Videoüberwachung:Aktivisten wollen Real und Post wegen Gesichtserkennung anzeigen

Videoüberwachung

Eigentlich sollen Überwachungskameras Ladendiebstähle und Vandalismus verhindern. Aber dürfen sie auch für personalisierte Werbung eingesetzt werden?

(Foto: dpa)

Beide Unternehmen scannen die Gesichter ihrer Kunden in den Filialen, um ihnen maßgeschneiderte Werbung zu zeigen.

Von Marvin Strathmann

"Dieser Markt wird videoüberwacht". Ein Schild mit diesem Satz und die dazugehörigen Kameras stehen in jedem größeren Supermarkt. Aber in letzter Zeit werden die Aufzeichnungen der Kameras nicht nur genutzt, um Ladendiebe zu fassen, sondern zusätzlich für personalisierte Werbung. Damit experimentieren die Supermarkt-Kette Real und die Deutsche Post. Stehen zum Beispiel mehr Männer an der Kasse wird auf Bildschirmen Autowerbung gezeigt, sind es mehr Frauen, wird der Spot des Blumenhändlers abgespielt, so zumindest die idealtypische Vorstellung.

Aber ist das Vorgehen rechtlich zulässig? Nein, finden die Aktivisten vom Verein Digitalcourage und haben Strafanzeigen gegen die beiden Unternehmen angekündigt. Sie beziehen sich auf Paragraph 6b im Bundesdatenschutzgesetz und bemängeln, dass die Videoüberwachung zweckentfremdet werde, also nicht mehr dem eigentlichen Ziel diene: Diebe zu überführen. Außerdem werde zu wenig auf die personalisierte Werbung durch Kamerabilder hingewiesen: "Die Kennzeichnung ist auf keinen Fall ausreichend", sagt Padeluun, ein Mitgründer des Vereins, der unter einem Pseudonym auftritt. "Die Leute, die das mitbekommen haben, fühlen sich verarscht."

Kunden zahlen im Geschäft gerne anonym

Seit Herbst 2016 experimentieren etwa 40 Real-Läden und 40 Post-Filialen mit der Gesichtserkennung von Kunden. Die Post will das Experiment auf 100 Filialen ausweiten. Die Gesichter werden gescannt, dann wird Alter und Geschlecht bestimmt. Je nach Zielgruppe werden die Werbeplätze mit verschiedenen Spots belegt, etwa im Eingangsbereich, wenn ein Kunde den Laden betritt. Was im Internet schon längst durch einfache Tracker statt aufwendige Gesichtserkennung möglich ist - Werbung für jene maßzuschneidern, die sie gerade sehen -, kommt nun auch offline in Geschäfte. Über Gesichtserkennung können Menschen eindeutig zugeordnet und wiedererkannt werden, fürchten die Aktivisten. Zusammen mit anderen Daten, zum Beispiel welche Waren gekauft wurden oder wie teuer ihre Kleidung ist, könnten umfangreiche Profile angelegt werden.

Mit der Gesichtserkennung machten sich die Läden ein Alleinstellungsmerkmal kaputt, schreiben die Aktivisten von Digitalcourage in einem Blogeintrag: "Für Konsumentinnen mit Bewusstsein für Datenschutz und Privatsphäre ist es durchaus attraktiv, beim Kauf mit Bargeld an der Supermarktkasse eben nicht beobachtet und durchleuchtet zu werden. Deshalb ist es auch aus wirtschaftlicher Sicht ein Fehler, die Objektifizierung der Konsumenten durch Offline-Tracking voranzutreiben."

Die Post verweist darauf, dass ihre Technologien geprüft sind: "Datenschutz spielt in unserem Unternehmen eine sehr wichtige Rolle, von daher verwenden wir eine Technologie, die auf datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit geprüft und mit dem ePrivacy-Siegel zertifiziert worden ist. Insofern entspricht der Test datenschutzrechtlich allen gesetzlichen Vorgaben." Real werde sich erst zu der Anzeige äußern, wenn sie dem Unternehmen vorliege, so der Pressesprecher.

Der Verein Digitalcourage warnt auch vor künftigen technischen Möglichkeiten für die Betreiber von Filialen, etwa vor Emotionserkennung, personalisierten Preisen oder Bewegungsprofilen. So sei es etwa über eine WLAN-Verbindung im Laden möglich, den Weg des Kunden durch das Geschäft nachzuvollziehen.

Dass die Anzeige Erfolg hat, sei allerdings nicht sehr wahrscheinlich, räumt Aktivist Padeluun ein: "Vermutlich wird sie eingestellt. Aber wir wollen die Post und Real nicht unbedingt vor den Richter ziehen, wir wollen, dass die Unternehmen darüber nachdenken."

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