Gülle und Grundwasser:So ein Mist

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Vor der aufgehenden Sonne - ein Landwirt verteilt mit seinem Traktor auf einem Acker nahe Feldkirchen in Niederbayern Gülle. (Foto: Armin Weigel/dpa)
  • In Deutschland herrscht ein Überschuss an Fleisch.
  • 700 Millionen Rinder, Schweine und andere Nutztiere in Deutschland produzieren jährlich etwa 200 Millionen Kubikmeter Mist.
  • Eine Studie des Umweltbundesamts hat ergeben, dass in einem Viertel aller Wasserspeicher aufgrunddessen die zulässigen Nitrat-Grenzwerte überschritten sind.

Von Markus Balser, Berlin

Wo das Geschäft der Landwirte läuft, ist in einigen ländlichen Regionen Deutschlands schon beim Einatmen zu riechen. Deutsche Bauern mästen heute deutlich mehr Schweine oder Rinder als für die Versorgung der Bundesbürger nötig wäre. Das ist zwar gut für ihr Geschäft - tonnenweise wird das Fleisch aus Deutschland in alle Welt exportiert. Aber der Erfolg hat auch eine Schattenseite. Denn zurück bleibt eine gewaltige Menge Gülle.

Pro Kilo Steak können gut 20 Liter anfallen. Zusammen produzieren 700 Millionen Rinder, Schweine und andere Nutztiere in Deutschland Jahr für Jahr fast 200 Millionen Kubikmeter Gülle oder Mist. Welchen Preis das ganze Land dafür zahlt, hat jetzt erstmals das Umweltbundesamt in einer neuen Studie ausgerechnet.

Demnach werden in einem Viertel aller Wasserspeicher die zulässigen Nitrat-Grenzwerte überschritten. Wasserversorger müssten deshalb vielerorts inzwischen teure Verfahren einsetzen, um das Trinkwasser sauber zu halten. Mit Folgen für die Allgemeinheit. Denn die Kosten dafür würden in Zukunft nicht die Verursacher in der Landwirtschaft, sondern die Wasserkunden tragen.

Zum Schutz belasteter Regionen wird Gülle über weite Strecken transportiert

Die Reinigung von belastetem Grundwasser könne in Deutschland zwischen 580 und 767 Millionen Euro pro Jahr kosten. Verbraucher müssten sich darauf einstellen, dass der Wasserpreis um bis zu 45 Prozent steigen werde, wenn nicht bald weniger Dünger auf die Felder gebracht werde, teilt die Behörde mit. Umgerechnet kämen dann auf eine vierköpfige Familie Mehrkosten bis zu 134 Euro im Jahr zu.

Eigentlich ist Gülle ein nützlicher Dünger. Doch weil in Deutschland immer mehr Tiere auf immer weniger Höfen gehalten werden, hatte sich das Problem in den vergangenen Jahren vor allem in den Regionen West- und Norddeutschlands mit intensiver Viehhaltung verschärft. Laut Umweltbundesamt wird in 27 Prozent der Grundwasserkörper derzeit der Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter überschritten. Gerade in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft sei das Grundwasser häufig durch zu viel Stickstoff belastet.

Damit findet auch ein Streit zwischen Berlin und Brüssel neue Nahrung. Im vorigen Jahr hatte die EU-Kommission die Bundesrepublik wegen des Verstoßes gegen die Nitratrichtlinie verklagt. Trotz einer hohen Belastung habe die Regierung nicht gehandelt. Die Bundesregierung hat zwar im Frühjahr nach langem Streit endlich strengere Düngeregeln beschlossen.

Göring-Eckard wirft Bundesregierung fehlgeleitete Agrarpolitik vor

Dazu gehören etwa Obergrenzen für Stickstoffeinträge in Gebieten mit kritischen Wasserwerten und längere Zeiträume, in denen keine Düngemittel ausgebracht werden dürfen. Für die Stickstoff- und Phosphatdüngung in der Nähe von Gewässern sollen zudem Abstände ausgeweitet werden, die frei bleiben müssen.

Doch Umweltschützern und deutschen Wasserversorgern geht das noch lange nicht weit genug. Experten warnen davor, dass auch mit dem neuen Gesetz nicht weniger Dünger auf den Feldern landet, sondern der nur einfach anders verteilt wird. Der Schutz belasteter Regionen führt zu Transporten von Gülle über weite Strecken in Gebiete mit wenig Viehhaltung oder Biogasanlagen. "Was bislang von der Bundesregierung in punkto Düngerecht auf den Weg gebracht wurde, reicht nicht aus, um die drohende Kostenbelastung für die Verbraucher zu verhindern", ist sich etwa Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, sicher. "Die Konsequenz aus diesen Warnungen sollte lauten: weniger Billigfleisch produzieren, die Düngegesetze deutlich verschärfen und wirksam kontrollieren", sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Christiane Huxdorff.

Agrarminister Christian Schmidt (CSU) unternehme zu wenig, um das Grundwasser zu schützen. Dass nun Verbraucher Hunderte Millionen Euro zusätzlich zahlen müssten, sei ungerecht und stelle das Verursacherprinzip auf den Kopf. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, sagte, die möglichen Preissteigerungen seien "die Quittung für eine fehlgeleitete Agrarpolitik der Bundesregierung". Die Ausrichtung der Fleisch- und Agrarproduktion auf "immer mehr und immer billiger" habe gravierende Folgen für Tiere, Böden und Trinkwasser.

Ökologische Landwirtschaft muss subventioniert werden

Wegen zu hoher Nitratwerte haben Wasserversorger schon Grundwasservorkommen aufgegeben oder tiefere Brunnen gebohrt. Nitrat ist eine chemische Verbindung aus Stickstoff und Sauerstoff. In Gewässern fördert sie Algenwachstum, was anderen Pflanzen schadet. Für Menschen ist der Stoff nicht gefährlich. Nitrat kann aber zu Nitrit werden, das wiederum den Sauerstofftransport im Blut blockiert. Außerdem steht Nitrit im Verdacht, indirekt krebserregend zu sein.

Die deutsche Wasserwirtschaft machte schon Anfang des Jahres klar, dass sie nur einen Weg aus dem Düngedilemma sieht. In einem Schreiben an die EU-Kommission fordert der BDEW-Verband, an der Klage gegen Deutschland festzuhalten, weil die Düngemittelreform nicht ausreiche.

Der Verband der Wasserwirtschaft definiert auch ein klares Ziel für sauberes Wasser und saubere Nahrung: "Notwendig ist eine Verschiebung der Agrarsubventionen weg von der industriellen Landwirtschaft hin zu einer ökologischen Bewirtschaftung der Agrarflächen."

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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