Recycling:Ein gelber Sack, den niemand versteht

Droht eine Strafe, wenn er falsch befüllt wird? Soll Verpackungsmüll wirklich abgewaschen werden? Und wird nicht ohnehin alles verbrannt? Zwölf Irrtümer rund um ein wunderliches Phänomen.

Von Hans von der Hagen

Der gelbe Sack gehört zu den wunderlichsten Phänomenen der Republik. Viele Bürger entwickeln eigentümliche Verhaltensweisen, um ihn korrekt zu füllen. Manche waschen ihren Müll ab, andere sortieren ihn bereits vor und wieder andere glauben, sie könnten darin auch elegant ihre alten Sonnenschirmständer entsorgen. Im Folgenden ein Blick auf einige besonders populäre Irrtümer:

Den gelben Sack? Den gibt es doch gar nicht mehr

Dieser Satz kann eigentlich nur von einem Münchner kommen. In der bayerischen Landeshauptstadt gibt es lediglich Wertstoffcontainer. Ansonsten wird mit wenigen Ausnahmen fast überall in Deutschland der gelbe Sack oder eine gelbe Tonne abgeholt. Für welche der beiden Alternativen sich die Entsorgungsbetriebe entscheiden, hat oft praktische Gründe. In verwinkelten Altstädten etwa ist es einfacher, den gelben Sack für die Sammlung von Verpackungen zu verwenden als die sperrigeren Tonnen.

Deutschland schmeißt weg - ein Schwerpunkt

Mehr als 45 Millionen Tonnen Haushaltsmüll wandern in Deutschland jedes Jahr in die Tonne. Zwar wird ein Teil davon recycelt, die Statistik aber zeigt: Der Müll in Deutschland wird nicht weniger, im Gegenteil: Wir schmeißen immer mehr weg. Ist das ein Problem? Alle Texte zum Thema finden Sie hier.

Um die Entsorgung des gelben Sacks kümmert sich der Staat

Nein, der gelbe Sack wird von der Privatwirtschaft finanziert und ist Teil des sogenannten "dualen Systems". Es ergänzt die öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung. Industrie und Handel zahlen innerhalb dieses Systems Lizenzgebühren für die Verwendung von Verpackungen an eins von insgesamt zehn Unternehmen. Das wohl bekannteste von ihnen ist Der Grüne Punkt, weitere heißen Belland-Vision, Veolia, Zentek, Landbell oder Interseroh. Mit den Einnahmen aus den Lizenzen finanzieren die Firmen die Entsorgung und das Recycling der Verpackungen. Um den normalen Hausmüll kümmern sich hingegen Stadt und Gemeinden.

Nur Produkte mit einem Grünen Punkt dürfen in den gelben Sack

Nein, die Regel ist: Alles, was im Laden an Verpackungen über die Theke geht, darf in den gelben Sack. Der Grüner-Punkt-Mythos stammt noch aus den Neunzigerjahren: Damals wurden die Wirtschaft dazu verpflichtet, ihren Verpackungsmüll zurückzunehmen. Das Unternehmen Der Grüne Punkt war das erste, das die Verpackungen für sie sammelte. Da die Unternehmen ihn alternativ aber auch selbst zurücknehmen konnten, durfte zwischenzeitlich nur in den gelben Sack, was einen Grünen Punkt trug. Erst seit 2009 sind alle Firmen verpflichtet, sich am dualen System zu beteiligen.

Ich kann auch alte Zahnbürsten in den gelben Sack werfen, die sind ja ebenfalls aus Plastik

Beim gelben Sack geht es nicht darum, möglichst viel vom Hausmüll zu recyceln. Es geht allein um die Entsorgung von Verpackungen. Nur dafür zahlt die Wirtschaft, nicht aber für das Recycling der Zahnbürste, also des Produkts selbst. Es gibt allerdings Ausnahmen: In einzelnen Kommunen dürfen auch "stoffgleiche Nichtverpackungen" in die gelben Behältnisse eingeworfen werden - somit auch die Plastikzahnbürste. Die Kosten trägt in dem Fall aber nicht das duale System, sondern die jeweilige Kommune. Solche Ausnahmen sind auf den gelben Behältnissen vermerkt.

Wenn Verpackungen in den gelben Sack dürfen, kann ich ja auch Papier und Glas dort einwerfen

Für Papier und Glas gibt es separate Abfallkreisläufe, darum gehören diese Stoffe nicht in den gelben Sack. Unklar ist mitunter der Umgang mit Papier, da es unterschiedlich beschichtet sein kann. Der Tipp der Entsorgungsbranche lautet: Alles, was sich an Papier gut zerreißen lässt, gehört ins Altpapier. Ansonsten darf es in den gelben Sack.

Was in den gelben Sack kommt, muss zu Hause vorgereinigt werden

Das würde zu viel Energie und Wasser kosten. Der Müll wird bei der Aufbereitung ohnehin gewaschen. Es reicht, wenn Verpackungen wie etwa Joghurtbecher "löffelrein" sind. Heißt: Sie sollen nicht halbvoll im Sack oder Container landen.

