Affären:Regensburg will "Transparency International" beitreten

Regensburg

Das idyllisch an der Donau gelegene Regensburg wird seit Monaten von der Korruptionsaffäre in Atem gehalten.

(Foto: dpa)
  • Der Regensburger Stadtrat hat beschlossen, dass die Stadt "Transparency International" beitreten soll. Regensburg wäre die erste bayerische Kommune, die diesen Schritt geht.
  • Auch soll ein externer Verband sämtliche Grundstücksvergaben seit 2008 überprüfen.
  • Die Stadt zieht damit erstmals echte Konsequenzen aus der Korruptionsaffäre um den ehemaligen Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD).

Von Andreas Glas, Regensburg

Der Regensburger Stadtrat zieht erstmals echte Konsequenzen aus der Korruptionsaffäre um den suspendierten SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs und Alt-OB Hans Schaidinger (CSU). Am Mittwochabend beschloss das Gremium einstimmig, die Mitgliedschaft der Stadt bei der Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) anzustreben. Im nächsten Schritt soll nun ein entsprechender Aufnahmeantrag vorbereitet werden. Außerdem einigten sich die Stadträte darauf, den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband (BKPV) darum zu bitten, sämtliche Grundstücksvergaben der vergangenen neun Jahre nachträglich auf Rechtmäßigkeit zu kontrollieren.

Mit dem geplanten Beitritt zu Transparency International reagiert der Stadtrat auf die heftige Kritik, mit der die Nichtregierungsorganisation der Stadt zunächst eine Absage erteilt hatte. In einem ersten Anlauf hatte SPD-Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer die Organisation Ende Februar schriftlich darum gebeten, "einen Blick auf unsere Korruptionsbekämpfungsrichtlinie" zu werfen. Darauf antwortete TI-Vorstandsmitglied Gisela Rüß sehr deutlich: Eine Strategie zu prüfen, die sich lediglich in der Theorie vehement gegen Korruption stemmt, sei sinnlos, "es sei denn, man suche nur nach einer Bestätigung, dass man alles richtig gemacht habe".

Diese Absage sei "ein schlechter Start" gewesen in die Aufarbeitung der Affäre, sagte FDP-Stadtrat Horst Meierhofer. Allein die Formulierung, TI solle "einen Blick" werfen auf die städtische Anti-Korruptionsrichtlinie, sei "der Sache nicht angemessen" gewesen. Man habe sich "als dümmlicher Bittsteller" präsentiert, sagte Meierhofer. Auch Freie-Wähler-Fraktionschef Ludwig Artinger äußerte sich selbstkritisch. Das vom gesamten Stadtrat verabschiedete Schreiben sei "eine Ohrfeige für uns Antragsteller" gewesen. Weniger reumütig zeigte sich dagegen die SPD. Man habe die TI-Absage "nicht als Ohrfeige verstanden", sagte Bürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer, "sondern als Beginn eines Dialogs" mit der Organisation.

Vor der Abstimmung hatte es am Mittwoch eine lange Debatte über den geplanten TI-Beitritt gegeben. Dass sich etwas tun muss, da waren sich die Stadträte einig. Die Stadt dürfe nicht "auf den Sankt-Nimmerleins-Tag" warten, sondern müsse nun endlich ein Zeichen setzen, dass es ihr ernst sei, die Vergangenheit aufzuklären und Korruption in Zukunft zu verhindern, sagte Hermann Vanino (CSU). Auch Piraten-Stadträtin Tina Lorenz forderte "ein Bekenntnis, sich zu ändern" und plädierte dafür, "dass wir ein geschlossenes System nach und nach öffnen müssen".

Kommt die Mitgliedschaft zustande, wäre Regensburg die sechste deutsche Kommune, die Transparency International beitritt - und die erste in Bayern. Mitglieder sind bislang Leipzig, Bonn, Potsdam, Halle an der Saale und das nordrhein-westfälische Hilden. Ein TI-Beitritt sei zwar "keine Garantie, nie wieder einen Korruptionsskandal zu haben", sagt die Hildener Bürgermeisterin Birgit Alkenings (SPD), deren Stadt die erste Kommune war, die 2003 Mitglieder wurde.

Das Wichtigste aber sei, dass in einer Stadtverwaltung "ständig darüber geredet wird, was Korruption bedeutet", sagt Alkenings. Dabei helfe eine TI-Mitgliedschaft, weil die Organisation Verwaltungsmitarbeiter verpflichtet, regelmäßig an Antikorruptionsschulungen teilzunehmen. Darüber hinaus gelten strenge Verhaltensnormen. Unter anderem verpflichten sich die politischen Entscheidungsträger, mögliche Interessenskonflikte offenzulegen. Auch für kommunale Tochtergesellschaften gelten Normen.

Alle Vergaben seit 2008 sollen überprüft werden

Während die TI-Mitgliedschaft für Bürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer eine Maßnahme ist, die "in die Zukunft gerichtet" sei, soll die Prüfung aller Grundstücksvergaben seit 2008 durch den BKPV dabei helfen, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Dass auch Geschäfte nachgeprüft werden, die länger zurückliegen als jene, die Teil der Ermittlungen gegen Wolbergs und Schaidinger sind, hält FDP-Stadtrat Meierhofer für sinnvoll: "Es könnte ja sein, dass schon länger Verfahren so abgewickelt wurden, wie man sich das nicht wünscht."

Einer fehlte bei der Stadtratssitzung am Mittwochabend: Norbert Hartl. Der frühere SPD-Fraktionschef steht ebenfalls im Verdacht, in die Korruptionsaffäre verstrickt zu sein. Dass Hartl sich im Vorfeld der Vergabe des Baugrundstücks auf der früheren Nibelungenkaserne mit einer Baufirma abgestimmt haben soll, hatte die Regierung der Oberpfalz zu Beginn der Woche kritisiert.

Die Behörde spricht von einem "gravierenden Verstoß gegen den wettbewerbsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz". Darauf reagierte Hartl und trat aus der SPD-Fraktion aus. Ob der Stadtrat ein Ordnungsgeld gegen ihn beschließt, darüber beriet das Gremium am späten Mittwochabend in nichtöffentlicher Sitzung. Nach SZ-Informationen hat man sich darauf geeinigt, Hartl noch einmal anzuhören, bevor über eine Strafe entschieden wird.

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