Frauen in der Männerbranche:"Hinter meinem Rücken wird bestimmt einiges geredet"

Nicole Fehr Rolls-Royce Deutschland

Nicole Fehr ist seit März 2016 Mitglied der Geschäftsführung des Triebwerkeherstellers Rolls-Royce Deutschland.

(Foto: Rolls-Royce Deutschland)

Als Frau in einer Männerbranche wird die Rolls-Royce-Geschäftsführerin kritisch beobachtet. Sogar beim Kaffeetrinken kann sie etwas falsch machen.

Interview von Larissa Holzki

Entscheidungen treffen fand Nicole Fehr schon immer super. Wenn sie heute eine fällt, trägt sie als Programmdirektorin und Mitglied der Geschäftsführung des Triebwerkeherstellers Rolls-Royce Deutschland dabei die Verantwortung für dreieinhalbtausend Mitarbeiter, die Unternehmensfinanzen und Lieferanten. Im Gesamtkonzern leitet sie die Entwicklung der zukünftigen Generation von Business-Jets.

Beim Fußballspielen mit ihren drei Brüdern und beim Businessmeeting mit Geschäftspartnern in aller Welt war die gebürtige Berlinerin häufig die einzige Frau unter Konkurrenten und Kollegen, die ihr den Erfolg nicht immer gegönnt haben. Nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau bei einem mittelständischen Unternehmen durchlief sie zahlreiche Stationen bei Rolls-Royce, unter anderem in der Prozessoptimierung, Montage und Logistik. Im Interview erzählt die 46-Jährige, warum Frauen mutiger sein sollten und wie sie auf Gerede in der Kaffeeküche reagiert.

SZ: Frau Fehr, viele Männer glauben, Frauen und Technik, das passt nicht zusammen. Gilt das auch für Ihre Kollegen und Mitarbeiter?

Nicole Fehr: Ich glaube schon, dass die Leute anfangs ein bisschen geguckt haben: Kann die dit? Aber ich habe mir Respekt verschafft. Als mir jemand in der Fertigung erklären wollte, das ist alles zu komplex und das verstehst du nicht, habe ich gesagt: Ich bin nicht doof, wir beide werden uns das jetzt mal angucken und wenn man das in die Einzelteile zerlegt, dann ist es gar nicht so komplex.

Das klingt sehr selbstbewusst. Hat Sie die Männerbranche nie eingeschüchtert?

Das kam ab und zu mal vor, um ehrlich zu sein. Ich weiß noch, als ich meine erste Führungsrolle als Abteilungsleiterin in der Produktion hatte. Ich war zuvor Sachbearbeiterin und Teamleiterin, hatte aber keinen technischen Hintergrund. Im eigenen Team aufzusteigen, ist sowieso eine Herausforderung. Aber eine Modulmontage zu leiten mit 120 fast ausschließlich männlichen Mitarbeitern, einem kompletten Maschinenpark von Hochgeschwindigkeitsschleifmaschinen, Wuchtmaschinen und allem, was dazugehört? Als ich damals meine erste Arbeitswoche hatte, dachte ich: Mädel, kriegst du das hin?

Offenbar haben Sie die Aufgabe gemeistert und sich später sogar noch mehr zugetraut. Wie ist Ihnen das gelungen?

Vor allem mit der inneren Einstellung: Ich muss nicht alles können, ich muss nur wissen, wer mir helfen kann, das Problem zu lösen. Das hat mir damals geholfen und das hilft mir heute auch.

Sie sind in den Siebzigerjahren in Westberlin aufgewachsen. Welches Frauenbild hat Ihre Mutter Ihnen vorgelebt?

Meine Mutter ist Hausfrau. Aber für mich hat sie sich gewünscht, dass ich später für mich selbst sorgen kann. Ich glaube, ich konnte nicht mal stehen, da hat sie mir das schon gesagt.

Was wollten Sie als Kind werden?

Ich wollte als Kind immer ins Büro. Mein Papa war Prokurist. Freitags habe ich ihn von der Arbeit abgeholt. Da zu sitzen, einen eigenen Schreibtisch zu haben, mit Leuten Kontakt zu haben, Dinge zu bestellen, Geld zu verwalten - das fand ich unheimlich beeindruckend. Ich habe dann Industriekauffrau gelernt und das war eine ganz richtige Entscheidung.

