Oberbayern:Landratswahl in Pfaffenhofen: Der Favorit leidet unter Gedächtnisstörung

  • In Pfaffenhofen wird am Sonntag der Landrat gewählt - doch der CSU-Kandidat liegt seit einem schweren Unfall in der Klinik.
  • Niemand weiß, ob er weiterhin antreten kann und will, denn er kann nicht sprechen und leidet unter Amnesie.
  • Doch die Kandidatur zurückzuziehen oder die Wahl zu verlegen, ist nicht möglich.

Von Andreas Glas, Pfaffenhofen

Nicht mal ein echter Slogan steht auf den Plakaten, die überall im Landkreis kleben. Ein lächelnder Mann ist darauf zu sehen, mit Bart und Brille, mit aufgekrempelten Hemdsärmeln, ohne Krawatte. "Unser Landrat" steht auf dem Plakat, daneben das CSU-Logo, mehr nicht. Ihr kennt mich doch, will Martin Wolf mit dem Plakat sagen: Ich bin's, euer Landrat. Darauf hat er im Wahlkampf gesetzt, davon versprach sich der amtierende Landrat einen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern: Dass ihn die Leute im Landkreis schon kennen. Doch drei Tage vor der Wahl stellt sich die Frage, ob Martin Wolf selbst überhaupt noch weiß, wer dieser Mann auf dem Plakat ist.

"Unser Landrat", hat Anton Westner (CSU) nun mitgeteilt, leide "an einer Amnesie", an einer Gedächtnisstörung also. Der 72-jährige Westner ist eigentlich stellvertretender Landrat, doch seit dem Motorradunfall seines Parteikollegen Martin Wolf leitet er übergangsweise die Geschäfte im Pfaffenhofener Landratsamt. Es war schließlich ein schwerer Unfall, der sich am 2. April auf der A 99 ereignete.

Eine Autofahrerin war in Wolfs Motorrad gefahren, der Landrat stürzte, erlitt Knochenbrüche, schwere Kopfverletzungen, schwebte zeitweise in Lebensgefahr, bis heute liegt er im Krankenhaus. An seiner Kandidatur hielt die CSU trotzdem fest. Auch jetzt noch ist Westner optimistisch, dass die Amnesie infolge des Unfalls "nach und nach wieder verschwindet". Er sagt aber auch: "Ob Landrat Martin Wolf, für den Fall, dass er wiedergewählt wird, die Wahl annehmen kann, ist derzeit noch offen."

Zumindest für die CSU-Wähler ist die Wahl am Sonntag also ein Lotteriespiel. Keiner weiß, ob der CSU-Kandidat wieder so gesund wird, dass er das Amt ausüben könnte. Diese Ungewissheit sorgt für Diskussionen. Denn gewinnt Martin Wolf die Landratswahl, ist binnen einer Woche aber nicht in der Verfassung, die Wahl anzunehmen, ist das Verfahren nach dem Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz hinfällig. Dann müssten spätestens drei Monate später Neuwahlen stattfinden.

Wolfs Kandidatur zurückzuziehen, um den Menschen einen unkalkulierbaren und möglicherweise überflüssigen Urnengang zu ersparen, sei weder gesetzlich möglich noch stehe dies innerhalb der Partei zur Debatte, sagt CSU-Kreischef Karl Straub.

Bei aller Tragik sorgt das Vorgehen der Pfaffenhofener CSU für Unzufriedenheit bei der Konkurrenz um den Landratsposten. Was damit zu tun haben könnte, dass die CSU in den vergangenen Wochen einen emotionalen Wahlkampf geführt hat. Unter dem Slogan #wirfürmartin startete die Partei eine Solidaritätsaktion für Martin Wolf, die manch politischer Gegner als Mitgefühlswahlkampf interpretierte, um die Wähler auf der Gefühlsebene für den CSU-Kandidaten zu gewinnen.

Dazu kam, dass die CSU im Wahlkampf betont hatte, dass Wolf gesundheitliche Fortschritte mache. "Die Menschen hätten sich gewünscht, mehr zu erfahren, mehr Ehrlichkeit", sagte FDP-Landratskandidat Franz Niedermayr kürzlich in einer Wahlkampfrede - und unterstellte der CSU damit, sie habe Wolfs wahren Gesundheitszustand bewusst verschwiegen, um dessen Wiederwahl nicht zu gefährden.

"Schmarrn", sagt Karl Straub, man habe zu keiner Zeit "irgendwas verschleppt oder verschleiert". Die Familie des Landrats habe der Partei "immer wahrheitsgemäß den aktuellen Gesundheitszustand übermittelt". Und bis jetzt seien Familie und Ärzte "immer relativ optimistisch gewesen". Erst am Dienstag sei dann die Amnesie diagnostiziert worden, als der Beatmungsschlauch entfernt wurde, um Wolf das Sprechen zu ermöglichen. Wie ausgeprägt die Gedächtnisstörung sei, "das weiß ich nicht", sagt Straub. Er habe Martin Wolf zwar am Mittwoch in der Klinik besucht, da habe der Landrat aber geschlafen. Trotzdem, sagt Straub, habe er in der Klinik "einen Menschen gesehen, dem man zutraut, dass er es schafft".

Eine Prognose, ob Martin Wolf im Falle eines Wahlsiegs noch länger ausfällt oder gar bleibende Schäden behält, könne er "beim besten Willen nicht" abgeben, sagt Straub, "aber wir versuchen, optimistisch zu bleiben." Er könne die Menschen nur darum bitten, "dass sie ihn trotz einer fehlenden Prognose wählen" - und obwohl die CSU nicht mal weiß, ob Wolf nach seinem Unfall überhaupt noch kandidieren möchte. Nein, danach habe er ihn bislang nicht fragen können, sagt Straub, momentan sei der Landrat "technisch nicht in der Lage zu sprechen".

Während laut Karl Straub nicht einmal die Ärzte sagen könnten, wann es Martin Wolf wieder besser geht, teilt das Innenministerium mit, dass der Wahlausschuss des Landkreises "nicht von einer längeren Dienstunfähigkeit" des Landrats ausgehe und "die Wählbarkeit von Landrat Wolf" nicht in Frage stünde. Die Wahl wird also stattfinden. Neben Wolf und FDP-Kandidat Niedermayr tritt für die Grünen Norbert Ettenhuber an.

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