Glockenbachviertel:Die Ratte, Begleiter der Gentrifizierung

Ratte in Berlin

Wer kämpft mit den Ratten und wie? Das sind Fragen, die sich viele Kinder im Glockenbachviertel jetzt stellen.

(Foto: Arno Burgi/dpa)

Ein Spielplatz im Glockenbachviertel muss wegen Rattenbefall vorübergehend schließen. Schuld sind Eltern, die Windeln und Essensreste zurücklassen.

Kolumne von Vera Schroeder

Jetzt sind sie also da, die Ratten. Nähert man sich dem Glockenbachspielplatz unten am Westermühlbach, merkt man schnell, dass hier irgendwas nicht stimmen kann. Viel zu still, es ist Sommer, die ersten richtig warmen Tage, nachmittags unter der Woche - normalerweise tummelt sich hier die Kinderelternschar in einer kreischigen Fülle, gegen die ein Sommerschlussverkauf bei H&M eine gesittete Veranstaltung ist.

Nun aber: Stille. Ein paar Vögel zwitschern in den Baumwipfeln. Ein Hund bellt in der Ferne, ja vielleicht tönt er bis von der Isar her. Und tritt man dann näher heran, an den Ort des Wahnsinns, dann sieht man es: Absperrbanner. Rot-weißes Plastik, über die Eingangsgatter verkreuzt. Seltsame silberne Kästen auf dem ganzen Platz verteilt. Und überall Schilder: "Baureferat Gartenbau. Wegen Rattenbekämpfung aus Sicherheitsgründen vorübergehend gesperrt." Ahhhh!

Es ist ja nicht so, dass man es nicht hätte ahnen können. Immer wieder hatten in den vergangenen Jahren genervt bis bescheuerte Anwohner die "verehrten, fürsorglichen Eltern" auf Zetteln bereits darum gebeten doch "gefälligst ihre verschissenen Windeln und die verschissenen Speisereste mitzunehmen", da sonst eben noch andere mitessen. Beim Tischtennisspielen wurde aus dem "Och, süß, eine Maus!" - dann doch relativ oft schon ein "Och, süß, eine - boah, die ist aber echt groß . . . Ist das ne Ratte?!"

Und es ist auch nicht so, dass das keine Komik in sich trüge: Den um jede Tofuwurst und jeden Plastikpartikel im Schnulli bedachten Eltern flitzen die dreckigsten Tiere der Großstadt um die silbernen Riemchensandalen. Wie lange wird es wohl dauern, bis sich jemand traut, wieder Kinder auf ein Gelände zu lassen, auf dem schlicht und einfach Gift ausgelegt werden muss?

Wobei die absolute Ruhe, die auf dem Spielplatz jetzt herrscht, auch der beste Beweis ist, wie sehr diese Eltern doch Grenzen setzen können, wenn sie wollen. Kein Kind, nirgendwo.

Dabei hinterlässt so ein mit Baustellenabsperrband markierter Spielplatz, auf dem es um "Rattenbekämpfung" geht, bei den Kindern selbst großen Eindruck. "Wer kämpft mit den Ratten? Wie kämpfen die? Haben die Waffen? Kommt die Polizei und kämpft mit?", sind die Fragen mit denen sich unausgetobte Kindergartenkinder nun abends beim Zubettgehen beschäftigen. Die Eltern denken sich friedliche Geschichten dazu aus. Und während die mit Biokeksen gelabten Mistviecher nachts in die Giftfallen tappen, seufzen die Anwohner: "Uff, ist das schön ruhig hier im Moment."

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