Zum 75. Geburtstag von Frank Elstner:Die scheinbare Unauffälligkeit des Frank Elstner

Die große Show der Naturwunder

Elf Jahre lang haben Frank Elstner (l.) und Ranga Yogeshwar Die große Show der Naturwunder moderiert.

(Foto: Andrea Kremper/SWR)

Er war nie ein Held der Titelseiten und hat im Fernsehen doch eine bemerkenswerte Ausdauer bewiesen. Zum 75. Geburtstag des seriösesten deutschen TV-Unterhalters.

Gastbeitrag von Ranga Yogeshwar

Applaus! Die Vorspannmusik läuft. Mit überzogen manierierter Stimme tönt es aus den Lautsprechern: "Herzlich willkommen zur groooooßen Show der Naturwunder ..., heute mit diesen Gästen ..." Auf den Tribünen klatscht ein gemischtes Publikum: Erwachsene, Jugendliche und erfreulich viele Kinder. Während wir hinter der grün leuchtenden Studiokulisse stehen und auf unseren Auftritt warten, denke ich daran, wie der Zufall so spielt: Während meiner Kindheit lebte ich zeitweise in Luxemburg im Haus meiner Großmutter. Vom Wohnzimmer aus blickte man direkt auf den angrenzenden Stadtpark. In der Mitte: die Villa Louvigny, der Sitz von RTL. Ein gewisser Frank, "der mit der beruhigenden Stimme", wie meine Mutter später einmal meinte, moderierte die Vier fröhlichen Wellen. Vielleicht hat er an sonnigen Tagen den spielenden Kindern im Park zugesehen: Der kleine Junge auf dem blauen Roller, das war ich.

Heute, etwa fünfzig Jahre später, an einem Dienstag Ende März, werden Frank und ich gemeinsam die letzte Ausgabe der Großen Show der Naturwunder präsentieren. Nach elf erfolgreichen Jahren wird das Format eingestellt. Der Sender muss sparen. Eine "Große Show" geht heute Abend zu Ende, vielleicht sogar Franks letzte in einem bewegten Fernsehleben.

Der erfahrenste Showmaster Deutschlands leidet unter Lampenfieber

Frank Elstner hat inzwischen hinter der Bühne seinen Platz eingenommen, gleich folgt der Auftritt - natürlich über eine Treppe, raus auf die glänzende Bühne. Wie immer haben wir uns kurz zuvor gegenseitig Glück gewünscht, uns symbolisch über die Schulter gespuckt. Frank hat kurz vor dem Auftritt eiskalte Hände. Das ist bei ihm immer so. Der erfahrenste Showmaster Deutschlands leidet unter Lampenfieber. Ich blinzele ihm zu und wärme ihm die Hände: "Mier maachen elo eng flott Sendung" - "Majoo secher!", erwidert er.

Die Luxemburger Sprache verbindet uns. Überhaupt schätzen wir uns gegenseitig. Das war von Beginn unserer Zusammenarbeit an so. Gerade Doppelmoderationen bieten Raum für Konflikte zwischen den Protagonisten, doch bei uns lief das anders. Wir verfahren nach dem Motto: "Handele so, dass dein Kollege möglichst gut da steht". Und Frank ist ein ausgesprochen netter und rücksichtsvoller Kollege. Einer, der zuhören kann und auf den man sich verlassen kann.

Die Kostümbildnerin hat ein letztes Mal auf dem Weg ins Studio sein Outfit überprüft: grauer Anzug, weißes Hemd, dieses Mal keine Krawatte. Sein Kleidungsstil ist unauffällig seriös. Einige seiner TV-Kollegen setzen auf das grelle bunte Showkostüm, die schrille Frisur oder extravagante Schuhe, doch Frank Elstner trägt seit Jahrzehnten einen schlichten Anzug. Statt auf die Showbühne, könnte er damit auch zu einem Banktermin oder zu einer Vorstandssitzung gehen. Überhaupt ist seine scheinbare Unauffälligkeit teil seines Erfolges: Er war nie der Held der Titelseiten, keine Skandale, keine peinlichen Romanzen oder mediale Schlachten. Wo andere "Stars" vorübergehend alle Popularität auf sich zogen, um im nächsten Moment dahin zu welken wie Magnolien nach dem Frühjahrsfrost, hat Frank eine bemerkenswerte Haltbarkeit bewiesen. Er ist die Konstante im wechselhaften TV-Geschäft, denn niemand im deutschen Fernsehen kann inzwischen auf eine derart lange Präsenz zurückblicken wie er. Frank Elstner hat Fernsehgeschichte geschrieben - mehr als fünf Jahrzehnte lang.

