Handwerk:Risiko nicht ausgeschlossen

Ludwig Nüssel in seiner Kunstschmiede, 2017

Werkzeug und Gebäude sind meist versichert - aber gilt das auch für den Betrieb selbst?

(Foto: Stephan Rumpf)

Gerade kleine Unternehmen und Selbständige sparen bei der Versicherung. Oft, weil ihnen der Durchblick fehlt - und die Zeit. Doch das kann teuer werden. Denn im Ernstfall haften Geschäftsführer und Vorstände.

Von Patrick Hagen, Köln

Ein Unternehmer wundert sich, dass der Kunde seine Lieferung nicht bezahlt. Wie üblich hatte er die Rechnung als Anhang an einer E-Mail verschickt. Was er nicht weiß: Cyber-Kriminelle haben die Nachricht abgefangen und im angehängten Dokument die Bankverbindung geändert. Der Kunde überweist die Summe nichtsahnend auf das Konto der Diebe - das Geld ist weg.

Von solchen Fällen hört die Versicherungsmaklerin Adelheid Marscheider mittlerweile häufig in ihren Kundengesprächen. Oft sind die Betroffenen nicht versichert und bleiben auf dem Schaden sitzen. Dabei sind solche Schäden versicherbar - mit sogenannten Cyber-Policen. "Das sollte ein Muss sein", sagt Marscheider. Doch während viele Konzerne das Risiko erkannt hätten und sich absichern, seien solche Policen gerade bei kleinen Unternehmen und bei Selbständigen kaum verbreitet. "Viele glauben, sie seien zu unwichtig, um zum Ziel von Hackern zu werden", sagt die Maklerin aus Hausen in Oberfranken. Ein Trugschluss, wie auch Ole Sieverding vom britischen Versicherer Hiscox warnt. "Jeder, der einen Computer benutzt, kann Opfer werden." Kleinunternehmer würden dabei auch häufig unterschätzen, dass sie eine Verantwortung für die bei ihnen gespeicherten Daten von Kunden haben.

Viele beschränken sich auf Haftpflicht und Gebäudeschutz

Ohnehin steht das Thema Versicherungsschutz bei Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden nicht an erster Stelle. Wer ein Unternehmen gründet oder sich selbständig macht, denkt an Bankkredite, Büroräume, die Einrichtung und das nötige Werkzeug. "Versicherungen kommen da häufig an letzter Stelle", weiß Marscheider.

Das ist auch das Ergebnis einer Umfrage des Kölner Versicherers Gothaer. Als die Gothaer vor zwei Jahren kleine und mittelständische Unternehmen nach ihrem Versicherungsschutz fragte, kam heraus, dass die Hälfte der Unternehmen nur drei Versicherungen oder weniger abgeschlossen hatte, ein weiteres Drittel besaß weniger als sechs Policen. Am meisten verbreitet war die Betriebshaftpflichtversicherung, die 87 Prozent der befragten Firmen abgeschlossen hatten. Dahinter folgte die betriebliche Gebäudeversicherung mit 64 Prozent.

Auch Marscheiders Erfahrung zeigt, dass eine Haftpflichtversicherung meistens zum Standard der Betriebe gehört. Damit decken die Unternehmer immerhin schon ein existenzbedrohendes Risiko ab. Für einige Berufe wie Architekten, Anwälte oder Ärzte ist die Versicherung sogar verpflichtend, die für Schäden an Dritten aufkommt. Allerdings sollten Unternehmer und Selbständige darauf achten, ausreichend hohe Deckungssummen abzuschließen. "Handwerker sollten zum Beispiel mindestens fünf Millionen Euro Deckungssumme wählen", sagt Marscheider.

Doch mit der Betriebshaftpflicht ist es nicht getan. Inhaber und Geschäftsführer müssen sich damit auseinandersetzen, ob für ihre Betriebe eine Betriebsinhaltsversicherung, eine Betriebsunterbrechungspolice, eine Maschinenversicherung, Elektronik- und Cyberpolicen oder eine Managerhaftpflicht nötig sind. Bei alldem können Versicherungsmakler helfen. Allerdings: Die unternehmerischen Entscheidungen und die regelmäßige Kontrolle des vorhandenen Schutzes ersetzen sie nicht.

