Trump und Ex-FBI-Chef Comey:Mit Comey ist Trump an den Falschen geraten

Der Ex-FBI-Chef untermauert alle Vorwürfe gegen den US-Präsidenten. Trumps republikanische Verteidiger haben dem kaum etwas entgegenzusetzen. Und sein Anwalt streitet alles ab.

Von Thorsten Denkler, New York

Eine der vielen Überraschungen an diesem ereignisreichen Donnerstag war etwas, das US-Präsident Donald Trump ausnahmsweise nicht getan hat. In den knapp drei Stunden, in denen Ex-FBI-Chef James Comey vor dem Geheimdienstausschuss des US-Senates angehört wurde, hat Trump nicht einen Tweet abgesetzt. Zugesehen hat er, berichten US-Medien. Er soll zusammen mit seinem Anwaltsteam in seinem privaten Esszimmer im Weißen Hauses die Anhörung vor einem 60-Zoll-Fernseher verfolgt haben.

Vermutlich hat sein Anwalt Marc Kasowitz ihn überzeugt, die Angelegenheit sehr, sehr ernst zu nehmen. Und dass seine Twitter-Ausbrüche ihm ernsthaft schaden können. Schon am Mittwoch, nachdem der Senat die hochexplosive schriftliche Stellungnahme von Comey veröffentlicht hatte, äußerte sich nur Trumps Anwalt. Der US-Präsident fühle sich "vollkommen bestätigt" von Comeys Aussagen. Freilich meinte der damit den Umstand, dass Comey Trump dreimal versichert habe, gegen ihn werde nicht persönlich ermittelt.

Nach Comeys Aussagen tritt Trumps Anwalt vor die Presse. Fragen lässt er nicht zu. Seine kurze Verteidigungsrede ist so schwach wie sie nur sein kann. Im Kern erklärt er, alles, was Comey über dessen Treffen mit Trump gesagt habe, stimme. Nur ausgerechnet die beiden Sätze, die Trump gefährlich werden können, die soll Trump nie gesagt haben. Der eine: "Ich brauche Loyalität. Ich erwarte Loyalität". Der andere: Comey solle die Ermittlungen gegen Flynn "fallen lassen".

Hoffnung oder direkte Anweisung

Wer den Auftritt von James Comey verfolgt hat, dürfte allerdings wenig Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit haben. Im Ausschuss haben selbst die republikanischen Senatoren nur noch halbherzig versucht, Comeys Aussagen substantiell in Zweifel zu ziehen.

Am Nächsten kommen sie mit einer eher semantischen Frage: Wortwörtlich hat Trump nach Comeys Aussage nämlich nur gesagt, er "hoffe", dass Comey in der Lage sein werde, die Sache mit Flynn fallen zu lassen. Wenn jemand hoffe, sei das ja keine Aufforderung, erklärt der republikanischer Senator Jim Risch.

Die demokratische Senatorin Kamala Harris hält dagegen: Wenn ein Räuber jemandem die Pistole an den Kopf hält und erklärt, er "hoffe", dass er jetzt die Geldbörse des Opfers bekomme, dann sei das durchaus eine Aufforderung.

Comey gibt reichlich Gründe an, warum Trumps Ansinnen einer direkten Anweisung gleichkam. Es geht vor allem um zwei Begebenheiten. Ein Abendessen mit Trump im Weißen Haus am 27. Januar, in dem Trump vom FBI-Chef Loyalität verlangte. Und ein überraschendes Vier-Augen-Gespräch mit Trump im Oval Office am 14. Februar.

Zwei entscheidene Gespräche

Schon die Umstände des zweiten Treffens sind ungewöhnlich: Nach einem Meeting in größerer Runde zum Thema Terrorismusabwehr bittet Trump den FBI-Chef, noch kurz mit ihm im Oval Office zu bleiben. Justizminister Jeff Sessions bleibt ebenfalls zurück, schließlich ist er formal Comeys Vorgesetzter. Aber Trump bittet Sessions explizit hinaus. Und auch sein Schwiegersohn Jared Kushner muss den Raum verlassen. Trump will eindeutig unter vier Augen mit Comey reden.

Dazu kommt: Just am Tag zuvor hatte Michael Flynn seinen Posten als Nationaler Sicherheitsberater aufgeben müssen, weil er falsche Angaben über seine Gespräche mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak gemacht hatte. Wenn dann der Präsident sagt, er "hoffe", dass Flynn aus den Russland-Ermittlungen des FBI herausgenommen werden könne, dann muss das klingen, wie ein Mafia-Boss, der "hofft", dass das Schutzgeld bis morgen auf seinem Schreibtisch liegt.

