Afghanistan:Die Abschiebepolitik der Bundesregierung ist feige

Angst vor Abschiebung

Auch am Tag des Anschlags in Kabul wollte die Regierung wieder Afghanen abschieben. Der Flug wurde erst einmal ausgesetzt - aber nur für einen Tag.

(Foto: Susann Prautsch/dpa)

Sicherheit gibt es in Afghanistan nirgendwo, das hat der Anschlag nahe der deutschen Botschaft wieder gezeigt.

Kommentar von Tomas Avenarius

Da hat einer fix reagiert. Nach dem verheerenden Bombenanschlag vor der deutschen Botschaft in Kabul setzte Bundesinnenminister Thomas de Maizière den für denselben Abend anstehenden Abschiebeflug nach Afghanistan aus. "Nur für heute" und angeblich mit "Rücksicht auf Botschaftsangehörige", die mit der Schadensaufnahme befasst seien und sich nicht auch noch um die Ankunft der abgelehnten Asylbewerber kümmern könnten. Insgesamt aber blieben die Abschiebungen weiter "zumutbar".

Bravo, Herr Minister. Immer die richtige Wortwahl. Und immer die passende Ausrede, etwa der Schlenker zu den überlasteten deutschen Trümmer-Diplomaten. Der für die innere Sicherheit und für die Flüchtlinge gleichzeitig zuständige Minister hat schon mehrmals erklärt, dass es in Afghanistan sichere Gebiete gebe, in denen ein Abgeschobener unbehelligt leben könne.

Er weiß aber auch, dass viele Menschen in Deutschland Anteil nehmen am Schicksal der Flüchtlinge und dass es im Wahlkampf nicht so richtig zu vermitteln ist, wenn ein, zwei Dutzend Afghanen, flankiert von doppelt so vielen deutschen Polizisten, jetzt genau dorthin geschafft werden sollen, wo gerade 80 Menschen in die Luft gesprengt worden sind. Also verschiebt Berlin den Flug. Morgen ist auch noch ein Tag - und vielleicht bleibt dann nicht ganz so viel hängen am Minister und an der Regierung.

Ebenso reaktionsschnell war natürlich die Opposition. Die Linke erklärt es - wieder einmal - für "unmenschlich", nach Afghanistan abzuschieben, während auch die AfD erwartbar verkündet: Abschieben, jetzt erst recht - damit der Terror bleibt, wo er hingehört. Wer sich bisher noch nicht geäußert hat, wird seine Chance in den Morgeninterviews nutzen.

Wenn Berlin weiter abschieben will, muss es auch voll dazu stehen

Afghanistan hat auch eineinhalb Jahrzehnte nach dem Sturz des Taliban-Regimes nicht zum Frieden gefunden. Der Bürgerkrieg, angefacht von Nachbarn und Großmächten, wird noch länger andauern. Er wird immer häufiger mit Terror, Autobomben, Geiselnahmen geführt. Sicherheit gibt es in diesem Land nirgendwo.

All das kann angesichts einer Welt in Unordnung kaum Grund sein, keinen mehr abzuschieben. Die Betroffenen konnten das Bundesamt für Migration nicht überzeugen, sie sind mit ihrem Widerspruch vor Gerichten gescheitert. Rein rechtlich dürften viele Abschiebungen in Ordnung sein; Anhörer und Richter machen es sich - von Ausnahmen abgesehen -, nicht leicht. Und mancher Flüchtling erfindet Geschichten, die dann auffliegen.

Leicht, oft zu leicht, macht es sich hingegen die Politik. Wenn die Regierung, mit möglicherweise vertretbaren Gründen, nach Afghanistan abschiebt, muss sie voll dazu stehen. Das nötigt dem Bürger - ob er dafür ist oder dagegen - mehr Respekt ab als das Herumdrucksen des Innenministers.

Nach Afghanistan abgeschoben zu werden ist kein erfreuliches Schicksal. Da sollten Regierung und Opposition den Betroffenen und dem Wähler Ausreden ebenso ersparen wie Worthülsen. Beides geht am Problem vorbei.

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