Infektionskrankheiten:Mehr als 100 000 Cholera-Verdachtsfälle in Jemen

Infektionskrankheiten: Ein Mädchen vor einer Versorgungszentrale in Sanaa. Kinder erkranken besonders häufig.

Ein Mädchen vor einer Versorgungszentrale in Sanaa. Kinder erkranken besonders häufig.

(Foto: AFP)
  • Die Cholera-Epidemie in Jemen breitet sich weiter aus.
  • Unter den Erkrankten sind besonders viele Kinder.
  • Ein Ende der Erkrankungen ist nicht in Sicht.

Von Berit Uhlmann

Die Cholera wütet weiter ungebremst in Jemen. Mittlerweile schätzen die Weltgesundheitsorganisation WHO und Unicef die Zahl der Erkrankten auf mehr als 100 000. 791 Menschen seien bereits an den heftigen Durchfällen gestorben.

Opfer der Infektionen sind in erster Linie Kinder; etwa 46 Prozent der Erkrankten sind jünger als 15 Jahre. Der Alltag der Kinder in Jemen sei "zu einem verzweifelten Überlebenskampf geworden", sagt Meritxell Relano von Unicef. Sie leiden unter dem ständigen "Läuten der Totenglocken", von Gewalt in ihrem Land ausgelöst, an Unterernährung und nun auch noch an Cholera .

Der Ausbruch trifft ein Land, dessen Gesundheitssystem nach Jahren bewaffneter Konflikte am Boden liegt. Nicht einmal jede zweite Gesundheitseinrichtung funktioniert noch uneingeschränkt. Die Angestellten haben seit mehr als acht Monaten keinen Lohn mehr erhalten.

Besonders besorgniserregend aber sind die katastrophalen hygienischen Zustände in weiten Teilen des Landes. Fast 15 Millionen Menschen haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen. Dieser Mangel befeuert den aktuellen Ausbruch.

Das Bakterium Vibrio cholerae wird in erster Linie durch Trinkwasser übertragen, das mit Fäkalien verunreinigt ist. Nur Stunden später können Durchfälle einsetzen, bei denen der Kranke eine Flüssigkeitsmenge verliert, die der Hälfte seines Körpergewichts entspricht. Selbst Erwachsene mit guter Kondition sterben dann innerhalb kurzer Zeit an Austrocknung.

Die Behandlung setzt daher darauf, den Patienten schnellstmöglich Flüssigkeit zuzuführen; in 20 Prozent der Fälle muss dies intravenös geschehen. Vorbeugend können in Ausbruchsgebieten Impfungen verabreicht werden. Doch in Jemen können Hilfsorganisationen derzeit nicht alle Regionen erreichen. Zu gefährlich ist die Lage mancherorts.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen nannte die Situation in dem arabischen Land schon Mitte Mai "extrem alarmierend". Seither hat sich der Ausbruch zu einem der größten der vergangenen Jahre entwickelt. Im gesamten Jahr 2015 wurden weltweit etwa 170 000 Cholera-Erkrankungen registriert.

Allerdings sind Cholera-Zahlen notorisch unzuverlässig. Betroffene Länder sprechen in ihren Meldungen an die WHO häufig nur von Durchfallerkrankungen - sei es, weil ihnen die Tests für eine genaue Diagnose fehlen oder weil sie das Stigma als Cholera-Land fürchten. Die WHO schätzt daher, dass jährlich zwischen einer und vier Millionen Menschen an der gefährlichen Infektion erkranken. Ist ein größerer Ausbruch dagegen erst einmal publik geworden, kann sein Ausmaß auch überschätzt werden, weil dann jede Durchfallerkrankung in die Cholera-Statistik einfließt.

Auch die Zahlen in Jemen beruhen derzeit nur auf Verdachtsfällen und sind ensprechend unsicher. Sicher scheint jedoch, dass das Ende der Epidemie noch nicht erreicht ist. Die WHO hatte vor kurzem gewarnt, dass bis Jahresende bis zu 250 000 Menschen erkranken könnten.

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