Joshua Kushner:Mein Bruder, der Trump-Berater

Joshua Kushner und Jared Kushner im Weißen Haus

Die äußerliche Ähnlichkeit ist unverkennbar - politisch könnten die Kushner-Brüder kaum gegensätzlicher sein (links Joshua, rechts Jared).

(Foto: Instagram/Joshua Kushner)

Joshua Kushner ist der jüngere Bruder von Jared Kushner. Der 31-Jährige gilt als talentierter Investor, ist mit einem Supermodel liiert - und hat nach eigener Aussage nicht Trump gewählt.

Porträt von Johanna Bruckner, New York

Auf dem gelben Notizzettel heißt es: "Create or Destroy". Erschaffe oder zerstöre. Wäre er auf dem Instagram-Account irgendeines Hipsters abgebildet, würde man unter dem Foto wohl diverse Likes und zustimmende Kommentare finden. Weil der Account aber Joshua Kushner gehört, steht da tatsächlich mehr als "#truth". Zum Beispiel: "Zerstören - das ist das, was dein Bruder macht. Er wird dafür in einem späteren Leben bezahlen." Der erwähnte Bruder, das ist Jared Kushner, Schwiegersohn und einer der engsten Berater von US-Präsident Donald Trump.

Joshua hingegen ist mit 31 Jahren der jüngere Kushner und so etwas wie das Wunderkind der amerikanischen Venture-Capitalist-Szene. Das Ergebnis des Duells Clinton gegen Trump hat aber auch er nicht kommen sehen: Eines seiner Unternehmen ist eine private Gesundheitsversicherung, die auf Obamas Affordable Care Act aufbaut - jenem Gesetz, das Trump unbedingt abschaffen möchte.

Erschaffe oder zerstöre. Das könnte eine Geschäftsphilosophie sein oder bloß ein tagesaktueller Sinnspruch (für Letzteres würde sprechen, dass Kushner auf Instagram schon mal seine Matcha Latte künstlerisch in Szene setzt). In jedem Fall passt die Vorliebe für krasse Gegensätze zum Leben von Joshua Kushner. Denn das ist nicht erst seit dem 8. November 2016 geprägt von Widersprüchen und Spannungen.

Der Vater - verurteilt wegen unerlaubten Wahlkampfspenden, Steuerhinterziehung und Manipulation von Zeugen

Kushners Großeltern väterlicherseits waren polnische Juden, die vor dem Holocaust in die Vereinigten Staaten flohen. Dieser Teil der Familiengeschichte ist bekannt, weil Jared Kushner die Geschichte seiner Großeltern im Wahlkampf benutzte, um sich gegen Vorwürfe zu verteidigen, er unterstütze einen Antisemiten (nämlich Trump). Weniger gerne sprechen die Brüder öffentlich über den Skandal, der ihren Vater ins Gefängnis brachte.

Charles Kushner wurde 2005 zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt, nachdem er sich in 18 Anklagepunkten schuldig erklärt hatte. Die Vorwürfe gegen den Immobilienmillionär aus New Jersey umfassten: unerlaubte Wahlkampfspenden, Steuerhinterziehung und Manipulation von Zeugen. Um seine eigene Schwester davon abzuhalten, gegen ihn auszusagen, hatte Charles Kushner eine Prostituierte auf seinen Schwager angesetzt. Ein Video des arrangierten Treffens schickte er an seine Schwester. Am Ende war es allerdings nicht dieser Seitensprung, der das Image der Familie nachhaltig beschädigte - es waren die Intrigen der Geschäftsmanns.

Jared und Joshua hielten nach der Verurteilung zum Vater. Beobachter führen den Ehrgeiz der Kushner-Söhne auch darauf zurück, dass sie den Familiennamen rehabilitieren wollen. Jared Kushner sagte einmal in einem Interview, sein Vater habe zwar einen Fehler gemacht, seine Strafe sei jedoch ungerecht gewesen. Umgekehrt glaubt im Übrigen auch der Vater uneingeschränkt an den eigenen Sohn und schützt ihn nach Möglichkeit vor unangenehmen Realitäten: In dem Jahr, als sich Jared mit durchschnittlichen Noten in Harvard bewarb, spendete Kushner Senior der Uni 2,5 Millionen Dollar - und ließ sicherheitshalber auch den Elite-Unis Cornell und Stanford Geld zukommen.

Der Staatsanwalt, der seinerzeit die Ermittlungen gegen Charles Kushner vorantrieb, gilt bis heute als Erzfeind der Familie: Chris Christie, heute Gouverneur von New Jersey. Uneingeschränkte Loyalität scheint das zu sein, was die Kushners zusammenhält. Sie steht wohl auch über politischen Überzeugungen.

