FC Bayern München:Bayern fährt eine Doppelstrategie

Bayern München - Borussia Dortmund

Öffentlich stützt der FC Bayern seinen Trainer Carlo Ancelotti. Doch die Münchner müssen auch die Zukunft vorbereiten.

(Foto: dpa)
  • Nach dem Aus im DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund steht Bayern-Trainer Carlo Ancelotti in der Kritik.
  • Die Verantwortlichen beim FC Bayern stützen ihn öffentlich - müssen aber gleichzeitig an die Zukunft denken.
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Von Christof Kneer

Seminare in Krisen-PR kann man überall im Internet buchen. Man darf dann eine gewisse Gebühr überweisen sowie ein Hotelzimmer optionieren und bekommt dafür die Garantie, sich in die Hände "versierter Krisenmanager" zu begeben. Dagegen ist nichts einzuwenden, außer natürlich: Man kann sich dieses Geld auch sparen. Wer etwas über Krisen-PR lernen will, kann kostenlos zuschauen, was der FC Bayern gerade so macht.

Ja, auch bei dieser sehr großen Fußballfirma aus München sind versierte Krisenmanager beschäftigt, obwohl die Notfälle, die es beim FC Bayern zu managen gilt, sehr oft nur darin bestehen, dass gegen den HSV nicht 8:0, sondern nur 3:1 gewonnen wurde. Wobei: Größere Krisen gibt es in diesem Verein schon auch, eine größere Krise ist es zum Beispiel, wenn man deutscher Meister wird. Und sonst halt nichts.

Zwei Nachrichten kamen am Freitag aus dem Hause FC Bayern. Nachricht eins: "Carlo Ancelotti ist ein sehr guter und erfahrener Trainer. Seine Vertragslaufzeit (bis 2019) ist bekannt, darüber wird nicht diskutiert." Verkünder dieser Nachricht: Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.

Nachricht zwei: Mittelfeldspieler Thiago verlängert seinen Vertrag bis 2021. Man freue sich, "diesen herausragenden Profi langfristig binden zu können", Thiago sei "einer der besten und begehrtesten Mittelfeldspieler Europas". Verkünder dieser Nachricht: Karl-Heinz Rummenigge.

Der Klub hat also verlautbart, dass der Trainer und der Mittelfeldspieler bleiben werden. Das klingt schön neutral. Anders klingt es, wenn man die Nachrichten so intoniert: Der Trainer wird nicht rausgeschmissen. Und nein, der Mittelfeldspieler wird nicht weggekauft.

Für Bayern heißt es: Gegenwart moderieren, Zukunft mitdenken

Die englischen Wochen sind für diese Saison eigentlich vorbei beim FC Bayern, der Trainer muss jetzt nicht mehr samstags schon an Mittwoch denken. Aber in einem viel größeren Zusammenhang muss der gesamte Verein plötzlich mehr denn je zwei Spiele in einem coachen.

Der Verein muss die Gegenwart moderieren, was nach dem Doppel-Aus in Champions League und DFB-Pokal schwer genug ist. Und er muss in dieser Gegenwart gleichzeitig die Zukunft mitdenken - auf die Gefahr hin, dass die Zukunft der Gegenwart manchmal ein wenig widerspricht.

Man muss in jedem Fall anerkennend anmerken, dass es selten so hinreißend komisch aussieht, wenn die Zeiten aufeinanderprallen. Beim 2:3 gegen Dortmund stand also Ancelotti, 57, abwesend da draußen im Regen, und natürlich konnten die Kameras dieser Verführung nicht widerstehen: Sie blendeten von unten ein paar Sitzreihen hinauf und fanden dort oben einen jungen Menschen, den man von Ferne für einen Studenten halten konnte, der sich als Nikolaus ein bisschen was dazu verdient. Allerdings litt die Performance ein wenig darunter, dass Nikoläuse Ende April gerne etwas deplatziert wirken - erst recht, wenn sie zwar einen roten Mantel tragen, den gesamten Kopfputz samt Bart aber vergessen haben. So ließ sich nach erfolgtem Kamerazoom zweifelsfrei erkennen, dass es sich bei dem jungen Mann im Duffle Coat um Julian Nagelsmann, 29, handelte - jenen Coach, den sich die Bayern trotz dessen spektakulärer Jugend gut mal als ihren Trainer vorstellen könnten.

Was für ein Bild war das: Unten Carlo Ancelotti, reglos, eine dunkle Statue. Oben Julian Nagelsmann, der talk of the town-Trainer, kreischrot leuchtend und aufdringlich gut gelaunt. "Ich habe sogar ein rotes Auto, uiuiui", witzelte er am Freitag, als sie bei der Pressekonferenz in Hoffenheim wissen wollten, was es mit seinem tendenziell FC-Bayern-farbenen Mantel auf sich gehabt habe.

Julian Nagelsmann wird in der nächsten Saison immer noch Hoffenheim trainieren, Ralph Hasenhüttl wird immer noch in Leipzig sein, Thomas Tuchel steht weiterhin bei Borussia Dortmund unter Vertrag und Jürgen Klopp beim FC Liverpool. Und viel mehr Trainer fallen einem nicht ein, die den FC Bayern demnächst trainieren könnten - wenn man mal die Contes, Mourinhos, Simeones und Pocchetinos weglässt, die sowieso dem aktuellen Grundgefühl an der Säbener Straße widersprechen. So hat der Präsident und Aufsichtsratschef Uli Hoeneß kürzlich mal angedeutet, dass der nächste Bayern-Trainer wieder eher dem jüngeren Entwickler-Typus entsprechen müsste - Muttersprache Deutsch am liebsten inklusive.

Ancelotti wehrt sich gegen Vorwürfe bezüglich seines Trainings

So müssen die Bayern nun also tun, was sie tun müssen: Sie müssen voller Überzeugung einen Trainer stützen, von dem sie zumindest nicht so hemmungslos überzeugt sind, wie das öffentlich klingt. Zwar verwahrte sich Ancelotti am Freitag gegen Vorwürfe, wonach Bayerns Bosse sein Training als zu wenig intensiv kritisiert hätten ("das ist nicht wahr"); verbürgt ist aber, dass es bereits vor Monaten Debatten mit dem Trainer zu dem Thema gab - ebenso über Ancelottis lockeren Umgang mit Spielern, die er zum Geburtstag der Oma ins Ausland fliegen lässt und nicht kritisiert, wenn sie mit Verspätung zurückkehren.

Gegen Real und den BVB seien zuletzt "Dinge passiert, die man nicht beeinflussen kann", sagt Rummenigge nun aber sicherheitshalber und nennt "Verletzungen und Schiedsrichter-Entscheidungen", und manchmal habe "auch das nötige Glück gefehlt". Diese Argumentationskette soll ein weiteres Jahr mit Ancelotti ermöglichen, denn so ist es ja auch wieder: Die Bayern sind nicht krachend genug gescheitert, um auf dieser Position zwingend Grausamkeiten begehen zu müssen.

So bleibt den Münchnern nichts anderes übrig, als eine Doppelstrategie zu fahren: Sie müssen in der Gegenwart ihre hohen Ansprüche erfüllen und gleichzeitig die Zukunft vorbereiten. Ihren Trainerkandidaten werden sie nächste Saison beim Stresstest in der Champions League zuschauen können, und am Spielerkader werden sie kurz- und mittelfristig herummodellieren müssen. Neben den bereits verpflichteten Hoffenheimer Nagelsmann-Schülern Niklas Süle und Sebastian Rudy werden die Kaderplaner versuchen, einen Angreifer anzuwerben, der im Verletzungsfall Robert Lewandowski ersetzen kann, aber nicht auf dessen Mittelstürmerrolle fixiert ist - was auf den Chilenen Alexis Sanchez vom FC Arsenal zuträfe. Auch an einer Autorität im Mittelfeld, die den Stimmungsspieler Arturo Vidal entlastet, könnte Bedarf bestehen: Der von Ancelotti geschätzte Italiener Marco Verratti (Paris) wird ebenso gehandelt wie der junge Schalker Mentalitätsspieler Leon Goretzka. Perspektivisch müssten auch die Flanken neu ausgestattet werden, Arjen Robben und Franck Ribéry werden nicht ewig fliegen.

Kann sein, dass einiges davon irgendwann ein neuer Trainer entscheiden muss, wobei Julian Nagelsmann am Freitag im Rahmen seiner öffentlichen Kabarettrunde noch angemerkt hat, er besitze "übrigens auch einen gelben Mantel".

Abgesehen davon, dass man diesen gelben Duffle Coat sehr gerne mal sehen würde, stellt sich die Frage: Ist das - uiuiui - etwa ein Hinweis auf Borussia Dortmund?

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