"Generell bin ich gegen eine Frauenquote"

Was hat Sie angetrieben, sich weiter hochzuarbeiten?

Ich hatte an mich selbst nie die Erwartung, mal Direktorin oder Geschäftsführerin zu werden. Aber ich fand es immer toll, wenn ich nicht fragen muss, sondern entscheiden kann. Als ich das erste Mal in ein hierarchisches Industrieunternehmen gekommen bin, habe ich gedacht: 'Mensch, wenn ich jetzt Teamleiter wäre, dann könnte ich das entscheiden'. Dann habe ich festgestellt: Als Teamleiter kann man zwar ein bisschen was entscheiden, aber doch nicht so viel. Als Nächstes bin ich dann Abteilungsleiter geworden, da hat man schon ein bisschen mehr Verantwortung. So hat sich das für mich ergeben.

Durch diese Verantwortung stehen Führungskräfte aber auch unter Druck und besonderer Beobachtung.

Ja, als Frau vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, weil man ein bisschen etwas Einzigartiges ist, leider. Mir ist dieser Leistungsdruck manchmal vielleicht gar nicht so bewusst, weil ich an mich selbst sowieso die Erwartung habe: Das musst du einfach gut machen und du bist eine Führungskraft, also musst du Vorbild sein. Manchmal bin ich aber überrascht, worauf die Leute achten. Neulich wurde mir gesagt, dass es auffallend ist, dass ich meinen Kaffee immer noch in diesen Wegwerfbechern kaufe und dass das nicht sehr vorbildhaft ist. Oder Kleidungsstücke: Bei meinen männlichen Kollegen macht sich kein Mensch Gedanken, wenn sie jeden Tag im Anzug rumlaufen. Bei mir wird geguckt, welche Farbe, welche Bluse und ob die neu, businesslike oder female ist.

Kleiden Sie sich bewusst weiblich?

Ich habe gar kein Kleid und keinen Rock. Hatte ich schon als Kind nicht. Ich bin mit drei Brüdern auf dem Bolzplatz aufgewachsen, da ist man eher einer in der Truppe unter Jungen.

Einer in der Truppe sind Sie schon lange nicht mehr. Haben Sie auch mal Neid und Missgunst erlebt?

Ja, auch heute noch. Ich bin seit einem Jahr Geschäftsführer und hinter meinem Rücken wird bestimmt einiges geredet. Ich habe 20 Jahre in diesem Unternehmen gearbeitet und ein gutes Netzwerk von Leuten, die mir solche Sachen stecken. Da haben Leute gesagt, ich hätte den Job nur bekommen, um eine Frauenquote zu erreichen.

Wie reagieren Sie auf solches Gerede?

Da muss man ein dickes Fell haben. Es gibt Leute, die sich das zu Herzen nehmen, dazu gehöre ich definitiv nicht. Weil ich einfach weiß, was ich kann und dass ich nicht durch irgendwelche Beziehungen in diese Rolle gekommen bin, sondern dass ich für das Unternehmen seit Jahren verdammt noch mal einen guten Job gemacht habe. Ich habe auch unheimlich viel Glück gehabt in meiner Karriere, aber von nüscht kommt nüscht.

Ist die Frauenquote also gar nicht nötig?

Generell bin ich gegen eine Frauenquote. Aber ich glaube, dass wir in einer Gesellschaft leben, wo wir so etwas brauchen. Frauen trauen sich teilweise nicht genug zu. Ich biete Mitarbeiterinnen an, meinen Arbeitsalltag kennenzulernen und versuche, sie in persönlichen Gesprächen zu ermutigen: Um Führungskraft zu sein, muss man nach meiner Vorstellung zuhören können, auf Leute zugehen können und bereit sein, an sich selbst zu arbeiten. Fachliches Wissen kann man lernen. Da kann man Bücher lesen, da kann man Trainings besuchen, da kann man sich Vorlesungen anhören, da kann man Ratschläge einholen. Frauen haben diesen Mut zur Lücke oftmals nicht.

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