Was im gelben Sack landet, wird am Ende doch eh nur verbrannt

Branchenvertreter sagen, dass etwa 40 Prozent von dem, was im gelben Sack landet, am Ende auch stofflich erhalten bleibt. Etwa sieben Prozent landen direkt in der Müllverbrennungsanlage. Das ist für die Branche die teuerste Entsorgungsform, weil sie dafür am meisten zahlen muss. Der Rest, also etwas mehr als 50 Prozent, wird zwar ebenfalls verbrannt, da diese Stoffe aber kaum mit Schadstoffen belastet sind, können sie etwa in Zementwerken als Brennstoff genutzt werden. Zum Vergleich: Der Hausmüll muss überwiegend in Müllverbrennungsanlagen verbrannt werden.

Die gelben Säcke werden beim Müllverwerter von Hand sortiert

Mittlerweile kann der Verpackungsmüll gut maschinell getrennt werden. Von Hand wird nur noch nachsortiert. Problematisch sind jedoch scheinbare Kleinigkeiten: Hängt der Aludeckel noch am Joghurtbecher, landet beides zunächst im Plastikmüll. Die Maschinen orientieren sich immer am größeren und schweren Teil, in diesem Fall also an dem Becher. Das Aluminium muss in einem zusätzlichen Schritt beim Plastikverwerter aussortiert werden.

Schwer tun sich die Maschinen auch mit schwarzen Kunststoffen, weil sie das Prüflicht nicht richtig reflektieren. Auch Verbundverpackungen aus Kunststoff sind problematisch, beispielsweise jene Schalen, in denen Fleisch oder Käse oft verpackt wird. Die Abdeckfolie ist häufig aus Polyethylen (PE), die Schale aus dem härteren Polyethylenterephthalat, bekannter unter der Kurzform PET. Einzeln ließen sich die Materialien wiederverwenden, miteinander verschweißt funktioniert das bislang noch nicht gut. Darum ist gerade bei Mischkunststoffen die Recyclingquote sehr gering.

Tüten können doch ohnehin nicht wiederverwertet werden

Doch, sie werden gehäckselt, gewaschen und getrocknet. Aus dem Granulat lassen sich dann neue Folien ziehen. Die sind nicht mehr besonders hochwertig, können aber zum Beispiel als Material für gelbe Säcke verwendet werden.

Wer den gelben Sack falsch befüllt, muss mit einer Geldbuße rechnen

Dafür fehlt die rechtliche Grundlage. Es kann lediglich passieren, dass die Entsorgungsfirma einen gelben Sack stehen lässt, wenn er falsch befüllt ist. Verdächtig sind vor allem Säcke, die mehr als die üblichen zwei bis drei Kilogramm wiegen. Dann liegt der Verdacht nahe, dass auch Glas, Papier, Holz oder eben der Sonnenschirmständer entsorgt wurden. Manchmal hängt in so einem Fall ein Zettel an dem Sack, mit der Bitte, den Inhalt nochmal neu zu sortieren.

Es ist sinnvoller, Container in einer Stadt aufzustellen, als über zwei oder vier Wochen hinweg den Müll in gelben Säcken zu sammeln und zu lagern

Die Erfahrung zeigt: In den Containern wird viel weniger Verpackungsmüll gesammelt. Nochmal das Beispiel München: Während im Rest der Republik pro Kopf etwa 30 Kilogramm an Verpackungsmüll gesammelt werden, sind es in München gerade einmal fünf Kilogramm. Hinzu kommt: Das gesammelte Material ist im Vergleich zum gelben Sack schlechter wiederverwertbar, weil vieles eingeworfen wird, was nicht recycelt werden kann. Müllexperten sagen: In den Containern landet alles, was irgendwie durch die Schlitze passt. Beim gelben Sack ist die Hemmschwelle größer, Müll darin zu entsorgen, der nicht dort hinein gehört.

Wofür der Aufwand? Müll ist doch nichts wert

Für die Stoffe aus der Müllverwertung gibt es einen Markt wie für herkömmliche Rohstoffe auch - mit entsprechend schwankenden Preisen. Beispiel Plastik: Fällt der Preis für Rohöl, werden Kunststoffe günstiger, weil sie mit Hilfe von Öl produziert werden. Folien etwa können um die 30 Euro je Tonne bringen, sortenreines Polyethylen, wie es zum Beispiel für Shampoo-und Reinigungsflaschen verwendet wird, 200 Euro. Bei Mischkunststoffen müssen hingegen für die Entsorgung 50 Euro pro Tonne draufgezahlt werden.

Die Einnahmen aus den Stoffen wären für sich genommen allerdings nicht hoch genug, um das duale System ohne Lizenzgebühren zu finanzieren. So wertvoll sind die Wertstoffe dann eben doch nicht. Ein schöner Nebeneffekt jedoch: Deutschland ist vielen anderen Ländern bei der Mülltrennung so weit voraus, dass sich die dafür erforderlichen Technologien mitunter zum Exportschlager entwickeln.

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