USA:Wie die US-Wirtschaftsbosse für den Klimaschutz kämpfen

Mit allen Mitteln versuchten sie zu verhindern, dass Trump aus dem Klimavertrag von Paris aussteigt. Denn sie fürchten enorme Verluste - und auch viele Arbeitsplätze seien bedroht.

Von Claus Hulverscheidt

Wie gut Amerikas Wirtschaftsbosse die kleinen Schwächen ihres neuen Staatsoberhaupts kennen, zeigt sich gleich zu Beginn des Werbespots, der in dieser Woche im US-Fernsehen gelaufen ist. "Präsident Trump, Sie sind Amerikas Oberster Verhandlungsstratege", schmeichelt der Sprecher dem für seine Eitelkeit und Ehrpusseligkeit bekannten "Dealmaker-in-Chief", um dann den eigentlichen Wunsch seiner Auftraggeber vorzutragen: "Amerikas bedeutendste Vorstandsvorsitzende bitten Sie, am Pariser Abkommen festzuhalten."

Die Namensliste, die folgt, ist tatsächlich imposant, denn sie widerlegt die in Europa gern geäußerte These, die US-Wirtschaft warte nur darauf, die lästigen Vorgaben des Weltklimaschutzvertrags endlich loszuwerden. Dass Jamie Dimon, Bob Iger und Elon Musk dabei sind, mag noch wenig aufregend sein, denn die Chefs der Großbank JP Morgan, des Unterhaltungsriesen Disney und des Elektroautobauers Tesla kommen mit ihren Geschäften der Umwelt nur selten ins Gehege oder profitieren gar vom Öko-Boom. Jeffrey Immelt, Andrew Liveris und David Taylor aber hätte man auf einer solchen Liste nicht unbedingt erwarten müssen: Ihre Firmen, der Kraftwerksriese General Electric, der Chemiegigant Dow Chemical und der Waschmittelhersteller Proctor & Gamble, gehören zum Kern der alten US-Industrieelite.

Noch vor zehn oder 15 Jahren wäre eine solch breite Initiative kaum vorstellbar gewesen, doch die meisten US-Konzerne haben mittlerweile erkannt, wohin die Reise weltweit geht und dass der Trend weg von der Kohle und hin zu erneuerbaren Energien, intelligenten Technologien und mehr Energieeffizienz langfristig nicht aufzuhalten sein wird. Entsprechend haben sie ihre Strategien und Investitionspläne geändert - eine Kurskorrektur, die nach Ansicht von Jeff Eckel, Chef der Energie-Finanzierungsgesellschaft Hannon Armstrong, "unumkehrbar" ist, Trump hin oder her. Oder wie Lynn Good, Chefin des Stromriesen Duke Energy, es kürzlich lapidar ausdrückte: "Regierungen wechseln." Selbst Öl-Riesen wie Exxon Mobil und Conoco Phillips haben beigedreht, sie wittern vor allem im Geschäft mit dem deutlich saubereren Erdgas neue, lukrative Ertragsmöglichkeiten.

Taktisch geschickt appellierten die Konzernbosse in ihren Anzeigen, Aufrufen und Telefonaten mit dem Weißen Haus nicht etwa an Trumps Umweltbewusstsein - das hätte angesichts der Zweifel, die viele Wähler und Berater des Präsidenten am Klimawandel haben, auch nach hinten losgehen können. Stattdessen packten sie ihn bei seinem Kernversprechen: der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Nur ein Festhalten am Pariser Abkommen könne garantieren, dass amerikanische Unternehmen auf wichtigen Zukunftsmärkten in führender Position vertreten seien und international nicht ins Hintertreffen gerieten, hieß es etwa in einer Anzeige, die eine weitere große Gruppe von Konzernen in Tageszeitungen wie der New York Times geschaltet hatte. Und weiter: "Indem es die Märkte für innovative, saubere Technologien erweitert, generiert das Abkommen Jobs und wirtschaftliches Wachstum." Zu den Unterzeichnern gehörten Tech-Riesen wie Apple, Google, Facebook und Microsoft, aber auch viele eher konventionelle Konzerne wie die Bekleidungshersteller Gap und Levi Strauss.

Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg hatten sich führende US-Manager wie Apple-Chef Tim Cook in den vergangenen Tagen persönlich darum bemüht, Trump von einem Ausstieg aus dem Vertrag abzuhalten. Tesla-Gründer Musk schrieb im Kurzmitteilungsdienst Twitter, er habe "alles, was ich tun kann", unternommen, um Trump im direkten Gespräch, über Beiräte sowie Mitarbeiter des Weißen Hauses davon zu überzeugen, an dem Abkommen festzuhalten. Nun hat sich der Präsident dennoch für einen Ausstieg entschieden. Jetzt hat Musk dem Wirtschaftsbeirat des Weißen Hauses, dem er bislang angehörte, den Rücken gekehrt.

In Washington haben auch Klimawandel-Skeptiker ihren Einfluss genutzt

Doch so groß und so beeindruckend die Phalanx der Paris-Befürworter in der US-Wirtschaft auch war - ihr standen einflusreiche Gegner in Washington entgegen. Nach Informationen des Nachrichtenportals Politico hatten regierungsinterne Klimaschutzgegner wie Trumps Chefstratege Stephen Bannon und der Chef der Umweltbehörde EPA, Scott Pruitt, in den vergangenen Wochen dafür gesorgt, dass der Präsident vor allem die Stimmen von Paris-Kritikern zu hören bekam. Dabei half Bannon und Pruitt offenbar, dass das eher Paris-freundliche Beraterlager um Trumps Tochter Ivanka und ihren Ehemann Jared Kushner wegen Kushners Verstrickung in die Russlandaffäre politisch geschwächt ist und gerade mit anderen Dingen beschäftigt war.

Zu denen, die in Managerkreisen eigentlich in der Minderheit sind, auf diesem Wege aber womöglich Gehör fanden, zählt beispielsweise Robert Murray, Chef des Kohleproduzenten Murray Energy. Er sagte auch öffentlich, Trump müsse sein Wahlversprechen umsetzen und das Pariser Abkommen aufkündigen. Statt auf liberale Berater, so Murray, sollte der Präsident lieber "auf diejenigen hören, die ihn gewählt haben".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: