Landtagswahl:FDP und Grüne: Zwei Gewinner suchen eine Regierung

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Grüne und Liberale bangen in anderen Ländern um den Einzug ins Parlament - in Schleswig-Holstein sind sie bemerkenswert stark. Das liegt eindeutig an ihren Spitzenleuten.

Von Thomas Hahn

In den letzten Tagen vor der Wahl war Robert Habeck noch mal ganz nah dran am Land Schleswig-Holstein. Er, der grüne Umweltminister, und die Spitzenkandidatin Monika Heinold hatten Parteifreunde aus ganz Deutschland zum Küstencamp nach Borgwedel eingeladen, um von dort aus den Endspurt des Wahlkampfs zu bestreiten. Seit Donnerstag schwärmte das grüne Kommando jeden Morgen aus zu Marktplatz-Auftritten, Hausbesuchen, Diskussionen und traf abends wieder zusammen an der Schlei. Habeck übernachtete im Zelt, obwohl eine nasse Frühjahrskälte herrschte, und in der Nacht auf Samstag, als das Wetter ruhiger war, sogar draußen im Schlafsack, zwischen Lagerfeuerglut und Wasser. "Ich bin mit den quakenden Enten aufgewacht, das war cool."

Robert Habeck von den Grünen. (Foto: imago)

Ein Minister im Schlafsack - das ist ein schönes Symbol für ein etwas anderes Regieren, für Bodenständigkeit und alternativen Lebensstil. Und Robert Habeck, 47, der Flensburger Vorzeige-Grüne, war erfolgreich damit. 13 Prozent der Wählerstimmen hatten die Grünen laut den ersten Hochrechnungen. Dass die Küstenkoalition zerbrach, lag nicht an ihnen. Den Grünen bleibt die Chance, Teil einer Regierung zu sein. Und ein anderes Ziel erreichten sie auch: Zeichen zu setzen für die Bundespolitik.

"Bombenergebnis", jubelte Habeck. SPD und CDU konnten im Landtagswahlkampf Energie aus der Aura ihrer Vorsitzenden ziehen. Den Schleswig-Holstein-Grünen standen dagegen keine Schulz- oder Merkel-Effekte zur Verfügung, im Gegenteil. Als einer der stärksten Landesverbände und Heimat des populären Habeck mussten sie selbst so einen Effekt herstellen, um den kriselnden Parteifreunden in Berlin vor der Bundestagswahl im September Rückenwind zu spenden. Das politische Küstencamp sollte jener Botschaft Kraft geben, welche die Hauptstadt-Grünen aus ihrer Sicht zu wenig vermitteln: dass es eine Freude ist, die Zukunft im ökologischen Sinne zu gestalten. Das klappte - und doch war nicht alles gut für sie.

Das Land zwischen den Meeren war im Wahlkampf auch die Arena eines bundespolitischen Überlebenskampfes. Nicht nur für die Grünen, auch für den zweiten potenziellen Koalitionspartner der großen Parteien, für die FDP, die sich über rund elf Prozent am frühen Abend freute. Beide Parteien erreichten Glückwünsche von ihren jeweiligen Bundestags-Spitzenkandidaten aus Berlin. Beide feierten sich. Aber beide waren auch vereint in der Ungewissheit, was die schönen Zahlen für ihre Arbeit im Land bedeuten. Opposition? Koalition? Und wenn Koalition - welche? Auch der Erfolg der FDP in Schleswig-Holstein hat viel mit einer Person zu tun, mit Wolfgang Kubicki, dem Fraktionschef und Partei-Vize im Bund. Und weil Kubicki, 65, seit 21 Jahren ununterbrochen Fraktionschef in Kiel, auch für den Bundestag kandidiert, wirkte sein Erfolg besonders ermutigend. "Es ist ein guter Tag für die freien Demokraten", sagte er. Habeck und Kubicki sind die ungleichen Protagonisten des gleichen Problems. Grüne und FDP sind Taktgeber der deutschen Geschichte, aber nicht so groß, als dass ihre Sitze in den Parlamenten sicher wären. Die Grünen sind zuletzt aus zwei Landtagen geflogen. Für die FDP war das Scheitern bei der Bundestagswahl 2013 mehr als nur ein Einschnitt. Habeck und Kubicki gehören in ihren Parteien zu denen, die es richten wollen. Kubicki hat es leichter. Seine FDP ist so am Boden, dass sie gar nicht anders konnte, als ihn zum stärksten Nebenmann des Parteichefs Christian Lindner zu machen. Bei den Grünen hingegen gibt es ein Gerangel. Habeck wollte auch mal nach Berlin. Anfang des Jahres scheiterte er knapp gegen Cem Özdemir bei der Urwahl zur Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl. Aber wegen dieser Urwahl konnte Habeck kein Spitzenkandidat im Land sein.

Monika Heinold, die weniger bekannte Finanzministerin, übernahm den Posten. Sie ließ den Platz neben ihr frei, damit Habeck nach einer Urwahl-Niederlage wenigstens als Teil einer inoffiziellen Doppelspitze antreten konnte. Dass Habeck nicht gleich das Gesicht der Schleswig-Holstein-Grünen war, könnte ein noch besseres Ergebnis verhindert haben. Und wenn Habeck nicht wieder Minister wird, weil die Grünen keiner Regierung mehr angehören, wäre einer ihrer begabtesten Politiker erst mal draußen aus der Politik.

"Die Grünen müssen ihr Wahlversprechen halten, dass Habeck Minister bleibt", sagte Kubicki vergnügt. Er weiß, dass sie dazu seine FDP brauchen, wenn Schwarz-Grün nicht geht. Die Grünen können sich eine Zusammenarbeit mit der FDP vorstellen, erst recht, wenn Kubicki nach Berlin geht; den finden sie arrogant. Eine Ampel-Koalition wirkt bei dem großen Rückstand der SPD nicht wahrscheinlich. Und ein Jamaika-Bündnis mit der CDU wollen sie eigentlich nicht, weil das kein gutes Zeichen für den Bund wäre. Also Schwarz-Rot gewähren lassen und Habeck opfern? Habeck wollte nicht spekulieren. "Wir werden das an Inhalten festmachen und nicht am Mitleid für meine Person", sagte er. Den kleineren Wahlgewinnern stehen unruhige Wochen bevor.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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