US-Autokonzerne:Trump enttäuscht die US-Autoindustrie

Donald Trump

US-Präsident Donald Trump bei einem Auftritt im American Center of Mobility im Bundesstaat Michigan. Er hatte der Branche große Dinge versprochen.

(Foto: Evan Vucci/AP)
  • Der US-Präsident Donald Trump hatte der Autoindustrie viel versprochen. Doch jetzt sinken die Absätze, Experten sehen schon Parallelen zur Krise Anfang der 2000er Jahre.
  • Als Reaktion darauf streichen die Konzernbosse Stellen. Damit könnten sie das Weiße Haus verärgern, schließlich hatte Trump seinen Wählern viele neue Jobs versprochen.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Der 20. Januar war ein schöner Tag für Mark Fields, einer, der die Tür in eine goldene Zukunft aufstoßen sollte. Ein bisschen Schubkraft tat auch Not, denn das Jahr hatte schlecht begonnen für den Chef des US-Autokonzerns Ford: Die Absatzzahlen blieben überraschend hinter den Vorjahreswerten zurück, und das Genörgel der Großaktionäre über die Kursschwäche der Firmenaktie schwoll immer weiter an. Nun jedoch war Abhilfe in Sicht. Donald Trump, um dessen Zuneigung Fields schon seit Wochen mit viel Liebedienerei gebuhlt hatte, übernahm das Präsidentenamt, und das bedeutete: rasche Steuersenkungen, mehr Wirtschaftswachstum, weniger Regulierung.

Oder auch nicht. Vier Monate und eine Reihe zerstobener Reformhoffnungen später weiß man, dass Trump allein den Abwärtstrend in der US-Autoindustrie kaum wird aufhalten können. Im Gegenteil: Fields und seine Rivalen an der Spitze der anderen Hersteller werden ihre Probleme wohl ohne die Hilfe des Präsidenten lösen müssen, ja, vielleicht sogar gegen ihn.

Sieben Jahre lang, seit den Beinahe-Pleiten und der staatlichen alimentierten Wiederauferstehung von General Motors (GM) und Chrysler, hatte die Branche ihre Verkaufszahlen ein ums andere Mal gesteigert. Höhepunkt war das Rekordjahr 2016, als es den US-Herstellern und ihren ausländischen Mitbewerbern zur eigenen Überraschung gelang, 17,6 Millionen Neuwagen zu verkaufen. Für 2017 war gar die 18-Millionen-Marke im Visier.

Stattdessen jedoch geht der Absatz seit Januar Monat um Monat deutlich zurück. Allein im April lag das Minus bei 4,7 Prozent, bei den großen Drei der US-Autobranche - GM, Ford und Fiat-Chrysler (FCA) - sahen die Zahlen sogar noch schlechter aus: GM büßte im Jahresvergleich sechs, Ford und FCA jeweils gut sieben Prozent ein. Die stärksten Verluste gibt es in der Mittelklasse, doch selbst bei den so beliebten großen Sportgeländewagen wird der Kampf härter. Das ist auch für deutschen Hersteller bedeutsam, die in diesem Segment stark vertreten sind oder, siehe VW, gerade mit Macht hineindrängen.

Für das Gesamtjahr 2017 wird derzeit mit einem US-Absatz von knapp 16,9 Millionen Pkw gerechnet - einem Wert, "der im langjährigen Vergleich immer noch sehr hoch ist", wie Tim Fleming, Analyst beim Branchendienst Kelley Blue Book (KBB) sagt. Dennoch hat Ford angekündigt, jeden zehnten der weltweit gut 200 000 Arbeitsplätze abzubauen - die meisten davon in Nordamerika und Asien. GM streicht zunächst einmal 3300 US-Jobs.

