Berliner Kreis:Die Rufe der Machtlosen

Der Berliner Kreis hat mit einem Klimapapier für Wirbel gesorgt. Doch der Kreis konservativer Unionspolitiker ist praktisch bedeutungslos.

Von Robert Roßmann, Berlin

Am Pfingstwochenende dürften sich nicht wenige gefragt haben, was es mit dem "Berliner Kreis" auf sich hat. Die Nachrichtensendungen meldeten "CDU-Konservative fordern Wandel in der Klima-Politik" oder "Rechter CDU-Flügel stellt sich gegen Kurs der Kanzlerin". Martin Schulz, der Kanzlerkandidat der SPD, sah sich sogar bemüßigt, ein Machtwort Angela Merkels zu verlangen. Schließlich seien "Teile der Union offensichtlich auf Trump-Kurs". Und das alles wegen eines Papiers dieses Berliner Kreises, in dem der Klimawandel zwar nicht geleugnet, aber heftige Kritik an der deutschen Klimapolitik geäußert wird. Wer steckt denn nun hinter dieser Gruppe?

Der Berliner Kreis, um das vorwegzunehmen, ist keine offizielle Untergliederung der CDU, sondern das Privatvergnügen einiger Unionspolitiker. Laut eigener Darstellung hat er gerade mal zwölf Mitglieder - unter ihnen neun Bundestagsabgeordnete. Einer breiteren Öffentlichkeit ist lediglich einer von ihnen bekannt: Wolfgang Bosbach. Die anderen sind: Philipp Lengsfeld, Sylvia Pantel, Veronika Bellmann, Arnold Vaatz, Thomas Dörflinger, Johannes Selle, Hans-Peter Uhl und Volker Mosblech. Gründer des Kreises ist der ehemalige Vorsitzende der hessischen CDU-Landtagsfraktion, Christean Wagner. Die Truppe ist - abgesehen vom prominenten und beliebten Bosbach - der klägliche Rest eines Versuchs, dem Konservativen in der CDU wieder mehr Bedeutung zu geben.

Die CDU beruft sich zwar immer auf drei Wurzeln: die liberale, die christlich-soziale und die konservative. Von der konservativen Wurzel ist aber im 18. Vorsitzendenjahr Angela Merkels kaum noch etwas übrig. Um zu ermessen, wie gewaltig der Niedergang der Konservativen ist, genügt ein Blick zurück. Vor 30 Jahren führte Alfred Dregger die Unionsfraktion, Franz Josef Strauß war CSU-Vorsitzender. Verglichen mit den beiden sind die heutigen Granden der Union beinahe Linksradikale. Die letzte Rede vor Merkels Wahl zur CDU-Chefin auf dem Parteitag im April 2000 hielt Hans Filbinger - der Mann, der als Ministerpräsident von Baden-Württemberg zurücktreten musste, weil er als NS-Marinerichter Todesurteile gegen Deserteure verhängt hatte. In seiner Rede wetterte er gegen das Abtreibungsrecht, die Zulassung homosexueller Lebenspartnerschaften und die "Geschichtsklitterung" in Schulbüchern, in denen es oft zu sehr um das Dritte Reich gehe. Filbinger wurde nicht ausgebuht, sondern beklatscht.

Die Meinungsführerschaft unter den Kritikern haben jetzt Politiker wie Spahn oder Linnemann

Einen Filbinger würde heute zwar nicht einmal mehr der Berliner Kreis verteidigen. Seine Mitglieder leiden aber unter den Kurswechseln der CDU. Sie haben jede Menge "Forderungen" beschlossen, etwa zur Asyl- und Einwanderungs-, zur Innen-, zur Familien- oder zur Religionspolitik. Früher galt der Satz, dass es sich mit Merkel und dem Berliner Kreis in etwa so verhält, wie mit dem Sommerloch und dem Ungeheuer von Loch Ness: Wann immer es für die Kanzlerin nicht so gut läuft, taucht die konservative Gruppe aus der medialen Versenkung auf. Vor fünf Jahren, als die Banken- und Euro-Krise wegen der milliardenschweren Rettungspakete auch die Union beutelte, befürchteten einige in der CDU-Spitze sogar, aus dem Kreis könne ein konservativer Parteiflügel entstehen. "So etwas" dürfe sich aber nicht organisieren, forderte Fraktionschef Volker Kauder.

Inzwischen ist der Berliner Kreis jedoch völlig bedeutungslos. Die Meinungsführerschaft unter den parteiinternen Kritikern des Merkel-Kurses haben längst Politiker wie Finanzstaatssekretär Jens Spahn, JU-Chef Paul Ziemiak oder der Chef des Wirtschaftsflügels, Carsten Linnemann, übernommen. Der Berliner Kreis fällt nur noch auf, wenn er ausgerechnet nach Trumps Aufkündigung des Klimavertrags meint, mit rückwärtsgewandten und sogar in den eigenen Reihen umstrittenen Positionen punkten zu müssen.

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