US-Journalismus:"Satiriker analysieren Trump besser als die klassischen Nachrichten"

US-Journalismus: Was Late-Night Shows wie die von Trevor Noah so gut macht: "Der Satiriker sagt: Moment mal, da stimmt etwas nicht."

Was Late-Night Shows wie die von Trevor Noah so gut macht: "Der Satiriker sagt: Moment mal, da stimmt etwas nicht."

(Foto: AP)

Kann - und soll - der amerikanische Journalismus von Late-Night-Stars wie Trevor Noah lernen? Ein Gespräch mit der Medienwissenschaftlerin Sophia McClennen.

Interview von Kathleen Hildebrand

Seit Donald Trump ins Weiße Haus gezogen ist, hat sich die Satire-Landschaft in den USA verändert. Die Late-Night-Shows sind politischer geworden. Sie bekommen mehr Aufmerksamkeit. Der Ton ist dringlicher. Im Gegensatz zu den klassischen Nachrichtenmedien, sagt die amerikanische Kulturwissenschaftlerin Sophia McClennen, haben Satiriker wie Stephen Colbert, Trevor Noah oder Samantha Bee schneller einen klareren Standpunkt gegenüber der neuen Regierung gefunden. Wie haben sie das gemacht? Und können sich amerikanische Journalisten für den Umgang mit Donald Trump etwas von ihnen abschauen? Sophia McClennen untersucht seit Jahren, wie amerikanische Polit-Satire funktioniert - und wo die Missstände in den klassischen US-Nachrichtenmedien liegen. Ein Gespräch über 24-Stunden-Nachrichtenkanäle, kritisches Denken und die Haare von Donald Trump.

SZ: In Amerika scheint die politische Satire ein goldenes Zeitalter zu erleben, seit Trump gewählt wurde. Was ist da los?

Sophia McClennen: Satire spielt schon seit dem 11. September 2001 eine immer größere Rolle hier in den USA. Damals hatten Jon Stewart und Stephen Colbert ihre Shows nacheinander auf dem Kanal Comedy Central, die Satirezeitung "The Onion" wurde eine feste Größe und Michael Moores Film "Fahrenheit 9/11" kam in die Kinos. Seitdem hat man den Eindruck, dass die Satiriker besser zur Wahrheit durchdringen als die Nachrichten.

Was ist bei den amerikanischen Nachrichtenmedien schief gegangen?

Das ist der andere Teil der Geschichte. Deren Qualität hatte damals stark nachgelassen. Sie wurden sensationsgieriger, es gab bald im Fernsehen mehr Meinungen als Informationen und kritische Analysen. Und dann hatten wir 2016 diese extrem merkwürdige Wahl. Die Satiriker analysieren Trump besser als die klassischen Nachrichten.

Was heißt "besser" in diesem Zusammenhang? Was machen die amerikanischen Satritiker richtig?

Die meisten Leute denken, dass Satire ideologisch ist, also entweder liberal oder konservativ. Aber eigentlich ist es so: Satire stellt Vernunft über Unsinn, Logik über Dummheit. Der Satiriker sieht sich an, was in der Politik passiert und sagt: Moment mal, da stimmt etwas nicht. Er sagt den Menschen, dass der Kaiser keine Kleider anhat. Er stellt Dinge in Frage und zeigt, warum der Zuschauer das auch tun sollte. Seit Trump ist diese Art des Denkens sehr stark geworden.

Aber Journalisten versuchen das doch auch. Die Zeitungen haben Fact-Checker eingestellt, sie weisen auf jede Inkorrektheit in den Äußerungen der Regierung hin, sie sprechen ausdrücklich von "Lügen", wenn sie welche finden ...

Aber den klassischen Nachrichtenmedien ist es sehr schwer gefallen, mit den Fake-News-Vorwürfen aus dem Weißen Haus umzugehen. Sie mussten auf den Vorwurf der Voreingenommenheit reagieren und deshalb haben sie versucht zu zeigen, dass sie auch der "anderen Seite" zuhören und andere Meinungen abbilden. Erinnern Sie sich nur an die Debatten über die Anzahl der Besucher bei der Amtseinführung. An dieser Zahl war nichts ideologisch, das war Mathematik. Es ging nicht darum, dass die Medien Obama lieber mochten als Trump. Fakt ist: Zu Obamas Amtseinführung sind mehr Leute gekommen als zu der von Trump. Punkt. Darüber muss man nicht diskutieren. Aber die Nachrichtensender haben das getan.

