Schondorf:Wirres Zeug

Schondorf: Im Schein von Stirnlampen wanderten die zehn Besucher durch die dunkle Gärtnerei. Sie trafen auf seltsame Menschen und Rituale.

Im Schein von Stirnlampen wanderten die zehn Besucher durch die dunkle Gärtnerei. Sie trafen auf seltsame Menschen und Rituale.

(Foto: Arlet Ulfers)

Das Elle-Kollektiv spielt in einer Gärtnerei Theater - und verbreitet eine beklemmende Atmosphäre

Von Patrizia Steipe, Schondorf

Wäre das hier eine Internetverkaufsplattform, dann hieße es: "Kunden, denen diese Theaterperformance gefallen hat, mögen auch "Einer flog über das Kuckucksnest, Die Rocky Horror Picture Show und die gute alte Geisterbahn". Und man würde die volle Anzahl an Bewertungssternen anklicken. Eine "Theaterperformance durch die Irrwege der Sehnsucht" hat das sogenannte Elle-Kollektiv (Elisabeth-Marie Leistikow, Louis Panizza, Luis Lüps und Erwin Kloker) ihr Kunstprojekt "ErleuchtHund" genannt. Aufführungsort sind die Gewächshäuser der ehemaligen Gärtnerei Dumbsky in der Schondorfer Bahnhofstraße.

Was man erwarten dürfe, das verrieten die Schondorfer Theatermacher ihrem Publikum nicht. Es gab aber ein paar kryptische Hinweise. "Eine Dunkelheit, ein Lichtpunkt, zehn Charaktere und Hund, und vielleicht eine Katze, zwei Glashäuser, ein Truck, drei Cheerleader". So richtig schlau wurde man daraus nicht - Verunsicherung gehörte zum Konzept.

Die Zuschauer waren Teil der Performance, deswegen wurden nur jeweils zehn Besucher eingelassen. Sie bildeten quasi den Gegenpart zu den zehn Charakteren im Stück, den "Miniaturen unter Glas". Mit versteinerter Miene gelang es Schauspieler Luis Lüps als Türsteher die Besucher in eine düstere Stimmung zu versetzen. Die anfangs munter plaudernden Gäste verstummten zusehends, unterhielten sich nur mehr flüsternd. Sie kamen sogar ein wenig eingeschüchtert der Aufforderung nach, Handy, Schlüssel und Geldbörse in dafür vorgesehene Schachteln zu legen. Ein symbolhafter Vorgang, mit dem die Gäste quasi ihre Verbindung zur Jetzt-Zeit ablegten. Die Tür öffnete sich - die Gruppe betrat eine unwirkliche Welt. Eine bläulich leuchtende Theke erhellte die Dunkelheit. Dahinter ein Barkeeper (Janos Fischer), der aus einem Münchner Edelclub hätte stammen können.

Umständlich stellte er Gläser vor seine Gäste, servierte Sambuca, legte Kaffeebohnen in den Likör und flambierte das Ganze. "Es wird dunkel sein", erklärte der Barkeeper und händigte jedem eine Stirnlampe aus. Vom Schein der Lampe beleuchtet wanderte die Gruppe durch die Gärtnerei. Sie traf auf eine Frau, die immer die gleiche Melodie am Klavier übte (Eva Schmider), auf einen Guru, der sein verzerrtes Gesicht ans Fenster drückte (Anton Gruber), auf das dunkle Gewächshaus. In jedem Winkel hockten Menschen und führten stereotype Bewegungen aus. Das Publikum beleuchtete voyeuristisch die einzelnen Szenen. Ein wenig surreal wirkte das Ganze, aber unglaublich faszinierend: Die Frau, die zerknüllte Taschentücher im Arm wiegte (Gabi Fischer), der Guru, der in wilden Selbstgesprächen vertieft an seinen Pflanzen herumschnippelte, ein Beach-Boy auf einem Liegestuhl (Vinzenz Lüps), ein Kartenspieler (Erwin Kloker) und versteckt hinter einem Duschvorhang - eine Wassernixe (Elisabeth-Marie Leistikow) in der Wanne. Einer nach dem anderen erwachten die Schauspieler aus ihrem Stumpfsinn. Sie schrien, liefen umher, redeten wirres Zeug. Eine Frau ließ aus einer Tonne Goldflitter auf sich regnen (Felizia Taafel), der Sonnenanbeter wirkte mit seinen abgehackten Bewegungen wie eine menschgewordene Computeranimation. "Ist meine Rikscha schon vorgefahren?", "Können die Gespenster mich auch sehen?", "Gibt es Glück?". Einzig der Kartenspieler und die Wassernixe schienen die Umgebung und einander wahrzunehmen. Auftritt ErleuchtHund: Wie ein Deus ex Machina ließ sich die Chimäre mit Hundekopf an einem Seil herab, um eine Tür zu öffnen.

Der letzte Teil der Performance begann. Die Gruppe wurde in einen Lieferwagen geführt. Ein beklemmendes Gefühl. Man dachte an Schlepper, an die Elendsfahrten vieler Flüchtlinge. Als sich der Lieferwagen tatsächlich in Bewegung setzte, fingen manche nervös zu lachen an. "Was hatte der Barman gesagt?": "Bitte kommen sie nicht wieder!". Lang dauerte die Fahrt nicht. Der Kreis schloss sich nach ein paar Minuten ein wenig abseits der Gärtnerei. Cheerleader jubelten, die Preziösen wurden ausgehändigt, den Gästen die Programmhefte angeboten. "Jetzt gehen Sie, gehen Sie weg", herrschte Cheerleader Juline Andresen unvermittelt die Gruppe an. Die Performance war vorbei. Es performten: Janos Fischer, Eva Schmider, Anton Gruber, Felizia Taafel, Gabi Fischer, Vinzenz Lüps, Valentin Frick, Elisabeth-Marie Leistikow, Louis Panizza, Erwin Kloker, Luis Lüps & drei Cheerleader.

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