Satire:Satiregruppe startet Aktion gegen Waffenindustrie

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Der Moment, in dem die Waffenindustrie vorgeführt werden sollte: Schauspieler Carlos Lobo als Laudator mit einem falschen Preis für Thyssen-Krupp. Screenshot: Peng (Foto: Peng! Kollektiv)

Ein falscher CDU-Ortsverband, ein falscher Preis für einen Waffenhersteller - und eine Rückrufaktion in den USA. Die Gruppe "Peng" stellt ihren Streich gegen die Rüstungsindustrie vor.

Von Martin Zips

"Der Witz ist das Erdgeschoss des Humors", sagte einmal Karl Kraus, "die Satire der erste Stock, die Ironie der zweite, der Sarkasmus das Mansardenstübchen." Im Erdgeschoss, so hat man den Eindruck, bewegen sich die Deutschen am liebsten.

Doch es gibt Ausnahmen, zum Beispiel das Berliner Künstler- und Aktivistenkollektiv "Peng", das seit einigen Jahren Satire nach eigenen Angaben nutzt, um "die Zivilgesellschaft zu mutigeren Kampagnen zu bewegen". Ihre Mitglieder enterten eine PR-Veranstaltung des Konzerns Shell, um dort mit einer Ölfontäne auf Umweltzerstörungen in der Arktis oder dem Nigerdelta hinzuweisen. Als angebliche Google-Mitarbeiter stellten sie "neue Überwachungsprodukte" vor. Ein andermal hackten sie einen TV-Sender, dann störten sie die "Cinema for Peace"-Gala im Eisbärenkostüm, riefen Geheimdienstmitarbeiter dazu auf, ihren Arbeitsplatz zu verlassen oder inszenierten die angebliche Pressekonferenz eines Energiekonzerns, auf der sie den sofortigen Ausstieg aus der Kohleenergie verkündeten. Humoristisch gesehen ist das manchmal Keller, manchmal Mansardenstübchen und wirkt gelegentlich wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für mittellose Künstler.

Die Aktivisten riefen einen fiktiven CDU-Ortsverband ins Leben

An diesem Samstag aber stellen die Aktivisten ihre neueste, diesmal doch beeindruckende Aktion vor. Sie richtet sich gegen deutsche Waffenexporte und gezielt an die Generation Youtube, der man einmal den Artikel 26 des Grundgesetzes näherbringen möchte: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören (...) sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen." Und? Geschieht das auch?

Zusammen mit Künstlern des Schauspiels Dortmund hatten die Aktivisten vor wenigen Tagen einen (fiktiven) CDU-Ortsverband ins Leben gerufen, der die Christdemokraten per Webseite und Videobotschaft dazu aufforderte, "im Namen unserer christlichen Werte für den Exportstopp von Kleinwaffen" einzutreten. Über eine (ebenfalls fiktive) PR-Agentur gelang es ihnen dieser Tage zudem, einen hochrangigen Vertreter des waffenproduzierenden Konzerns Thyssen-Krupp Marine Systems zur (angeblichen) Verleihung eines (fiktiven) "Deutsch-Französischen Preises für Sicherheit und Frieden" in ein Berliner Hotel zu locken.

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Rückrufaktion im Namen einer Waffenfirma

Im letzten Moment witterte, wie die SZ nun erfuhr, der Senior Vice President Gefahr und verließ die Veranstaltung. Zudem starteten die Aktivisten im Namen der (echten) Waffenfirma Heckler & Koch eine (falsche) Rückrufaktion bei Hunderten US-Waffenhändlern, die sie mit "Konflikteskalationen" unter dem neuen US-Präsidenten begründeten. Sogar eine Service-Hotline wurde dafür eingerichtet, in Übersee war die Verwirrung groß. Ein Spaß, der - darauf legt Peng-Sprecher Jean Peters Wert - ein sehr ernstes Thema transportiere: Die Aktivisten haben fünf ernst gemeinte Gesetzesentwürfe für ein neues Kriegswaffen- und Rüstungsexportkontrollgesetz erarbeitet, über die sie nun im Internet abstimmen lassen möchten. Ende Juni soll dann im Schauspielhaus Dortmund Bilanz gezogen werden, wie viele (echte) Berliner Parlamentarier sich bis dahin tatsächlich des Themas angenommen haben.

Indirekt wird das alles sogar über die Bundeskulturstiftung mitfinanziert, die die Aktion als Teil einer auf zwei Jahre angelegten Kooperation mit dem Schauspiel Dortmund mit rund 150 000 Euro unterstützt. Als Teil von Dutzenden weiteren bundesweiten Kooperationen "unterschiedlichster künstlerischer Ausrichtung", wie die Stiftung betont.

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"Selber Position beziehen und kritisch bleiben"

Den Punkt, dass es für den einfachen Bürger im Meer solcher Aktionen immer schwieriger wird, Echtes von Falschem zu unterscheiden, kommentiert Peng-Mann Peters, 33, so: "Wir wollen die Menschen nicht verwirren, sondern wir fordern sie auf, selber Position zu beziehen und kritisch zu bleiben." Auch Michael Eickhoff, Dramaturg am Schauspiel Dortmund, betont: "Es geht uns tatsächlich um einen Stopp des Handels mit Waffen. Satire ist nur das Vehikel." Eine Waffe der sonst Ohnmächtigen, die Mächtigen vorzuführen. Aufgeklärt werden soll die Aktion übrigens im Netz über eine (dafür eigens in Szene gesetzte) Youtube-Bloggerin. Wie antwortete US-Late-Show-Moderator Stephen Colbert gerade auf die Kritik von Trump-Fans, seine Witze seien manchmal unter der Gürtellinie? "Ich habe die Witze, er hat die Raketen-Codes. Also ist es ein fairer Kampf."

Mittlerweile, sagt Jean Peters, wurden alle US-Waffenhändler informiert, dass der Rückruf nur ein Fake war. Da sei man sich seiner Verantwortung schon bewusst. Die Waffenlobby sieht das nicht ganz so entspannt. Auf Nachfrage erklärt Heckler & Koch mit vielen Ausrufezeichen, man habe "zur Klärung des Sachverhalts bereits straf- und zivilrechtliche Schritte eingeleitet". Thyssen-Krupp hingegen gibt sich betont gelassen: "Einen Deutsch-Französischen Friedenspreis hätten wir gerne angenommen, da wir mit dem Marineschiffbau einen wesentlichen Beitrag zu Sicherheit und Frieden in Europa leisten." Sie lebt eben in ihrer ganz eigenen Welt, die Rüstungsindustrie.

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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