Russland-Affäre in den USA:Die Erinnerungslücken von Trumps Justizminister

Die Aussage von Jeff Sessions vor dem US-Senat wirkt höchst unglaubwürdig. Völlig unbeantwortet bleibt die Frage, warum er den Rauswurf von FBI-Chef Comey empfahl.

Analyse von Thorsten Denkler, New York

Jeff Sessions hat offenbar eine Art Schweigegelübde abgelegt, bevor er den Saal betritt, in dem er an diesem Dienstag aussagen wird. Der US-Justizminister sei eingeladen, "Fakten von Fiktion" zu trennen, begrüßt ihn der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, der Republikaner Richard Burr. So viel darf vorweggenommen werden, nach Sessions' Auftritt dürfte es auch Burr nicht leichter fallen, beides auseinanderzuhalten.

Der Senatsausschuss untersucht, ob und wie Russland Einfluss genommen hat auf die US-Wahl 2016. Bekannt ist, dass aus dem Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump erstaunlich viele Personen Kontakte zu russischen Regierungsvertretern hatten, darunter etwa zum russischen Botschafter Sergej Kisljak. Auch Sessions hatte als Senator im Wahlkampf Kontakt zu ihm.

Einmal traf er Kisljak auf einer öffentlichen Veranstaltung der konservativen "Heritage Foundation". Ein weiteres Mal in Sessions' Senats-Büro. Im Januar hatte er noch verneint, dass es solche Treffen gegeben hat. Erst Medienberichte Anfang März zwangen ihn dazu, die Treffen einzuräumen. Danach hat er sich aus der Aufsicht über die FBI-Ermittlungen zur Russland-Affäre zurückgezogen. Das FBI untersteht dem Justizministerium.

An ein drittes Treffen mit Kisljak am Rande einer prorussischen Rede von Trump im Washingtoner Mayflower-Hotel im April 2016 aber will sich Sessions nicht erinnern.

Sessions' Problem sind zunächst weniger die Treffen an sich. Sondern:

  • die seltsame Geheimniskrämerei darum,
  • seine Verwicklung in die plötzliche Entlassung von FBI-Chef James Comey Anfang Mai,
  • sein mögliches Wissen über Vier-Augen-Gespräche zwischen Trump und Comey.

Alle drei Punkte lassen den Verdacht zu, dass Sessions doch tiefer in die Russland-Affäre verstrickt sein könnte, als er zugeben mag. Sessions hat an diesem Dienstag jedenfalls substantiell nichts dazu beitragen können, den Verdacht zu entkräften: Treffen mit ausländischen Botschaftern beschreibt er als völlig normal. An Inhalte kann er sich so gut wie nicht erinnern. Comey sei gefeuert worden, weil er rund um die Ermittlungen zu Hillary Clintons E-Mail-Affäre keine gute Figur gemacht habe. Nicht aber wegen der Russland-Affäre.

Was er mit Trump bespricht, dazu will er gar nichts sagen. Es sei das Privileg des Präsidenten, dass seine privaten Unterredungen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Und nein, er würde darüber auch nicht in einer geheimen Sitzung des Ausschusses reden wollen.

Dem demokratischen Senator Martin Heinrich platzt da bald der Kragen: "Sie behindern unsere Untersuchung, wenn Sie unsere Fragen nicht beantworten!" Sessions zeigt sich wenig beeindruckt.

Das dürfte Trump freuen. Er soll in den vergangenen Wochen heftige Auseinandersetzungen mit Sessions gehabt haben. Trump hatte wohl den Eindruck, dass Sessions nicht in der Lage sei, die Ermittlungen gegen sein Wahlkampfteam klein zu halten.

Sessions bestätigt ein paar von Comeys Angaben

Immerhin bestätigt Sessions, dass er am 14. Februar den FBI-Chef mit Trump allein im Oval Office zurücklassen musste. Vergangenen Donnerstag hatte Comey ausgesagt, Trump habe ihn in dem Gespräch aufgefordert, die Ermittlungen gegen Michael Flynn einzustellen. Flynn war bis zum Tag vor dem Vier-Augen-Gespräch Trumps Nationaler Sicherheitsberater. Er musste zurücktreten, weil er über seine Treffen mit Botschafter Kisljak nicht die volle Wahrheit gesagt hatte.