Ist ein Teil des Problems, dass Nachrichtensender wie CNN und Fox News jeden Tag 24 Stunden mit Nachrichten füllen müssen?

Absolut. In der Geschichte der amerikanischen Nachrichten gibt es ein paar Zäsuren. Eine davon ist die Gründung des ersten reinen Nachrichtensenders, CNN, der an sieben Tagen die Woche 24 Stunden lang Nachrichten sendet. Dabei gibt es nicht rund um die Uhr neue Nachrichten. Um diesen Mangel auszugleichen, wurde die Figur des kommentierenden Experten erfunden, der eine viel größere Rolle in der Nachrichtenlandschaft bekommen hat, als er haben sollte. Dieser "Experte" äußert Meinungen, keine Informationen. Und dann streitet er sich minutenlang lautstark mit anderen "Experten". Statt Informationen bekommen die Zuschauer Emotionen präsentiert. Kritisches Denken wird so nicht gefördert. Der nächste Sargnagel für die Nachrichten war dann die Gründung von Fox News, des ersten offen ideologischen Nachrichtensenders. Fox hat den größten Anteil sehr treuer Zuschauer: Wer Fox schaut, sieht sich keine anderen Nachrichten an.

Kann der klassische Nachrichtenjournalismus in den USA etwas von den Satirikern lernen?

In dieser Frage bin ich für eine ganz traditionelle Arbeitsteilung. Ich finde, Journalisten sollten sich einfach wieder darauf beschränken, Informationen zu vermitteln. Und danach können dann die Satiriker Witze darüber machen. Im Wahlkampf hat CNN über Donald Trumps Haare berichtet und darüber, dass er sich seine Krawatten ans Hemd klebt. Das sind keine Nachrichten. Es ging viel zu wenig um Inhalte, immer nur um die Charaktereigenschaften der Kandidaten. Das hatte dann zur Folge, dass die Bürger schlecht informierte Wahlentscheidungen getroffen haben.

Satiriker wie John Oliver haben dafür angefangen, investigativen Journalismus zu betreiben.

Er hat ein ganzes Team dafür. Wenn John Oliver über Netzneutralität berichtet, dann macht er das besser als die Nachrichtensender. Dabei wäre das deren Aufgabe.

Würden sich die Menschen das denn ansehen? Satiriker haben den großen Vorteil, dass sie witzig sind. Deshalb schalten die Zuschauer auch bei trockenen Themen nicht weg.

Das stimmt. Aber Journalisten müssen eben unterhaltsamere Arten finden, ihre Informationen zu präsentieren. Man kann mit Visualisierungen arbeiten oder lebendig formulieren. Das bedeutet ja nicht, dass sie zu Satirikern werden müssen. Das Problem an Satire ist, dass sie immer an der Grenze zum Zynismus steht. Und niemand will, dass unsere Hauptnachrichtenquellen zynisch sind.

Nun ist es ja schon so, dass die amerikanische Polit-Satire politisch eher von links kommt. Glauben Sie, dass Late-Night-Komiker es schaffen können, die andere Seite des politischen Spektrums zu erreichen?

Eher nicht, nein. Es gibt Untersuchungen dazu, wieviele Republikaner und wie viele Demokraten sich Late-Night-Shows ansehen. Zumindest dieses spezielle Format scheint eher Menschen anzusprechen, die sich als unabhängig oder als links bezeichnen. Fox hat auch eine Satiresendung. Aber die ist nicht besonders witzig. Es gibt Studien, die belegen, dass Republikaner einige satirische Mittel - vor allem Ironie - nicht zu schätzen wissen. Sie denken stärker emotional als rational. Leider führt das auch dazu, dass sie sich wenig für Fakten interessieren und sich, wenn sie etwas Falsches glauben, auch nicht durch Beweise vom Gegenteil überzeugen lassen. Auf der Linken gibt es das auch, aber nicht im selben Ausmaß. Das ist sehr schlecht für die politische Entwicklung des Landes.

Das klingt sehr deprimierend.

Das einzig Gute ist, dass es in dieser Hinsicht Unterschiede zwischen den Generationen gibt. Jüngere Leute sind offenbar skeptischer, sie glauben nicht alles, was sie im Internet lesen, weil sie, anders als die Babyboomer, damit aufgewachsen sind. Wenn ich vor einem Publikum mit vielen Babyboomern spreche, sage ich oft: "Ihre Generation bringt uns noch alle um."

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