Deutsch-türkische Kolumne "Die Isartürkin":Zum Ramadan einen Leberkäs

Isartürkin

Ein Klassiker an der Isar: Der Leberkäs in der Semmel.

(Foto: Jessy Asmus)

Wer einen türkischen Namen hat, wird in Deutschland automatisch in die Schublade mit Muslimen gesteckt. Das ist meistens witzig, oft bescheuert und manchmal feindselig. Die fünfte Folge der "Isartürkin".

Von Deniz Aykanat

Ich verbinde den Ramadan mit flüssigem Käse. Eine enorme Menge flüssiger, süßer Käse, überbacken mit Honig und Zucker, getränkt in Sirup. Viel zu pervers für einen heiligen Fastenmonat, aber streng genommen war der Monat auch schon vorüber, als ich dieses Dessert namens Künefe das erste Mal aß. Es war mein erstes Zuckerfest.

Ich war 2008 zum Studium nach Istanbul gegangen und es ging gut los: mit dem Ramadan, in dem Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen und trinken dürfen, es sei denn, sie sind alt oder krank. Ich war aber 22 und kerngesund, deshalb kippte ich bei 40 Grad und Sonne heimlich literweise Wasser in mich hinein. Ich war sehr dankbar, als der Ramadan mit dem Zuckerfest zu Ende ging.

Die einzige Fastenzeit, die ich mir selbst auferlegt habe, ist der November. Davor ist Sommer (Biergarten), Oktoberfest (Bier im Garten und im Zelt) und Altweibersommer (Bier im Garten mit Übergangsjacke). Deshalb kann man sich im November schon mal zusammenreißen, bevor es mit der kalten Jahreszeit (Glühwein) weitergeht.

Ich roch Speck. Ich liebe Speck

Ja, ich trinke Alkohol. Ich bin keine Muslimin, ich gehöre gar keiner Religion an. Das kommt für viele Menschen überraschend. Wenn man einen türkischen Namen hat, wird man in Deutschland oft automatisch in die Islam-Schublade gesteckt. Das ist meistens witzig, oft bescheuert und manchmal feindselig.

Beginnen wir mit den witzigen Momenten: Als ich noch in einer WG wohnte, wurde ich eines Morgens von einem wunderbaren Geruch geweckt. Ich hörte, wie meine neue Mitbewohnerin in der Küche hantierte. Ich roch Speck. Ich liebe Speck. Als ich die Küche betrat, stand vor mir meine Mitbewohnerin, die wie ein Saunameister mit einem Geschirrtuch vor einer Pfanne herumwedelte. Immer schön in Richtung Fenster, Panik im Blick. Nach einigem Gestammel, in dem die Worte Prophet, halal und Pfanne vorkamen, frühstückten wir gemeinsam. Eier mit Speck, köstlich.

Ich hatte ja schon einiges erlebt. Angefangen mit meiner Grundschullehrerin.

Früchte, Bäume, Weltreligionen - logisch

Damals, 1993, saß ich mit ein paar türkischen, kurdischen und serbischen Kindern sowie den Sprösslingen der Stadtteil-Hippies im sogenannten Ethik-Unterricht, der Schulstunde für alle, die weder katholisch noch evangelisch waren. Das galt damals als Neuheit, für unsere Lehrerin war es sicher eine.

Einmal ließ sie uns eine gesamte Unterrichtsstunde lang alle exotischen Früchte aufzählen, die wir kennen. Weil wir Denizes, Serdars und Brankos einfach auch so exotisch waren. Das nächste Mal sollten wir uns als Baum malen. Und mit fortschreitendem Schuljahr war dann der Islam dran: Früchte, Bäume, Weltreligionen - logisch.

Zum Auftakt der Islam-Wochen präsentierte unsere Lehrerin stolz einen kleinen Taschen-Koran. Er wurde in der Klasse herumgegeben. Und nachdem 15 Kinder die eng mit arabischen Schriftzeichen bedruckten Seiten angestarrt hatten, als hätten sie zum ersten Mal Feuer gesehen, überreichte die Lehrerin mir das Büchlein mit einem triumphalen Lächeln. "Denise (sic!), dein Vater ist doch Türke." Lange Pause.

Meine Lehrerin dachte, der Wink sei eindeutig. Ich hingegen hörte nur eine Feststellung. So wie: Ananas ist doch eine exotische Frucht. Oder: Ein Mensch ist doch kein Baum. Widerwillig schob sie nach: "Er soll uns doch mal die ersten Suren übersetzen." Mir kam das zwar schon damals komisch vor, doch als Kind denkt man ja, dass Papas grundsätzlich alles können. Bestimmt auch Arabisch.

Die Islam-Wochen nahmen ein abruptes Ende

Mein Vater blätterte den Mini-Koran zu Hause ein paar Mal durch, dann wechselten sich Lachen mit Schnappatmung und Kopfschütteln ab. Ich sollte meiner Lehrerin folgende Botschaft überbringen: In der Türkei werde meistens Türkisch gesprochen. Und: Türkisch wird mit lateinischem Alphabet geschrieben. Damit nahmen die Islam-Wochen in meiner Ethik-Klasse ein abruptes Ende.

Das war bescheuert, aber ich unterstelle der Lehrerin höchstens Unwissenheit, keine Islamfeindlichkeit. Die ist in Deutschland seit Pegida und der AfD ja wieder salonfähig, die Zahl der Angriffe auf Moscheen hat einen Höchststand erreicht. Der gewöhnliche Rassist und Islamophobist verwendet hierzu gerne Schweinsköpfe und -blut, die er wahlweise am Zaun aufspießt oder vor der Moscheetür auskippt. Das ist unappetitlich - sowohl optisch als auch menschlich.

Einem solchen Verhalten liegt zudem der Irrglaube zugrunde, dass Muslime ausnahmslos Schweinefleisch ablehnen und man sie beleidigen kann, indem man ihnen Lebensmittel vors Haus wirft. Mein Vater ist Muslim und geht mit Essen pfleglich um. Unsere Familie hat ihren Stammmetzger auf der sogenannten Metzgerzeile in München, direkt am Viktualienmarkt. Das sind die Geschäfte mit den vielen Laibern Leberkäs in der Auslage. Für Nichtbayern: Der besteht nicht aus Käse.

Wer uns also einen Schweinskopf oder - in Bayern passender - eine Schweinskopfsülze in den Vorgarten werfen will, dem sei gesagt: Wir essen's dann auch auf! Sogar, wenn gerade Ramadan ist.

Kolumne "Die Isartürkin"

In der Beziehung zwischen Deutschen und Türken läuft etwas gewaltig schief. SZ-Redakteurin Deniz Aykanat, 34, trägt beide Seiten in sich. Meistens verstehen sie sich gut. Hier schreibt sie regelmäßig über ihr Leben zwischen Bayern und Bosporus. Alle Folgen der Kolumne finden Sie hier.

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