Formel 1 in Singapur:Der Skandal wird zum Witz

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Verdrängen und Ausblenden: Vor dem Singapur-Rennen übt sich die Formel 1 in ihren Paradedisziplinen. Trotz der gewünschten Aufklärung im Crash-Fall bleibt vieles unklar.

E. Brümmer

Ein bisschen Farbe, und schon ist die Ordnung wieder hergestellt. Scheinbar wenigstens. Anstand ist ja neuerdings wichtig in der Formel 1, und noch wichtiger ist sie im Stadtstaat Singapur, in dem Sauberkeit als Bürgerpflicht gilt. Die frisch gestrichenen Mauern in Kurve 17 sollen auch die Selbstreinigung des Motorsports symbolisieren. Immerhin trägt jener Streckenabschnitt des Marina Bay Street Circuit, an dem Nelsinho Piquet auf Kommando von Flavio Briatore im vergangenen Jahr seinen Renault an die Wand gefahren hat nun als einziger einen Namen: "Fake Corner", die Fälscher-Kurve, heißt die Passage inoffiziell. Den Singapurians ist sie ein Pilgerziel. Es ist schick, sich dort fotografieren zu lassen.

Teamchef Flavio Briatore wurde für den inszenierten Unfall, der Fernando Alonso zum Sieg verhalf, lebenslang aus der Formel 1 verbannt, Technikchef Pat Symonds darf fünf Jahre lang nicht mitspielen. Den wichtigsten Platz am Renault-Kommandostand nimmt vorübergehend Bob Bell ein, der bisherige Technik-Direktor. Ansonsten aber hat sich wenig verändert. Der angeblich größte Skandal der Formel 1 wird vor dem Nachtrennen in Singapur so in Szene gesetzt wie die historischen Gebäude, die hinter den Fangzäunen in dem Licht erstrahlen, das 3000-Lux-starke Lampen abgeben: Trotz aller Anstrengung bleibt einiges im Dunkeln. Hauptsache aber, der leicht schwächelnde Ticketverkauf wird angekurbelt. Es ist der Zauber einer Formel Illuminati.

Briatore auf dem Bildschirm

Die Zeit war zu knapp, um das Werbevideo für das Rennen neu zu schneiden. Die verzerrten Gesichtszüge des Bösewichts Briatore leuchten im Viertelstunden-Rhythmus von den riesigen Multivisionswänden. Eine steht schräg gegenüber der Renault-Box, die picobello sauber und meist durch Stellwände geschützt ist. Der französische Konzern bedauerte am Donnerstag noch einmal die "jüngsten, unerfreulichen Ereignisse". Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone rät Briatore unterdessen, in die Berufung zu gehen: "Wenn er alles zugibt, hat er vielleicht eine Chance."

Jeder mag sich sein eigenes Urteil über die Merkwürdigkeiten des juristischen Deals bilden. Der Unmut von Fans und Teilen der Fahrerbelegschaft richtet sich aber immer mehr gegen Nelsinho Piquet, der sich als Kronzeuge Immunität zusichern ließ. "Wenn du zur Polizei gehst und sagst, du hast jemanden umgebracht, kennst aber jemand, der drei Leute umgebracht hat - dann gehst du normalerweise trotzdem ins Gefängnis", sagt BMW-Pilot Robert Kubica. Piquet möchte seine Karriere nun erst einmal in Nordamerika fortsetzen - bis sich die For- mel-1-Gemüter beruhigt haben.

Was kommt als nächstes?

Der Serie schlägt derzeit viel Misstrauen entgegen. Denn: Offenbar ist den Akteuren alles zuzutrauen. Das ist jetzt ja sogar amtlich. Rennfahrer sind allerdings Routiniers im Verdrängungswettbewerb. Noch-Weltmeister Lewis Hamilton von McLaren-Mercedes schickt, ganz der Brave, "positive Energie" ins Hause Piquet - ansonsten aber sei es nicht sein Job, die Affäre zu kommentieren. Der australische Red-Bull-Pilot Mark Webber, der elf Jahre lang von Flavio Briatore gemanagt wurde, bekennt sich als einer der wenigen öffentlich: "Natürlich werden wir Flavio vermissen. Die Formel 1 besitzt nicht viele solcher Charaktere." Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen gibt sich dagegen authentisch-autistisch: "Es ist nicht mein Team, dem das passiert ist. Außerdem kann ich sowieso nichts dran ändern..."

Die meisten Lämmer schweigen. Nico Rosberg, im vergangenen Jahr mit seinem Williams Zweiter, tut das zumindest wortreich. "Das war negativ für den Sport, aber jetzt werden wir ein großartiges Wochenende und ein phantastisches Rennen haben, und dann ist das Vergangenheit. Betrüger gibt es überall im Leben, aber es sind immer Einzelne."

Später, im Pulk der Kameras, sagt Vorjahres-Profiteur Fernando Alonso fast das Gleiche: "Es ist alles schon Vergangenheit." Die Rückspiegel der Rennwagen sind nicht umsonst besonders klein. Bei der Diskussion der Fahrerfragen für 2010 begegnet der innere Zirkel der Königsklasse der Angelegenheit bereits wieder mit Galgenhumor. "Zu Renault", scherzt einer, "kannst du jetzt nicht mehr gehen. Ohne mogeln kommt man dort nicht weiter."

© SZ vom 25.09.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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