Kommentar:Verdichtung und Wahrheit

Die CSU im Nordosten zieht gegen die Siedlungsplanungen der Stadt zu Felde. Mit polemischen Bildern und fatalen Forderungen

Von Kassian Stroh

Wer Aufmerksamkeit will in der Politik, muss auch mal ein bisschen zuspitzen. Braucht Feindbilder oder Schreckensbilder, um Mitstreiter zu mobilisieren. So zieht die CSU im Münchner Nordosten derzeit gegen "öde Plattenbausiedlungen" ins Feld, die die Stadt angeblich im neuen Siedlungsgebiet Nordost errichten will. Nun gibt es dafür noch überhaupt keine Pläne, weil ja noch nicht einmal klar ist, wo überhaupt gebaut wird. Und in Münchens neuen Wohngebieten - man führe sich den Domagkpark vor Augen - entsteht alles andere als Plattenbau-Monotonie. Aber geschenkt, die übliche Polemik im Wahlkampf.

Könnte man meinen, wenn die CSU auf den Plakaten, die seit ein paar Tagen hängen, nicht auch konkret würde - damit beginnt das Problem. "Keine Bebauung für 30 000 Bewohner und 12 000 Arbeitsplätze, sondern für 15 000 Bewohner und 2000 Arbeitsplätze" fordert die CSU von Bogenhausen und Berg am Laim, "Bebauung mit Gartenstadtcharakter". Münchens Gartenstädte zu erhalten, also Viertel mit Einfamilienhäusern, ist seit jeher ein Schlager der CSU, die dort überdurchschnittlich gute Wahlergebnisse einfährt. Es ist auch legitim, darüber zu debattieren, wie diese Viertel ihr Gesicht verlieren, wenn dort reihenweise renditeoptimierte Appartementblocks entstehen. Doch im Siedlungsgebiet Nordost wird nicht verdichtet; dort entsteht etwas ganz Neues auf Flächen, die heute Äcker und Wiesen sind.

Angesichts der Wohnungsnot ist es richtig, dass die Stadt hier eine dichte Bebauung plant - und zwar auch gemischt mit Firmen. Nur zur Erinnerung: Es ist der CSU-Bürgermeister Josef Schmid, der stets betont, dass bei allem Wohnungsbau Flächen für Gewerbe nicht vergessen werden dürften. München muss Wohnungen bauen, viele Wohnungen, die Ideen der Nordost-CSU kann es sich nicht leisten. Und die CSU kann es sich nicht leisten, nur Fürsprecherin von Einfamilienhausbesitzern zu sein. Weil das nämlich bedeutete: Ihr sind Hunderttausende Münchner egal, die sich das Wohnen hier kaum noch leisten können, so lange nur das schnuckelige Stadtrand-Idyll bewahrt bleibt.

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