Strafe für Facebook:Europas Regeln gelten auch für Internet-Monopolisten

Facebook hat beim Kauf von Whatsapp gelogen, aber die Strafe dafür fällt läppisch aus. Europa sollte sich nicht von einigen US-Konzernen an der Nase herumführen lassen.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Facebook hat die EU-Kommission belogen, aber die Strafe dafür mutet eher läppisch an. Wäre Facebook ein Autofahrer, könnte man meinen, es gehe hier lediglich ums Falschparken. 110 Millionen Euro muss der Konzern aus dem Silicon Valley zahlen, weil er bei der Übernahme des Kurznachrichtendiensts Whatsapp nicht die Wahrheit gesagt hat. Natürlich sind 110 Millionen Euro aus Sicht eines normalen Menschen sehr viel Geld. Verglichen mit dem irrwitzigen Kaufpreis von 16 Milliarden Euro, den Facebook für Whatsapp entrichtet hat, ist es wenig; und deshalb zahlt das Unternehmen die Strafe auch lieber schnell, als weiter in der öffentlichen Kritik zu stehen.

Die EU-Kommission gibt damit, wenn auch ungewollt, allen Internetkonzernen das Signal: Belügt uns gerne weiter, wenn ihr expandieren wollt. Trickst, wenn ihr es für nötig haltet. Wird schon nicht so teuer für euch, wenn ihr auffliegen solltet. Denn Facebook ist nicht irgendein Unternehmen, sondern hat fast zwei Milliarden registrierte Kunden: mehr als jeder andere Internet-Konzern der Welt, mehr sogar als Google, dessen Such-, Video- und Datendienste wohl noch mehr Menschen nutzen, meist aber ohne sich dort anzumelden. Facebook verfügt damit über eine ungeheure Datenmacht, es kennt Mailadressen und Freundeslisten, Vorlieben und Abneigungen, ja sogar die Gemütszustände seiner Nutzer.

Europa darf sich nicht die Regeln für das Netz diktieren lassen

Diese Datenmacht hat das Unternehmen mit dem Kauf von Whatsapp nochmals ausgeweitet, mit einem Mitteilungsdienst, der von mittlerweile einer Milliarde Menschen genutzt wird. Versprochen hatte Facebook der EU-Kommission einen schonenden Umgang mit den Daten. Man werde das soziale Netzwerk und den Mitteilungsdienst nicht zusammenführen, wolle nicht automatisch einheitliche Profile für Nutzer schaffen, die beides nutzen; und man könne das technisch auch gar nicht. Konnte man dann doch - und tat es zwei Jahre später auch.

Das Vorgehen entspricht einem Muster, das bei Unternehmen von der amerikanischen Westküste immer wieder zu beobachten ist. Sie dehnen Regeln und Gesetze (oder brechen sie sogar) - und schauen, wie weit sie damit kommen. Vielleicht sagt ja keiner was. Apple, Amazon und Starbucks haben dies mit ihren trickreichen Steuermodellen getan, ihre Firmenkonstrukte wurde mal in Irland genehmigt, mal in den Niederlanden oder Luxemburg - aber sie standen im Widerspruch zu EU-Recht. Airbnb hat dies getan und sich über geltende Vermietungsregeln in vielen europäischen Städten hinweggesetzt. Auch der Fahrdienst Uber hat immer wieder Recht gebrochen und seine Fahrer gegen, O-Ton des Uber-Chefs, "ein Arschloch namens Taxi" antreten lassen, obwohl die deutschen Beförderungsgesetze dies so nicht erlaubt haben.

Innovation rechtfertigt keinen vorsätzlichen Gesetzesbruch

Nun kann man trefflich darüber diskutieren, ob manche Gesetze in Deutschland antiquiert sind und nicht mehr ins digitale Zeitalter passen - so etwa die Vorgabe, dass Taxifahrer alle Straßen einer Stadt auswendig kennen müssen (als gebe es kein Navi); oder auch die Maßgabe, dass Limousinendienste nach jeder Fahrt in ihre Garage zurückkehren müssen, ehe sie einen neuen Fahrgast aufnehmen dürfen (als gebe es nicht genug Staus). Aber dennoch rechtfertigt dies keinen vorsätzlichen Gesetzesbruch.

Europa tut daher gut daran, einen Rechtsrahmen für die digitale Welt zu schaffen. Denn das Internet darf kein Raum sein, in dem einige wenige mächtige Konzerne einfach definieren, was geht - und was nicht. Das betrifft das Steuerrecht: Wer mit Daten handelt, hat viel mehr Möglichkeiten, bei den Steuern zu tricksen, als Industriekonzerne, die physisch Waren bewegen müssen. Und auch für Monopole gelten in der digitalen Sphäre andere Regeln: Ob Internetkonzerne einen Markt beherrschen, hängt nicht so sehr vom Umsatz ab (der entscheidenden Größe im bisherigen Kartellrecht), sondern davon, wie viel Daten sie beherrschen. Die neuen Monopolisten verfügen über sehr viele Daten. Wie also sollten die Regeln für die digitale Welt gestaltet werden? Verhindert werden muss, dass Wildwestmethoden à la Uber Schule machen. Andererseits lohnt die Frage, ob nicht mancher Paragraf, der vor 50 oder 100 Jahren geschaffen wurde, modernisiert werden muss, um dadurch die Möglichkeiten der Digitalisierung besser nutzen zu können.

In diesem differenzierten Vorgehen liegt eine Chance für Europa. Die alte Welt kann dem zügellosen Netzkapitalismus amerikanischer Prägung ihr Modell einer neuen, digitalen Welt entgegensetzen, die klug reguliert wird. Von der profitieren am Ende idealerweise alle und nicht bloß in erster Linie ein paar mächtige Internetkonzerne.

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