Hypo-Vereinsbank:Die Bank vertickt jetzt auch Strom

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Ob Stromversorger, Fitness-Studio oder Handyvertrag: Kontoauszüge verraten viel über den Kontoinhaber. Mittlerweile gibt es Start-ups, welche die Daten ausweiden und dann günstigere Verträge anbieten.

(Foto: dpa)

Bei der Unicredit-Tochter HVB können Kunden ihren Energieversorger wechseln - wenn sie ihre Daten preisgeben. Dazu durchforsten spezielle Dienstleister die Kontoauszüge.

Von Felicitas Wilke

Überweisung ausführen, Dauerauftrag erstellen, Stromanbieter wechseln: Wenn sich die Kunden der Hypo-Vereinsbank (HVB) in diesen Tagen in ihr Online-Banking einloggen, werden sie gleich auf der Startseite auf die Dienste des Berliner Start-ups Moneymap verwiesen. Die Bank und die Berliner arbeiten seit einem Monat zusammen und werben damit, die Haushaltskosten der Bankkunden zu senken. Stimmt der Kunde explizit zu, dann durchleuchtet Moneymap kostenlos dessen Konto, überprüft, wie viel man für Strom und Gas ausgibt - und wechselt auf Wunsch zu einem günstigeren Anbieter. Für Moneymap ist dieses Geschäft mit den Kontodaten erst der Anfang.

Neu ist die Idee dieser Wechselhelfer nicht. Verivox bietet Verbrauchern seit Herbst 2016 einen ähnlichen Dienst an, kleinere Vergleichsportale wie Cheapenergy 24 oder Switchup suchen für ihre Nutzer günstigere Tarife heraus und nehmen ihnen die Papierarbeit ab. Die Geschäftsmodelle funktionieren unterschiedlich. Mal zahlt der Kunde eine Gebühr, mal finanzieren sich die Portale durch Provisionen der Versorger, zu denen gewechselt wird.

"Aus den Kontodaten und dem Verwendungszweck lässt sich schon viel herauslesen."

Was es bislang nicht gab, war eine Bank, die zusammen mit einem Start-up ins Geschäft mit Strom und Gas einsteigt und damit eine andere Branche angreift. Wenn sich HVB-Kunden bei Moneymap registrieren, liest das Unternehmen deren Kontotransaktionen aus und zeigt in einer Übersicht an, wie viel den Nutzer seine Verträge jährlich kosten. "Aus den Kontodaten des Zahlungspartners und dem Verwendungszweck lässt sich schon viel herauslesen", sagt Frank Broer, einer der Gründer von Moneymap. Wenn man weitere Informationen zum Stromtarif benötige, frage man einfach bei den Kunden nach. Auf Basis des bisherigen Vertrags schlägt Moneymap den Verbrauchern günstigere Tarife vor. Wechselt der Kunde den Anbieter, erhält das Start-up vom neuen Versorger eine Provision.

Am Modell verdient auch die Bank mit, die wie alle Institute in Zeiten niedriger Zinsen nach neuen Einnahmequellen sucht. Peter Buschbeck, Privatkundenvorstand der Hypo-Vereinsbank, drückt es so aus: Man wolle den Bedarf der Kunden im digitalen Zeitalter auch mit Dienstleistungen abdecken, "die über die klassischen Bankthemen hinausgehen". Auch Stefan Huch, Experte bei der Unternehmensberatung Capgemini Consulting, beobachtet, "dass die Geschäftsmodelle der Banken vielfältiger werden". Im besten Fall könne eine Bank mit neuen Dienstleistungen nicht nur Geld verdienen, sondern auch Kunden an sich binden. So kommt es, dass auch der Digitalchef der Postbank darüber nachdenkt, den Kunden künftig Strom- und Gasverträge zu vermitteln.

Die Banken könnten damit durchaus einen Nerv treffen. Als nicht greifbare Produkte erzeugen Strom und Gas bei den Menschen kaum Emotionen, viele bemühen sich auch deshalb nicht aktiv um einen günstigen Tarif. Obwohl sie sich ihren Anbieter seit 19 Jahren selbst aussuchen können, nutzt rund ein Drittel der Haushalte noch heute Strom aus der Grundversorgung, dem teuersten Tarif. Wenn nun mit der Hausbank ein Unternehmen, das man als Kunde gut kennt, Alternativen aufzeigt, führt das dazu, dass die Menschen wechselfreudiger werden, glaubt Unternehmensberater Huch. "Damit üben die Kunden Druck auf die Strom- und Gasversorger aus, was mittelfristig zu niedrigeren Preisen führt", sagt er.

Niedrig sind die Strompreise bei manchen Anbietern auch heute schon - oftmals aber nur im ersten Jahr, ab dem zweiten Jahr sehen viele Verträge Preiserhöhungen vor. Manche Anbieter gelten darüber hinaus als unseriös, weil sie sich per Vorkasse bezahlen lassen oder auffallend viele negative Kundenbewertungen provozieren. Solche Versorger schließen etwa Moneymap und Switchup von vornherein aus. Zudem lassen sie ihre Kunden bestimmte Präferenzen wie Ökostrom auswählen und zeigen Alternativen auf, wenn der Nutzer mit einem Vorschlag nicht zufrieden ist.

Bemerkenswert ist, dass die Energieversorger, die mit dem Wechselservice einen schärferen Wettbewerb fürchten müssen, einige ihrer Angreifer sogar mit einer Provision finanzieren. Große Stromanbieter zeigen sich den neuen Portalen gegenüber trotzdem aufgeschlossen, weil deren Algorithmen auch die Preisstabilität und Solvenz der Versorger berücksichtigen. "Davon dürften wir profitieren", heißt es bei Eon. Wenn mehr und schneller gewechselt wird, würde die Rechnung kurzfristig niedriger Preise, die ab dem zweiten Jahr automatisch steigen, nicht mehr aufgehen. Ob die Preisschlachten durch die neuen Portale aufhören, ist fraglich. Schließlich bleibt der Preis für viele Kunden genauso wie für die Wechselhelfer das Hauptargument.

Was Kunden wissen sollten: Nicht alle Wechselhelfer haben jeden Energieversorger im Angebot: Moneymap will sich nicht dazu äußern, mit wie vielen Anbietern man zusammenarbeitet. So kann es passieren, dass Nutzer Geld sparen, indem sie über den Dienst wechseln, ihnen aber ein noch besseres Angebot entgeht. Und auch, wenn es freiwillig ist, bei Moneymap mitzumachen: Die Kunden geben ihre kompletten Kontodaten aus der Hand, was Datenschützer aufhorchen lässt. Moneymap-Gründer Frank Broer glaubt jedenfalls an sein Konzept. In Zukunft will er den Kunden der Hypo-Vereinsbank auch günstigere Verträge für Internet, Mobilfunk und Fitnessstudios anbieten. Ein Bereich, in dem man derzeit auch Geld sparen könnte, fehlt naturgemäß: günstigere Girokonten.

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