Comey hat nichts zu verbergen. Er berichtet in der Anhörung offen, wie Trump immer wieder den Kontakt zu ihm gesucht hat. Wie er angefangen hat sich Notizen zu machen, weil ihm bewusst geworden war, dass das eines Tages wichtig werden könnte. Wie konsterniert er war, als Trump ihn aufforderte, die Flynn-Ermittlungen einzustellen.

Comeys Entlassung war beispiellos

Andererseits bestätigte er auch, dass er ungefragt dem Präsidenten dreimal erklärt habe, er sei nicht persönlich Teil der Russland-Ermittlungen. In denen wird untersucht, ob und wie Russland Einfluss auf die US-Wahl 2016 genommen hat. Und ob und wie das Wahlkampfteam von Trump daran beteiligt gewesen ist. Was aber nicht bedeutet, dass Trump völlig außen vor sei, sagt Comey. Wenn das FBI das Wahlkampfteam untersuche, dann gehöre natürlich auch der Kopf dazu. "Und das ist der Kandidat."

Vier Wochen nachdem Trump ihn gefeuert hat, ist dieser Donnerstag der Tag von Comeys Rehabilitation als seriöser und verantwortlicher Behördenleiter. Vielleicht hätte er sogar auf eine Eskalation verzichtet. Aber das hat Trump selbst unmöglich gemacht. Die Art und Weise, wie er den FBI-Chef rausgeworfen hat, ist beispiellos.

Comey hat von seiner Entlassung aus den Medien erfahren. Am Tag danach ist Trump gegenüber dem russischen Außenminister über Comey hergezogen, hat ihn als "Angeber" und "Spinner" bezeichnet. Und dann auch noch getwittert, Comey solle besser hoffen, dass es von Trumps Treffen mit ihm keine Tonaufnahmen gebe.

Comey: "Das sind Lügen, einfach und klar"

Den Ausschlag aber dürfte gegeben haben, dass Trump in einem NBC-Interview behauptete, das FBI sei von Comey schlecht geführt worden. Und die FBI-Mitarbeiter hätten das Vertrauen in Comey verloren. Comey lässt das nicht auf sich sitzen. Im Ausschuss sagt er: "Die Regierung hat sich entschieden, mich zu diffamieren, und viel schlimmer, das FBI, indem sie sagt, die Behörde sei in Unordnung." Comey wird deutlich: "Das sind Lügen, einfach und klar."

Nach der Anhörung ist klar: Nicht Comey ist das Problem. Es ist der Mann im Weißen Haus. Und mit Comey ist Trump definitiv an den Falschen geraten: Trump twittert, es könnte Aufnahmen von den Treffen geben? Comey: "Ich hoffe es gibt sie. Veröffentlicht sie alle!"

Der Ex-FBI-Chef hat nicht mal ein Problem damit, zuzugeben, dass er es war, der einen Teil seiner Aufzeichnungen von den Treffen an die Medien durchstechen ließ. Ein befreundeter Rechtsprofessor hat die Unterlagen an einen New York Times-Reporter weitergeben.

Den Republikanern fällt nichts mehr ein

Das ist nicht nur Affekt. Das ist auch Strategie. Comey sagt, er habe gehofft, dass diese von ihm veranlasste Enthüllung schnell dazu führt, dass ein Sonderermittler in der Russland-Affäre eingesetzt wird. So kam es dann auch. Der ist Comeys Vorgänger, der frühere FBI-Chef Robert Mueller. Ein Mann, über den Comey nur Gutes sagt. Wenn der fertig ist, dann könnten sich die Senatoren sicher sein, dass er "jeden Stein umgedreht hat", sagt Comey.

Solange aber Trump bestreiten lässt, dass er die in Rede stehenden Sätze gesagt hat, steht Aussage gegen Aussage. Allerdings ist es die Aussage eines hoch respektablen Ex-FBI-Chefs, die hier gegen die eines US-Präsidenten steht, der auch schon vorher als notorischer Lügner entlarvt wurde.

Den Republikanern fällt dazu nicht mehr ein, als Trumps Fehltritte damit zu entschuldigen, dass er eben noch "neu" im Amt sei. Das hat der republikanische Speaker des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, als Reaktion auf die Comey-Anhörung gesagt.

Das ist in etwa so lächerlich, wie der Verteidigungsversuch von Trumps Anwalt. Oder die Antworten der stellvertretenden Sprecherin im Weißen Haus, Sarah Huckabee Sanders. Auf die Frage, ob es denn die Tonaufnahmen gebe, über die Trump gewittert habe und die Comey gerne veröffentlicht sähe, sagt sie: "Ich habe keine Ahnung. Aber ich werde mal unter den Sofas nachsehen."

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