Pop und Politik:Mannheim distanziert sich von seinen "Söhnen"

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Die "Söhne Mannheims" sind auf Tour. Mannheims Oberbürgermeister möchte sie trotzdem sprechen. Möglichst bald. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Xavier Naidoo und die "Söhne Mannheims" haben ein neues Album herausgebracht - mit sehr fragwürdigen Texten. Damit verärgern sie nicht nur den Mannheimer Oberbürgermeister.

Von Laura Hertreiter

Xavier Naidoo ist immer wieder mal auf der Ladefläche eines Lastwagens zu sehen. Da steht er dann unter einem Schild mit der Aufschrift "Straßenunterhaltungsdienst" in den Fußgängerzonen des Landes, und singt. Momentan singt er Lieder aus dem neuen Album, das er mit seiner Band, den Söhnen Mannheims , am vergangenen Freitag veröffentlicht hat. Filmen und Fotografieren ist bei den Überraschungskonzerten nicht erlaubt, die neuen Songs seien live noch nicht perfekt. Heißt es.

Doch auch ohne Mitschnitte wirbelt das Album, Titel: "MannHeim", all den Schmutz um den Frontmann der Band wieder auf, der sich gerade mal ein wenig gelegt hatte. Kritiker hören auf der Platte vieles von dem, was man Naidoo schon lange vorwirft. Allen voran diesmal auch Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD), der sich nun mit deutlichen Worten von den Söhnen Mannheims distanzierte.

Bizarre Reden gegen korrupte Eliten, gegen Atomwaffen und für Gott, für die Liebe

Xavier Naidoo ist in der Hauptsache längst nicht mehr nur für seine Musik bekannt. Leider. Denn sollte es so etwas wie deutschsprachigen Soul überhaupt geben, wäre er nahe dran. Klar, da ist das kaum erträglich Pastorenhafte seines Gesangs; da ist allerdings auch sein Groove, die besondere Stimmfarbe, die Fähigkeit, Sprache so geschmeidig zu singen, dass sie kein bisschen nach deutschem Konsonantengewitter klingt. Seit Jahren aber überschatten die Dinge, die Naidoo gesagt und gesungen hat, sein künstlerisches Talent.

Er hat Verschwörungstheorien verbreitet, hat Fragwürdiges gegen Schwule, Juden, Amerika, die Politik, die Medien vorgetragen. Er hält Deutschland für ein noch immer besetztes Land, er schwingt bizarre Reden gegen korrupte Eliten, gegen Atomwaffen und für Gott, für die Liebe. Einer seiner bizarrsten Auftritte war vor drei Jahren am Berliner Bundeskanzleramt bei einem Reichsbürgertreffen, es gibt elend lange Handyvideos davon, wie Naidoo vor den Rechtsextremen, Staatsfeinden und sonstigen Verschwörungstheoretikern spricht, singt, schimpft. Viele Reichsbürger feiern ihn, immerhin ist die Bewegung seit dem Auftritt erst so richtig bekannt. Auch wenn sich Naidoo laut Anwalt "in aller Deutlichkeit und Vehemenz" von der Reichsbürgerbewegung distanziert. Im vergangenen Jahr schließlich lud ihn die ARD, die ihn wenige Tage zuvor als deutschen Vertreter beim Eurovision Song Contest 2016 nominiert hatte, wieder aus.

Und nun: neues Album, neuer Ärger. Dafür sorgt vor allem das Lied "Marionetten", eine Art gesungene Politikerschelte. "Alles nur peinlich und so was nennt sich dann Volksvertreter./Teile eures Volkes nennt man schon Hoch- beziehungsweise Volksverräter./Alles wird vergeben, wenn ihr einsichtig seid./Sonst sorgt der wütende Bauer mit der Forke dafür, dass ihr einsichtig seid", singt Naidoo in der zweiten Strophe. "Wenn ich so ein'n in die Finger bekomme, dann reiß' ich ihn in Fetzen./Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragrafen und Gesetzen", in der vierten. Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz verlangte nun eine Erklärung für die "antistaatlichen Texte". Und auch für den Mannheimer Grünen-Politiker Gerhard Fontagnier sind die Grenzen künstlerischer Freiheit überschritten. Er sagte dem SWR, er fühle sich beleidigt, wenn er als Lokalpolitiker als "Volks-in-die-Fresse-Vertreter" betitelt werde. Solche Texte auf einer CD namens "MannHeim" finde er unerträglich.

Band lädt Bürgermeister zum Gespräch ein

Während Xavier Naidoo nicht zu einer Stellungnahme bereit war, teilte sein Bandkollege Rolf Sahlhofen mit, der Song sei "ein Aufruf zum Dialog". Sänger Henning Wehland betonte, er verstehe den Song als "Appell zum Nachdenken darüber, dass Politik oft missbraucht wird". Nach der scharfen Kritik der Stadt bot die Band dem Bürgermeister ein Gespräch an. Der willigte ein, das Treffen soll "möglichst in den nächsten Tagen" stattfinden, sagte Kurz am Mittwoch.

Kritisiert die "antistaatlichen Texte": Bürgermeister Peter Kurz. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Es wird nicht das erste Krisentreffen sein. Vor drei Jahren, als Naidoo vor Reichsbürgern aufgetreten war, führten der Bürgermeister und der Popstar schon mal ein Grundsatzgespräch. Damals hatte Kurz das Dilemma so zusammengefasst: "Ich bedaure diese Entwicklung sehr. Xavier Naidoo ist ein sozial und für die Stadt engagierter und kreativer Künstler. Er stellt sich mit seinen politischen Äußerungen ins Abseits und in die Nähe von Personen, wo er meines Erachtens nicht hingehört."

Das könnte nicht nur dem Namen der Stadt schaden, sondern auch den gemeinsamen Plänen. Denn zusammen mit Naidoo will man in Mannheim ein Medienzentrum eröffnen. Ganz zu schweigen von Feierlichkeiten zum 200. Fahrradjubiläum der Stadt, für das seine Band gerade den Titelsong abgeliefert hat. Andererseits stehen nun auch deren Tourpläne auf dem Spiel. In Oberbayern, wo die Söhne Mannheims im Juli bei einem Festival auftreten wollen, hat sich das Bündnis "Kein Hass auf Rosenheims Bühnen" formiert, das die Stadt aufforderte, Naidoo auszuladen.

Am Montag begann die derzeit 14 Mann starke Band die große Konzerttour erst einmal in Mannheim. Ausverkaufte Halle, diesmal große Bühne statt Laster-Ladefläche, Hunderte Handydisplays und sehr begeisterte Fans. Nur ihr umstrittenes "Marionetten"-Lied, das haben die Söhne Mannheims lieber nicht gesungen.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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