Rezession:"Mit jedem Tag steigt das Risiko"

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Eine Rezession sei seit zwei Jahren überfällig, sagt der Bonner Ökonom Moritz Schularick.

Interview von Katharina Wetzel

Die Unsicherheit ist derzeit groß. Viele Unternehmen sind besorgt über zunehmende protektionistische und populistische Tendenzen. US-Präsident Donald Trump setzt auf eine Politik der Abschottung und droht anderen Ländern mit Handelshemmnissen. Welche Risiken entstehen hierdurch für den internationalen Handel und die Weltwirtschaft? Ein Gespräch mit Moritz Schularick, Wirtschaftsprofessor von der Universität Bonn.

SZ: Wie wirken sich die protektionistischen Tendenzen der US-Politik und der Leitlinie "Amerika zuerst" von US-Präsident Donald Trump auf die Wirtschaft aus?

Moritz Schularick: Das erste Opfer gibt es schon. Wir wissen zwar noch nicht, ob Trump als Tiger springt und als Bettvorleger landet, aber die Verunsicherung ist schon da.

Reicht diese Verunsicherung aus, um die positive Konjunktur abzuwürgen? In der Messebranche boomt es derzeit.

Ja, zurzeit ist dies noch nicht zu sehen. Die nächste Rezession kommt aber bestimmt. Es überwiegen die Risiken, dass bald etwas schiefgeht.

Das klingt negativ. Warum sind Sie so in Sorge?

Meine größte Sorge sind die politökonomischen Konsequenzen, wenn es innerhalb der nächsten zwei Jahre zu einer Rezession kommt. Die letzte Rezession ist mehr als zehn Jahre her.

Es wäre also wieder an der Zeit für eine Rezession?

Konjunkturzyklen lassen sich schwer vorhersagen, aber auf lange Sicht haben wir alle acht Jahre eine Rezession. Sie ist also schon seit zwei Jahren überfällig. Mit jedem Tag und jeder Sekunde steigt das Risiko. Und durch politische Risiken wie schwierige Brexit-Verhandlungen und einem extrem unpopulären Trump könnte sich in einer Rezession die Lage zuspitzen. Wenn dann der Protektionismus einen weiteren Auftrieb bekommt, können wir in eine Situation wie in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts gelangen.

US-Präsident Trump wirft anderen Ländern verzerrte Handelspraktiken wie Dumpingpreise, Subventionen und verzerrte Devisenkurse zulasten der USA vor. Ist die Kritik berechtigt?

Nein, die Kritik von Trump ist nicht berechtigt. Der Dollar ist auf den Devisenmärkten relativ zum Gleichgewichtswechselkurs sicher eher zu stark, da Anleger optimistisch sind mit Blick auf die Konjunktur und die Zinsentwicklung in den USA, aber manipuliert ist das nicht.

Trump möchte das hohe US-Handelsbilanzdefizit von 734 Milliarden US-Dollar reduzieren. Deutschland steht immer wieder in der Kritik, weil es mehr Waren exportiert als importiert. Was halten Sie als Ökonom von diesem Vorwurf?

Man kann die Deutschen zwar nicht zwingen, mehr zu importieren, aber natürlich könnte der Staat mehr tun, um die inländische Nachfrage anzukurbeln. Hier tut Deutschland zu wenig, aber es ist sehr viel komplizierter, als Trump dies darstellt. Und auch unter Ökonomen gibt es hier Uneinigkeit. Wenn Sie zwei Ökonomen dazu fragen, bekommen Sie drei Meinungen.

Ist ein Handelsdefizit denn per se schlecht für ein Land?

Nein, per se ist es weder schlecht noch gut.

Was wäre, wenn sich die protektionistischen Tendenzen mit Strafzöllen hochschaukeln würden und es zu einem Handelskrieg käme?

Ein Handelskrieg wäre schlecht für alle Länder. Die Unternehmen hätten weniger Märkte, um ihre Waren zu vertreiben, weniger Gewinne, folglich auch weniger Geld, und die Messestände blieben auch leer.

Warum lassen sich in der US-Politik, aber auch in der EU verstärkt protektionistische und populistische Tendenzen beobachten?

Die Früchte der Globalisierung sind ungleich verteilt. Das ist der Grund, warum die Lage so fragil ist. Nach der ökonomischen Außenhandelstheorie können die Gewinner die Verlierer entschädigen, da der Kuchen durch die Globalisierung für alle größer geworden ist. In der Realität behalten aber die Gewinner das ganze Stück für sich allein. Es ist die Frage für das nächste Jahrzehnt, wie wir dies besser machen können.

Haben Sie eine Idee?

Unternehmer, die auf größere Märkte exportieren, sind die Gewinner des internationalen Handels. Die Arbeiter erhalten dagegen mehr Konkurrenz. Unternehmer könnten die Verlierer besser entschädigen, indem sie etwa ihren Mitarbeitern etwas von den zusätzlichen Gewinnen abgeben.

© SZ vom 25.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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