Schwägerin Ivanka ist für Kushner wie eine Schwester

So lässt sich vielleicht erklären, wie es sein kann, dass Joshua Kushner seine Schwägerin Ivanka Trump als "Schwester" bezeichnet. Gleichzeitig aber selbst mit einer Frau liiert ist, die sich vor der Wahl öffentlich mit Hillary Clinton solidarisierte: Mit dem Model Karlie Kloss führt Kushner seit vier Jahren eine Beziehung, die von US-Medien als low profile bezeichnet wird. Soll heißen: Dafür, dass beide Partner leidlich prominent sind, gibt es erstaunlich wenige Fotos von dem Paar. Joshua Kushner spricht nicht über sein Privatleben - eigentlich. Zu seinem Bruder muss er sich neuerdings notgedrungen verhalten.

Was hätte Kennedy von den Kushners gehalten?

Vor der Wahl erklärte er dem Magazin Esquire, dass er Jared liebe und nichts sagen wolle, was diesen in Verlegenheit bringen könnte. Er sei jedoch ein überzeugter Demokrat und werde nicht für Trump stimmen. Tatsächlich wurde Joshua Kushner am Samstag nach der Vereidigung des neuen Präsidenten beim Women's March in Washington fotografiert. Auf Nachfrage sagte er, er sei lediglich als Beobachter da, nicht als Teilnehmer. Noch am gleichen Wochenende postete er selbst ein Foto bei Instagram: Es zeigt ihn und seinen Bruder Jared im Weißen Haus vor einem Porträt von John F. Kennedy. Beide Brüder sollen den ermordeten amerikanischen Ex-Präsidenten sehr bewundern.

Was Kennedy von den Kushners gehalten hätte? Auf dem Gemälde blickt er jedenfalls mit verschränkten Armen zu Boden - Joshua Kushner, der sonst ein gutes Auge für Bildkomposition hat, scheint die Symbolik in diesem Fall entgangen zu sein.

Dem Magazin Forbes sagte Joshua Kushner jüngst: "Es ist kein Geheimnis, dass liberale Werte mein Leben geleitet haben und dass ich Politiker unterstützt habe, die ähnliche Werte teilen. Aber keine politische Partei hat ein Monopol auf die Wahrheit oder auf konstruktive Ideen für unser Land. Es ist wichtig, geistig offen zu bleiben und von abweichenden Meinungen zu lernen." Mancher mag da schon eine intellektuelle Nähe zu Kellyanne Conway und ihren "alternativen Fakten" heraushören. Vielleicht ist das aber auch schlicht die Aussage eines Mannes, der merkt, dass Loyalität als Kitt nicht unendlich strapazierfähig ist. Vor allem im Beruflichen.

Kushners Geschäftspartner ist ein deutscher Harvard-Kumpel

In den vergangenen Wochen musste Kushner Geschäftspartner und Mitarbeiter beschwichtigen. Mit nur 25 Jahren hatte er Thrive Capital gegründet, ein Risikokapital-Unternehmen, das vor allem in Technologie-Start-ups investiert. Firmen also, die an vorderster Front gegen Trumps Einwanderungspolitik protestieren - nicht nur, weil Internationalität dort zur Kultur gehört, sondern auch, weil viele Start-ups dringend auf Spezialisten aus dem Ausland angewiesen sind. "Genauso wie Jared meine Familie ist, fühle ich mich verantwortlich für jeden Einzelnen in meinen Unternehmen", erklärte Kushner dem Forbes-Magazin.

Zu seinen größten Erfolgen gehört ein Investment in jenen Social-Media-Dienst, den er selbst gerne nutzt: Im April 2012 steckte Kushner Geld in die Foto-App Instagram, deren Wert zum Zeitpunkt des Deals auf 500 Millionen US-Dollar geschätzt wurde. Ein paar Tage später wurde Instagram von Facebook aufgekauft - für das Doppelte. Daneben hat Kushner mit Thrive in den Musikdienst Spotify, die Crowdfunding Plattform Kickstarter und die Fitness-App ClassPass investiert, um nur einige zu nennen. Und er betätigt sich als Gründer - wie im Fall der eingangs erwähnten, privaten Krankenversicherung, Oscar Health.

Einer der Geschäftsführer ist Deutscher: der Datenspezialist Mario Schlosser, ein Kumpel von Kushner aus Harvard-Zeiten, mit dem er bereits sein allererstes Unternehmen gegründet hatte. In einem Interview bestätigte Kushner, dass er im Job gerne nach der Prämisse "Hire your smartest friends" verfahre. Ob das reicht, Oscar Health eine langfristige Zukunft zu sichern? Nach der Schlappe im Kongress für Trumps eigenen Gesundheitsplan sind die politischen Unwägbarkeiten im Gesundheitssektor größer denn je.

Erschaffe oder zerstöre. Bruder oder eigene Überzeugung. Möglicherweise muss sich Kushner irgendwann doch entscheiden.

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