Anfangszeit der Informatik:Kybernetik mit guter Kühlung

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Ein Pionier blickt zurück

"Die Rechenkünstler" vom 12. Mai:

Es entsteht durch diesen Artikel von Bernd Graff der Eindruck, die Informatik sei erst vor 50 Jahren und in Bayern, sprich: an der TU in München, als Studienfach angeboten worden. Das kann ich, der ich die Geburt dieser Wissenschaft von Beginn an miterlebt habe, so nicht stehen lassen: Ich habe im Wintersemester 1956/57 an der TH Karlsruhe (heute TU) mein Studium in "Maschinenwesen" begonnen und bereits im Sommersemester 1957 am Institut für Höhere Mathematik (Prof. Weissinger) an einer Zuse Z22 das Programmieren erlernt. Es war zugegeben sehr mühsam, denn alles, Input wie Output, geschah über Fernschreib-Lochstreifen. Wir programmierten im Maschinencode und bekamen einen Tag später die Antwort des "Rechners", der sehr viel Raum, eine dauernde Kühlung und viel Pflege brauchte. Aber es war ein frei programmierbarer Rechner.

Zwei Jahre später half ich einem Doktoranden, der seine Promotionsarbeit über eine Scheibenkupplung für Schiffsmotoren und deren interne Wärmeverteilung schrieb, und dazu ein Modell programmiert hatte, das auf dieser Zuse Z22 in mehreren Nächten durchgerechnet wurde und die theoretischen Berechnungen vollinhaltlich bestätigte. Tagsüber wurde die Z22 trotz intensiver Kühlung zu warm, und es gab "Trommelalarm" am "Trommelspeicher" (mit 512 kB), denn viele Baugruppen waren noch mit "Röhren" bestückt.

Am Lehrstuhl für Nachrichtentechnik lehrte seinerzeit Professor Karl Steinbuch "digitale Informationstechnik", bei dem ich 1962 mein Examen als Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit Vertieferfach "Nachrichtentechnik" bestand. Es gab sogar Vorlesungen in "Informationspsychologie", die sich mit rechnergestütztem Lernen beschäftigte. In diesen Jahren war "Rechnertechnik" an der TH Karlsruhe längst etabliert, ebenso an den TU's in Darmstadt und Stuttgart. In Wien war es Professor Zemanek, der ebenfalls auf diesem Gebiet von sich reden machte. Damals sprach man allerdings auch von "Kybernetik", aber das nur nebenbei.

Als ich 1962 an einem amerikanischen Vertragsforschungs-Institut in Frankfurt meinen ersten "Job" antrat, wurde ich bald mit der Leitung der Abteilung "industrielle Elektronik" betraut, wir verwendeten bereits 1963 die allerersten integrierten "Minuteman"-Schaltkreise (logische Verknüpfungen und einen Speicherbaustein), ab 1966 auch die ersten IC's der Serie SN54xx der Firma Texas Instruments, die damals mit zwei Personen in einem Hinterhof in Stuttgart ihre Zweigstelle aufgemacht hatte. Ein Speicherbaustein SN5470 kostete damals stolze 40 US-Dollar. Damals hatte ich engen Kontakt mit dem "Silicon Valley", persönliche Kontakte zur Stanford University (Professor Wrigley) und manche Diskussion mit Mr. Hewlett und Mr. Packard.

In den Jahren danach waren es die Module der Serie 960 B, später 990 der Firma Texas-Instruments, mit denen ich erste Prozessrechner bei den Firmen August-Thyssen-Hütte in Hamborn und Aluminium Norf in Neuss im Zusammenspiel mit Walzwerken installierte. Das begann bereits in den Jahren 1970 bis 1972. Als Programmiersprache kam nur "Assembler" in Frage, da alle anderen damals gebräuchlichen Programmiersprachen (Fortran, Algol, Cobol, etcetera) nicht schnell genug für Aufgaben der Prozessrechnertechnik waren, die Zykluszeiten unter 5 ms verlangte. Wenn man also 1974 an der TU in München erstmals "Informatik" lehrte, sprang man auf einen Zug auf, der bereits in voller Fahrt war. Ich selbst habe noch bis zu meinem 72. Lebensjahr weltweit Kunden betreut, bei denen Prozessrechner-Regelungen installiert waren, für die ich die Programme entwickelt und geschrieben hatte, allerdings nicht mehr mit einem "Fernschreiber" wie 1957. Klaus-Peter Vetter, Johanniskirchen/Niederbayern

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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