Ausstellungen:Welle und Teilchen

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Was aussieht wie ein Mini-Operationssaal ist James Turrells "Wahrnehmungszelle", die den Betrachter in pures Farblicht eintauchen lässt. (Foto: Florian Holzherr)

Ein Galerienrundgang auf der Spur des Lichtes

Von Jürgen Moises, München

Was ist Licht? Auf diese Frage gibt es ganz verschiedene Antworten, je nachdem, ob man sie biologisch, physikalisch oder theologisch stellt. "Ich bin das Licht der Welt", sagt Christus im Johannes-Evangelium, während die Biologen vom Licht als einem "Ökofaktor" sprechen, der Energie für die Photosynthese liefert, welche direkt oder indirekt alle biogeochemischen Kreisläufe in Bewegung hält. Laut Physik ist Licht ein Quantenobjekt, das die Eigenschaften von Welle und von Teilchen vereint, ohne das eine oder das andere zu sein. Ein Paradox, dessen Antwort die Quantenelektrodynamik kennt, das für die meisten von uns aber wohl nur schwer zu begreifen ist.

Auch viele Künstler hat das Licht als essenzielles und komplexes Phänomen beschäftigt. Verschiedene Beispiele dafür sind aktuell in Münchner Galerien zu sehen, darunter etwa die Linsen, Spiegel- und Hohlspiegelobjekte von Adolf Luther. Diese sind bei Thomas Modern ausgestellt und verleihen der Galerie den Charme eines Optiker-Ladens. Dabei war der 1990 verstorbene Luther eigentlich Jurist, der über die Malerei zum Licht als "Material" kam. "Licht ist die Seele der Natur" lautete eines seiner Credos, ein anderes, dass die "Paradoxie des Lichtes" darin besteht, dass es selbst unsichtbar ist, aber "die ganze Sichtbarkeit enthält".

Das was in Luthers Spiegeln, Steh- und Hängelinsen vor allem sichtbar wird, das sind die Galerieräume und sich darin bewegende Personen. Man sieht sie zersplittert und vervielfältigt, vergrößert oder auf den Kopf gestellt. Ein faszinierendes Spiegel- und Linsen-Kabinett, das einem das Licht als technische Optik nahe bringt. Konkreter "fassbar" wird das Licht in Luthers "Laser-Raum", in dem zwei Laserstrahlen auf einen Spiegel mit Motor und einen Plexiglasblock treffen. Luthers Licht-Experimente gelten heute als bahnbrechend und wegweisend für Künstler wie Bruce Naumann oder James Turrell.

Auch Hellmut Bruchs "Prismenprogression" führt diesen Weg fort. Die abstrakte Skulptur aus farblosem Acrylglas steht in der Galerie von Renate Bender, zusammen mit Werken von neun weiteren Künstlern. "FarbeLicht - LichtFarbe. Dem Licht auf der Spur" heißt die von Renate Bender konzipierte Schau, die sie ursprünglich für den Neuen Kunstverein Aschaffenburg konzipiert hat. Die Licht-Spuren sind hier bunter als bei Luther. So werden in Bruchs "Prismenprogression" die Lichtstrahlen zwar wie in den Linsen gebündelt und gelenkt. Darüber hinaus wirkt das Acrylglas wie ein Prisma und bricht das Licht in seine Regenbogenfarben.

Wie man Licht als Farbphänomen festhält, das ist bei Rosa M. Hessling, Victoria Coeln und Inge Dick Thema. Hessling benutzt für ihre Gemälde besonders lichtintensive Pigmente und Coelns abstrakt-farbige Fotogramm-Serie "Lichtzeit" ist rein technisch gesehen eine Belichtungsreihe, für die sie Fotopapier durch spezielle Filter mehrfach belichtet hat. Inge Dick hat für Arbeiten wie "herbst licht weiß" die Licht- und Farbveränderungen auf einer weißen Fläche tagelang gefilmt und daraus eine Filmfassung sowie Farbstreifen als "Stills" gezogen, die sie ebenfalls zu beeindruckenden Licht-Reihen gruppiert hat.

Während es den meisten Künstlern bei Renate Bender darum geht, Licht über Objekte fassbar zu machen, verfolgt James Turrell mit "Alien Exam" bei Häusler Contemporary ein anderes Ziel. Er wolle das Licht selbst materialisieren und die Wahrnehmung zum Objekt machen, hat Turrell in einem Interview gesagt und dafür 1989 mit "Alien Exam" eine "Wahrnehmungszelle" geschaffen, die wie ein Mini-Operationssaal aussieht. Auf einer Liege blickt man durch eine runde Deckenöffnung und taucht ein in eine Welt aus purem Farblicht.

Adolf Luther, bis 29. Juli, Thomas Modern, Türkenstr. 16; FarbeLicht - LichtFarbe, bis 1. Juli, Renate Bender, Türkenstr. 11; James Turrell - Alien Exam, bis 28. Juli, Häusler Contemporary, Maximilianstr. 35, Anmeldung unter haeusler-contemporary.com

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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