Schauplatz Berlin:Noch ein Berliner Schloss

Besuch auf Schloss Biesdorf in Marzahn-Hellersdorf: Dieses Schloss heißt nur so, es ist eigentlich eine Villa aus dem 19. Jahrhundert. Seit Herbst 2016 arbeitet darin das Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum. Ringsum kann man eine Traumlandschaft bewundern.

Von Jens Bisky

Ob auf der Bundesstraße 1 oder mit der S-Bahn, man braucht nur eine gute halbe Stunde, um den Schlossplatz, der zielstrebig zum Symbolspielplatz der Berliner Republik verkommt, mit einer Traumlandschaft zu vertauschen, wie man sie hier, in Marzahn-Hellersdorf kaum vermutet hätte. Auch hier steht ein rekonstruiertes Schloss, in dem Kunst auf Besucher wartet. Aber es wird nicht obendrein noch herumbedeutet. Es reicht ja, dass Kunst und Spaziergänger sich wohl fühlen können.

Schloss und Schlosspark Biesdorf stammen aus dem 19. Jahrhundert. Man träumte italienisch, das heißt, es sieht ein wenig aus wie in Potsdam. Das Schloss heißt nur so, kein Landesherr hat die Turmvilla auf dem einstigen Gut Biesdorf errichten lassen, sondern ein Freiherr, der geerbt hatte. Park und Villa kamen schließlich an Werner von Siemens und dessen Sohn Wilhelm. Die Villa besitzt, was heiteres Dasein verspricht: eine Säulenvorhalle am Haupteingang, Loggien, einen Turm auf achteckigem Grundriss mit Belvedere und kupfernem Helm, all das umgeben von einem stillen, weitläufigen Park. Wer hier eintritt, lässt das Reich der Einfamilienhäuser und der kleinen Siedlungsblöcke ringsum hinter sich und genießt Abgeschiedenheit.

Hier, weit draußen, kann man eine Traumlanschaft genießen, die noch nicht zugetextet wurde

Im April 1945 brannte das Schloss, das nie ein Schloss war, aus, es verwandelte sich in einen Dorfclub, ein Kulturhaus, bot Platz auch für eine Zweigstelle der Bezirksbibliothek. Und dann, nach der Vereinigung, begannen zweieinhalb Jahrzehnte der Wiederaufbaubemühungen. Die Geschichte ist noch verwickelter, manches darin ungeklärt - wurde das Haus 1945 angezündet, gab es einen Bombentreffer? Zu sehen ist eine rundum geglücktes Ensemble. Seit dem Herbst 2016 arbeitet in der Villa das Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum. "Zwischen Räumen" heißt die derzeitige Ausstellung. Sie erinnert an den Konzeptkünstler Gordon Matta-Clark, der in den Siebzigerjahren in Fotografien, Aktionen, Filmen den Wandel New Yorks kommentierte. Daneben stehen in der DDR entstandene Werke und zeitgenössische Arbeiten. Man verlässt die Ausstellung mit dem Vorsatz, nichts mehr über die Stadt im allgemeinen zu sagen, weil es entweder trivial oder übertrieben ist, schlendert vorbei am überambitioniert schlichten Teehaus und am Lesegarten, dort, wo früher Tennis gespielt wurde. Am S-Bahnhof Biesdorf schweift der Blick kurz über die Einfamilienhäuser am Rande der von hier aus kaum zu ahnenden Plattenbaugroßsiedlungen.

Das Zentrum für Kunst und öffentlichen Raum gehört wie die Internationale Gartenausstellung zu den Vorzeigeprojekten des Bezirkes, über den seit je mehr Klischees und Vorurteile im Umlauf sind als Beobachtungen. Betrieben wird das Zentrum von der landeseigenen Grün Berlin GmbH. Sie kümmert sich etwa um den Park am Gleisdreieck, den Mauerpark oder das Tempelhofer Feld, um jene Orte, an denen zeitgemäße Urbanität Formen findet. Inzwischen scheinen Grünflächenbelebungsversuche, Wiesen-, Rasen- und Brachflächenbespielungen für den Berliner Lebensstil ja wenigstens so wichtig wie Nahverkehr und Nachtleben. Der Schlosspark Biesdorf bietet die idyllische Variante. Noch kann man sie fast allein genießen, eine Traumlandschaft, die noch nicht zugetextet wurde, die den Stadtmythologen noch zu weit draußen liegt.

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