Newcomer Tesla demütigt die stolzen Detroiter Autobosse

Mit dem Stellenabbau wollen Fields und seine GM-Kontrahentin Mary Barra gleich zwei Dinge erreichen: Der Kostenaufwand soll sinken, der Aktienkurs steigen. Denn noch mehr als der Absatzrückgang beschäftigt die Konzernbosse die überaus dürftige Börsenbilanz ihrer Unternehmen. Während der S&P-Index seit Fields Amtsantritt Mitte 2014 fast 20 Prozent zugelegt hat, büßte die Ford-Aktie im selben Zeitraum 40 Prozent an Wert ein. Die GM-Aktie sank im Vergleich zum Höchststand im Frühjahr 2015 um fast 20 Prozent.

Entsprechend groß ist der Frust der Aktionäre, der sich in den vergangenen Wochen vor allem über Fields entlud. Der Personalabbau, mit dem der Ford-Chef reagiert, könnte ihn schon bald in Konflikt mit seinem verhinderten Bundesgenossen Trump bringen. Der Präsident hat den Erhalt und die Schaffung von US-Jobs zu seinem wichtigsten Ziel erklärt und Firmen, die aus seiner Sicht dabei nicht mitziehen, immer wieder öffentlich gebrandmarkt.

Und noch etwas ist demütigend für die stolzen Detroiter Autobosse: Der Branchenneuling Tesla, der gerade einmal ein Vierzigstel dessen produziert, was GM pro Jahr auf den US-Markt wirft, ist an den Platzhirschen vorbeigezogen und, gemessen am Börsenwert, zur Nummer eins unter den US-Autobauern aufgestiegen. Zwar kann Tesla genauso wenig wie GM oder Ford sagen, ob sich all die Milliarden rentieren werden, die die Branche derzeit in Elektroantriebe, autonomes Fahren und andere Zukunftsversprechen investiert. Der Neuling aus dem Silicon Valley muss aber nicht nebenbei noch das laufende Altgeschäft managen. Zudem umweht Tesla der frische Wind des Newcomers, während der Konkurrenz der Geruch des behäbigen Riesens anhaftet - die Börse ist ungerecht.

Der Absatz sinkt, obwohl die Hersteller aggressiv um Kundschaft geworben hatten

Doch es ist keineswegs nur der Spagat zwischen kritischen Aktionären und einem irrlichternden Präsidenten, der Fields, Barra und ihrem FCA-Kollegen Sergio Marchionne das Leben schwer macht. Es sind auch die wirtschaftlichen Realitäten. Die Auto-Analysten der Deutschen Bank fühlten sich jüngst an einen ihrer Berichte aus dem Jahr 2004 erinnert, in dem sie unter der Überschrift "Die Dreifach-Bedrohung" vor einem Einbruch des Pkw-Absatzes gewarnt und die tiefe Krise des Jahres 2008 vorgezeichnet hatten. Alle drei Probleme von damals spielen auch heute wieder eine Rolle: Die Zinsen steigen, die Gebrauchtwagenpreise sinken, und die Zahl der Autokredite, bei denen die ausstehende Schuld höher ist als der Restwert des Wagens, geht beständig nach oben.

Hinzu kommt die Frage, ob der US-Automarkt womöglich gesättigt ist. Seit Ende 2012 ist die Zahl der gemeldeten Wagen von 249 Millionen auf 270 Millionen gestiegen. Im Schnitt kommt also auf jeden erwachsenen US-Bürger mehr als ein Pkw. "Der Nachholbedarf, den es nach Überwindung der Rezession gab, ist jetzt befriedigt", sagt auch KBB-Analyst Fleming.

Was die Branche jedoch vor allem bestürzt: Der Absatz sinkt, obwohl die Hersteller in den vergangenen Monaten mit kräftigen Preisnachlässen und anderen Kaufanreizen besonders aggressiv um Kundschaft geworben hatten. Experten befürchten bereits, dass die Konzerne im Kampf um Stückzahlen und Marktanteile zu den ruinösen Rabattschlachten des vergangenen Jahrzehnts zurückkehren könnten. In der US-Wirtschaft hat der sinkende Autoabsatz schon Spuren hinterlassen. Im ersten Quartal 2017 wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf Jahresbasis gerechnet nur um magere 0,7 Prozent - auch wegen der Autoindustrie. Ohne sie hätte das BIP um 1,2 Prozent zugelegt.

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