ein Qualitätssiegel für Arbeitgeber.

Bei Sven Hock hat deshalb die Vielfalt seiner Dienstleistungen deutlich zugenommen. Anfangs ging es darum, gute Putzdienste bereitzustellen, Schreibblöcke und Klopapier. Dann kamen Obstkörbe und Kaffeevollautomaten dazu. Als mehrere Kunden nachfragten, hat Hock einen Tischkicker in sein Angebot aufgenommen. Mittlerweile hat er eine Mitarbeiterin, die sich nur um Büropflanzen kümmert - sie trägt den schönen Titel "Head of Plants". In einigen Unternehmen komme jetzt mittags und abends ein Caterer, sagt Hock, außerdem gebe es Massagetermine. Immer öfter fragten ihn Geschäftsführer, welche Innenarchitekten derzeit als besonders innovativ im Bereich Open Space gelten. Vor allem in den Metropolen sind die Firmen bereit zum Wandel.

Der normale Mittelständler dagegen sei eher vorsichtig. Das zeigen Zahlen: Durchschnittliche Firmen stecken nur ein bis zwei Prozent ihrer Ausgaben in Einrichtung, obwohl Umfragen zeigen, dass viele Büroarbeiter unglücklich mit der Gestaltung ihrer Arbeitsplätze sind. Inneneinrichter Huth führt die Skepsis darauf zurück, dass die Bedeutung der Einrichtung oft unterschätzt wird. Auch, weil der Nutzen abstrakt bleibt: "Motivation und Zufriedenheit lassen sich kurzfristig nur schwer messen."

Selbst wenn Firmen investieren - dass das sofort die Stimmung verbessere, kann niemand garantieren. Auch zwischen schönen Möbeln kann ein hässliches Arbeitsklima herrschen. Ein gut ausgestattetes Büro allein reiche eben nicht, sagt der Innenarchitekt: "Wir stellen nur die Bühne. Bespielen müssen die Kunden sie selber."

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