Regierungskrise in Österreich:Europa muss damit rechnen, dass die FPÖ bald mitregiert

25 02 2015 Parlament Wien AUT Parlament 62 Nationalratssitzung Sitzung des Nationalrates mit

Bald gemeinsam in einer Regierung? Der Klubobmann der FPÖ, Heinz-Christian Strache, im Wiener Nationalrat, hinter im Außenminister Sebastian Kurz von der ÖVP (Archivbild)

(Foto: imago/Eibner Europa)

Die Regierungskrise in Österreich verdüstert die Aussicht auf ein reformbereites, solidarisches Europa. Außenminister Kurz gilt als Hoffnungsträger, aber bisher ist er nicht viel mehr als eine Projektionsfläche.

Kommentar von Cathrin Kahlweit, Wien

Wohl nicht einmal er hatte gedacht, dass es so schnell gehen würde: Mit gerade mal 30 Jahren steht der österreichische Außenminister Sebastian Kurz vor seiner Kür zum Parteichef der ÖVP - und demnächst wahrscheinlich auch vor der Kür zum Spitzen- und Kanzlerkandidaten. Noch werden Zeitplan, Machtverteilung und Posten ausgekungelt. Aber der Rücktritt des bisherigen Parteichefs, der am Mittwoch das Handtuch warf und zum Abschied kräftig gegen die Intriganten in der eigenen Truppe austeilte, hat große Auswirkungen.

Diese Personalie bedeutet weit mehr als nur den Austausch von Köpfen in einer beschädigten, geschwächten Volkspartei in einem kleinen europäischen Land. Sie bedeutet in letzter Konsequenz, dass nach den nächsten Wahlen das bevorsteht, wovor sich viele in der EU fürchten: eine weitere rechtspopulistische Partei an der Macht in Europa.

Was bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich im Dezember, der Parlamentswahl in den Niederlanden im März und der Präsidentschaftswahl in Frankreich im Mai nicht eingetreten ist, ist nun einigermaßen realistisch.

Europa muss mit der FPÖ an der Regierung rechnen

Denn es gibt für Österreich im Wesentlichen folgende Alternativen: Kurz, der eminent populär ist - auch weil er sich als Außenminister bisher aus den Niederungen des koalitionären Kleinkrieges herausgehalten hat - schafft es, seine halb tote Partei zu beleben und wird Kanzler einer schwarz-blauen Koalition. Denn dass die FPÖ, die derzeit in Umfragen konstant bei 30 Prozent liegt, in einer Regierung sitzen wird, daran zweifelt in Wien niemand.

Den Vize unter einem FPÖ-Kanzler Heinz-Christian Strache würde der machtbewusste Kurz dagegen nicht machen, zumal die Rechtspopulisten ohnehin lieber mit der SPÖ koalieren würden. Das würde Blau-Rot bedeuten. So oder so ist die FPÖ ganz vorn dabei. Denn eine Wiederauflage der großen Koalition gilt als ausgeschlossen.

Damit wird Europa noch einmal nach Österreich schauen und in der Entwicklung ein Menetekel für den Niedergang Europas sehen, wie es seit dem Aufstieg von Jörg Haider immer dann der Fall war, wenn eine Regierungsbeteiligung der FPÖ drohte. Zwar gibt es inzwischen viele FPÖs, überall in Europa. Aber ein Wahlkampf zwischen drei etwa gleichstarken Machtblöcken - einer traditionsbewussten Sozialdemokratie, einer in den Bundesländern verankerten konservativen Partei und den an die Macht drängenden Rechtspopulisten - verspricht ein besonders eindrucksvolles und symbolträchtiges Dramolett über die Zukunft europäischer Volksparteien zu werden.

Sebastian Kurz wird wohl demnächst der jüngste Kanzlerkandidat aller Zeiten

Sollte es, was wahrscheinlich ist, zu Neuwahlen im Herbst kommen, würde der Wahlkampf zudem parallel zum deutschen verlaufen und die FPÖ-AfD-Achse verstärken. Keine guten Aussichten im Kampf für eine sich reformierende, solidarische EU.

Symptomatisch ist die Entwicklung in Österreich auch wegen des Generationswechsels, der sich hier gerade mit einiger Brutalität vollzieht. Der wohl demnächst jüngste Kanzlerkandidat aller Zeiten hat keine großen Berührungsängste mehr mit den Rechtspopulisten und kann sich eine Koalition mit der FPÖ ohne Weiteres vorstellen. Er verdankt seinen Aufstieg einer Traditionspartei, hat Parteien des alten Typs aber selbst als obsolet bezeichnet. Ansonsten ist er, was seine Positionen und seine Pläne angeht, bisher nicht viel mehr als eine Projektionsfläche.

Der ehemalige Wirtschaftsminister Emmanuel Macron ist in Frankreich mit einem Programm angetreten, in dem er sozialliberale, wirtschaftsliberale und proeuropäische Positionen verknüpfte, er hat eine eigene Bewegung gegründet - und als Kandidat der Mitte gewonnen. Sebastian Kurz hat, wenn er antritt, keine Zeit mehr für eine Wahlplattform oder den Umbau der ÖVP. Er ist, aufgrund seiner harten Linie in der Grenzsicherungs- und Flüchtlingspolitik, erst einmal Kandidat der Hardliner, nicht der Mitte.

Die ÖVP wirft sich vor Kurz in den Staub

Der Taktiker Kurz muss ins Risiko gehen. Es wird ihm wohl nicht viel anderes übrig bleiben, als dem Werben seiner Partei zu folgen, die sich bereits mit Zuschreibungen wie "unser Hoffnungsträger", "großes politisches Talent", "Mann mit Strahlkraft", "erste Adresse" vor dem Minister in den Staub wirft.

Erfahrene Kollegen würden dem jungen Mann wohl raten, sich eine Weile nach Brüssel oder in einen Großkonzern abzusetzen und in zehn Jahren als "Messias" (auch diese Zuschreibung kursiert) in die Politik zurückzukehren. Aber Kurz ist ein political animal, und ein sehr ehrgeiziges dazu. Seine Umfragewerte liegen weit über denen der Partei, er wird das Momentum nutzen wollen. Die FPÖ, die seit Jahr und Tag Ausgrenzung und Sprechverbote beklagt, aber in den Ländern fleißig mitregiert, wird das auch tun.

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