Viele Experten empfehlen eine Betriebsinhaltsversicherung. Sie ist im Prinzip eine Hausratversicherung für Betriebe und schützt die Einrichtung, Werkzeuge, Vorräte oder Waren einer Firma. Versichert sind diese Gegenstände zum Beispiel gegen Schäden durch Feuer, austretendes Leitungswasser, Sturm und Einbruch. Die Deckung lässt sich um eine Betriebsunterbrechungspolice erweitern. Sie springt ein, wenn ein Betrieb nach einem Schaden schließen muss, und ersetzt für einen bestimmen Zeitraum die Kosten und den entgangenen Gewinn. "Es hilft nicht viel, wenn nach einem Feuer nur die verlorenen Geräte bezahlt werden, die Kosten für den Betrieb laufen ja weiter", sagt Maklerin Marscheider.

Nach der Erfahrung von Nils König, zuständig für das Produktmanagement für Gewerbekunden beim Versicherer Gothaer, sichern sich vor allem produzierende Betriebe, Händler und Gastronomen für den Fall einer Betriebsunterbrechung ab. "Bei Handwerkern ist es eher selten", berichtet er. Eine Ausnahme seien Schreiner, weil sie auf die Werkstatt und funktionierende Maschinen angewiesen sind. "Ein Elektriker, Maler oder Klempner erwirtschaftet hingegen seinen Umsatz bei seinem Kunden", erklärt König. "Die Rechnungsstellung kann er auch von anderer Stelle aus vornehmen, sodass ihm im Falle der Beschädigung seiner Büroräume kein Umsatzausfall entsteht."

Wer stationäre oder bewegliche Maschinen neu anschafft, sollte über eine Maschinenversicherung nachdenken, rät Maklerin Marscheider. Hier handelt es sich um eine Allgefahrendeckung. Das bedeutet, dass der Versicherungsumfang weitgehender ist als in der Inhaltsversicherung. Sie zahlt zum Beispiel auch bei Schäden durch falsche Bedienung oder einen Unfall.

Was passiert, wenn der Chef ausfällt? Ein Notfallplan ist nützlich

Teure Computersysteme können Firmen über eine Elektronikversicherung schützen. Gothaer-Manager König empfiehlt das zum Beispiel für Firmen, die aufwendige, netzwerkgesteuerte Kassensysteme haben. Dazu gehören viele Restaurants. Wie die Maschinenversicherung ist auch die Elektronikversicherung eine Allgefahrendeckung. Anders als eine auf Einzelgefahren aufgebaute Deckung besteht Schutz für sämtliche Risiken, die nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind. "Schäden durch unsachgemäße Handhabung sind ein prominentes Beispiel", sagt König. Maklerin Marscheider hält dagegen die Elektronikversicherung in den meisten Fällen für verzichtbar. "Das ist eher ein Luxusprodukt."

Sobald ein Unternehmen etwas größer ist, muss der Geschäftsführer auch über eine Managerhaftpflichtversicherung, die sogenannte D&O-Deckung, nachdenken. Sie springt ein, wenn Manager mit Schadenersatzansprüchen konfrontiert werden. Das können sowohl Ansprüche der Firma oder des Eigners gegen den Manager als auch Forderungen von Dritten sein. "Geschäftsführer und Vorstände werden immer häufiger verklagt, insbesondere von Insolvenzverwaltern", sagt König. Was viele nicht wissen: Bei Pflichtverletzungen haften Geschäftsführer und Vorstände unbegrenzt mit ihrem Privatvermögen.

Nicht alle Risiken sind versicherbar. König hat die Erfahrung gemacht, dass es in vielen kleinen und mittelständischen Firmen keine festgelegten Abläufe für Notfälle gibt. "Das wird vernachlässigt", sagt er. Er rät zu Notfallplänen, in denen unter anderem festgelegt wird, was passiert, wenn der Chef ausfällt. "Wer darf dann Verträge mit Lieferanten unterschreiben?" Zur Vorsorge gehört aber auch die regelmäßige Überprüfung der bestehenden Versicherungsverträge. "Weniger als die Hälfte der Geschäftsführer setzt sich jedes Jahr mit dem Thema auseinander", sagt König. Das ist riskant. Sobald Unternehmen investieren und neue Geräte kaufen, steigt häufig auch der Wert der Ausstattung. Wird die Versicherungssumme nicht angepasst, kann es dazu kommen, dass der Versicherer nur einen Teil erstattet. "Einmal im Jahr sollte man über die Verträge schauen", sagt auch Maklerin Marscheider.

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