Trump und die Medien:Die Wucht seiner Texte

RH - David Remnick

Chefredakteur, Pulitzer-Preisträger, Trump-Gegner: David Remnick.

(Foto: Ron Haviv / VII / Redux / laif)

Er ist Chefredakteur des legendären Magazins "The New Yorker", einer der klügsten Trump-Kritiker. In diesen Zeiten reflektiert David Remnick darüber, wie privilegiert er als Journalist ist.

Von Karin Steinberger, New York

One World Trade Center, 38. Stock, die Gänge in der Redaktion des legendären Magazins The New Yorker sind dunkel, an den Wänden hängen gigantische Cartoons aus der langen Geschichte des Blattes. Im Konferenzraum neben seinem Büro sitzt David Remnick, Chefredakteur, Pulitzer-Preisträger, ein schlanker Mann. Mit ihm zu sprechen sei eine große Freude, "a delight", wie einer der New-Yorker-Autoren es sagte. Remnick erzählt von der Nacht, in der dieses Land gewählt hat, der 8. November 2016. Ein Schicksalstag für die USA, die Welt. Er strahlt die Ruhe eines Menschen aus, der sehr genau weiß, wie gut er ist.

David Remnick war an diesem 8. November auf einer Wahlparty, warum er seinen Computer dabei hatte, weiß er gar nicht mehr. Irgendwann, es war wohl zwischen der Hochrechnung aus Ohio und der aus Florida, merkte er, dass sie sich in der Redaktion auf die falsche Gewinnerin vorbereitet hatten. Er nahm seinen Computer, setzte sich in ein Nebenzimmer und fing an zu schreiben: "Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten ist nicht weniger als eine Tragödie für die amerikanische Republik..."

Schon der Titel war ein großes, trauriges und besorgtes Bekenntnis: "An American Tragedy". Die Geschwindigkeit, mit der sich der Text im Internet ausbreitete, überraschte selbst Remnick. "War wohl das Timing", sagt er, und weiß doch, dass es vor allem die Wucht seines Textes war, die Haltung. Und leider auch die seherische Kraft.

Remnick sagt: "Wenn jemand der Republik in diesen Wochen gedient hat, dann Washington Post und New York Times."

Remnicks vorgeschriebene und nie gedruckte Geschichte über die Siegerin Clinton dürfte noch immer im Redaktionssystem herumgeistern, während Trump mal wieder einen Tweet absetzt, der die Welt in Brand stecken könnte. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika schreibt da an den Führer einer Atommacht: "North Korea is looking for trouble. If China decides to help, that would be great. If not, we will solve the problem without them! U.S.A." ("Nordkorea legt es auf Ärger an. Wenn China uns hilft, wäre das großartig. Ansonsten lösen wir das Problem ohne sie! U.S.A.")

Remnick sitzt in seinem Büro, sagt: "Man dachte, gut, Clinton hat Schwächen, aber gegen so einen Clown . . . das war einfach außerhalb jeder Vorstellungskraft." Und auch das sagt er: "Schauen Sie doch, wie privilegiert wir sind." Nein, nein, nicht der Blick, "I couldn't care less." Er spricht vom Glück, Journalist zu sein. Und auch von der Verantwortung, die man hat als Journalist in diesen Zeiten: "Was die Medien jetzt nicht tun dürfen: erschöpft sein, aufgeben, sich anpassen." Und wie sieht die Alternative aus?

"Wir müssen gerade jetzt guten Journalismus machen, ehrlich, gründlich, tief, seriös." Und dann schwärmt er von der New York Times und der Washington Post, von diesen zwei großen amerikanischen Zeitungen, die sich gerade gegenseitig überbieten. Die "Alliierten der Wahrheit", sagt Remnick: "Wenn jemand der Republik in diesen Wochen gedient hat, dann Washington Post und New York Times." Und ganz sicher auch David Remnick. Das sagt er allerdings nicht. Muss er nicht.

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