Sessions bestätigt auch Comeys Aussage, dass dieser danach auf ihn zugekommen sei mit der Bitte, nicht noch einmal alleine mit Trump reden zu müssen. Comey hatte ausgesagt, Sessions habe auf die Bitte nicht reagiert. Sessions bestreitet das. Er habe Comey versichert, es sei das Beste, den Regeln zu folgen. Und die besagen, dass der Präsident besser nicht direkt mit dem FBI-Chef spricht. Aber, sagt Sessions, verboten sei das eben auch nicht. Er sehe da kein prinzipielles Problem.

Völlig unbeantwortet bleibt die Frage, warum Sessions sich erst aus der Aufsicht über die FBI-Russland-Ermittlungen herauszieht und dann den Rauswurf des FBI-Chefs empfiehlt. Und heute immer noch daran festhält, der Rauswurf habe nichts mit den Russland-Ermittlungen zu tun gehabt, die ja Trumps Team und auch ihn selbst betreffen.

Trump selbst hat in einem Fernsehinterview die Verbindung zu den Russland-Ermittlungen hergestellt. Sessions' dürre Antwort darauf: Er wisse auch nicht, was im Kopf von Trump vor sich gehe.

Auf die Frage, warum er sich überhaupt darauf eingelassen habe, die Entlassung von Comey schriftlich zu empfehlen, antwortet Sessions mehrdeutig. Zum einen sagt er, Trump habe ihn darum gebeten und er habe das in Ordnung gefunden. Die Entlassungsgründe - Comeys Umgang mit der E-Mail-Affäre - könne er voll unterstützen.

Als er aber gefragt, wird, was Trump ihm denn gesagt habe über seine Pläne, Comey zu feuern, da verweigert er die Aussage. Trump hatte ja weit vor Anfang Mai für sich entschieden, Comey entlassen zu wollen. Sessions sagt, er werde weder bestätigen noch dementieren, ob es in der Sache eine Unterhaltung zwischen ihm und Trump gegeben habe.

Will Trump jetzt auch Sonderermittler Mueller feuern?

Comey hatte ausgesagt, es wäre für Sessions wegen dessen Kontakten zu Russland durchaus "problematisch" gewesen, die Aufsicht über die FBI-Ermittlungen in der Sache zu behalten. Als Sessions vom demokratischen Senator Ron Wyden gefragt wird, worin diese Probleme bestehen könnten, wird Sessions sauer: "Warum sagen Sie es mir nicht? Da gibt es nichts, Senator Wyden. Da gibt es nichts!"

Reichlich unglaubwürdig wirkt auch Sessions' Behauptung, er habe sich nicht wegen seiner persönlichen Verwicklungen in der Russland-Affäre aus den Ermittlungen zurückgezogen. Sondern allein wegen eines Gesetzes, wonach sich Mitglieder des Justizministeriums für befangen erklären müssen, wenn sie engeren Kontakt zu Personen und Institutionen haben, die in Ermittlungen des FBI involviert sind.

Die Regel muss Sessions allerdings schon bekannt gewesen sein, als er sein Amt antrat. Er hätte umgehend die Aufsicht abgeben können. Er sagt immerhin aus, dass er darüber nachgedacht habe. Den Schritt vollzogen aber hat er erst unter Druck, nachdem nämlich die Washington Post über seine Kontakte zu Kisljak berichtet hatte.

Die Geschichte ist also längst nicht ausgestanden. Der von Sessions' Stellvertreter Rod Rosenstein eingesetzte Sonderermittler in der Russland-Affäre, Ex-FBI-Chef Robert Mueller, hat seine Arbeit gerade erst aufgenommen. Und er scheint alles daran setzen wollen, einen hervorragenden Job zu machen. So gut, dass es erste Gerüchte gibt, Trump überlege, auch Mueller zu feuern.

Das Weiße Haus dementiert das. Aber aus dem republikanischen Lager wird schon heftig gegen Mueller geschossen. Unter anderem, weil er und Comey seit Jahren miteinander befreundet sind. Der texanische Kongressabgeordnete Louie Gohmert fordert im Sender Fox Business: "Werdet Mueller los! Er hat Dreck am Stecken."

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