Die Bandbreite seiner Sendungen ist beachtenswert: von Quatsch-Formaten mit viel Schmierseife wie dem Straßenfeger Spiel ohne Grenzen oder natürlich Wetten, dass ..? bis hin zu ernsten Gesprächsformaten wie der ZDF-Reihe Die stillen Stars, in der Elstner Nobelpreisträger interviewte oder der SWR-Talk Menschen der Woche. Obwohl er für die Fernsehunterhaltung arbeitet, strahlt er eine ausgesprochene Seriosität und Glaubwürdigkeit aus. Wenn er einen Gast ankündigt oder zu einem Thema überleitet, dann schwingt das Besondere mit, wie ein Echo aus einer Zeit, wo das Fernsehen uns mit neuen Welten beglückte. Vielleicht hat es auch mit seiner langen TV-Präsenz zu tun: Wenn er auftritt, dann werden viele von uns unbewusst in die Zeit ihrer Kindheit versetzt, als die Familie sich am Samstagabend noch vor dem Fernseher versammelte, mit Schnittchen auf dem Tisch, die Kinder frisch gebadet.

Seine Bedächtigkeit passt nicht mehr in eine Fernsehwelt, die längst ein seelenloses Business ist

Wir alle kennen Frank Elstner noch aus dieser Zeit, bevor es Internet und Handys gab, aus einer Zeit, in der das große Fernsehen ohne Werbepausen und Quotendruck noch eine ganze Nation erreichte.

Während andere Moderatoren wie Gemüseverkäufer in ihre Fernsehkameras schreien und ihr Publikum mit Kaskaden von Superlativen abstumpfen, bleibt Frank stets gefasst. Wenn er mit seiner unverwechselbar weichen Stimme eine "Sensaaatioooon" ankündigt, dann glauben wir ihm. Er ist kein Showanarchist, der plötzlich vom geplanten Ablauf abweicht. Keiner, der seine Gäste missbraucht, um sich selbst in den Vordergrund zu spielen. Er erspart uns die Enttäuschung, ihn eines Tages lachend auf einer Möbelhauswerbung wiederzusehen. Nein, "FE", wie er von vielen genannt wird, macht so etwas nicht.

Am Nachmittag hat seine Maskenbildnerin ihm die Haare frisiert. "Das entspannt mich vor der Sendung" hat er mir mal verraten. Danach hat er mit Showautor, Aufnahmeleiterin und Karten-Assistentin jeden einzelnen Ablaufpunkt nochmals besprochen. Es wurde ohnehin fleißig geprobt: jeder Auftritt, jede Anmoderation, jedes Experiment, jedes Talkthema, jeder Übergang. Ein Anachronismus in heutigen Zeiten, wo andere an einem einzigen Tag gleich mehrere Quizshows oder Talk-Sendungen hintereinander produzieren.

Seine Bedächtigkeit passt nicht zur seelenlosen Fernsehwelt, die inzwischen zu einem reinen Business mutierte und den Gesetzen von Kosten und Quote genügt: Studios, Quizregeln und Präsentatoren sind mittlerweile derart normiert, dass sie austauschbar erscheinen. Die geladenen Rateteams reisen ohnehin unentwegt von einer Quizshow zur nächsten. Trotz aufwendiger Lichteffekte, Jingles und Klangteppichen, ertrinken solche Formate in ihrer eigenartigen Gleichförmigkeit.

Aus besonderen Momenten wurde eine bunte Massenware. Das "große Fernsehen" ist dem medialen Rauschen gewichen, hat sich aufgelöst in der fragmentierten Welt zahlloser Youtube-Kanäle und sozialer Datenströme. Die Fließrichtung hat sich dabei umgekehrt: Aus einem Massenmedium ist ein Medium der Massen geworden. Die Monarchie des Fernsehens wurde abgeschafft mit all ihren Königen und Prinzessinnen, mit den Ritualen und Regeln, den Ouvertüren und Pausen. Doch heute Abend kann ich es noch einmal erleben, und die Hochachtung gilt diesem bescheiden wirkenden Mann, der neben mir steht. Die Aufnahmeleiterin gibt uns ein Zeichen. Kurz danach setzt der Vorspann ein: "Und hiiiiier sind Ihhhhhre Gastgeber ..."

Ranga Yogeshwar, 57, ist Physiker, Wissenschaftsjournalist und Moderator. Seit 2006 präsentiert er mit Elstner die Große Show der Naturwunder; am 27. April und 4. Mai laufen die letzten Folgen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: