Kolumbien:Medellín, oder auch: Pablo-Escobar-Stadt

Child pastes stickers of Pablo Escobar in an album that is sold in stores in Medellin

Ein Kind klebt Pablo-Escobar-Sticker in ein Album, das sich in Medellín derzeit so gut verkauft wie selten.

(Foto: REUTERS)

Seine Privatflugzeuge, seine Nilpferde, sein Freizeitpark: In der kolumbianischen Stadt dreht sich alles um den König der Drogenbarone. Einige macht das wütend.

Von Boris Herrmann

Eine Stadt kann sich ihre berühmtesten Söhne nicht aussuchen. Liverpool hat John Lennon, Ulm Albert Einstein, Bethlehem Jesus Christus. Und Medellín hat nun einmal Pablo Escobar. Für die zweitgrößte Stadt Kolumbiens ist es Segen und Fluch, dass sie den König aller Drogenbarone hervorgebracht hat. Einerseits lockt der Mythos, der ihn umgibt, Touristen aus aller Welt. Andererseits interessieren sich die meisten Besucher nur bedingt für die modernen Bibliotheken, die innovativen Museen und die futuristische Architektur, mit denen die Stadt ihre Hochglanzbroschüren füllt. Was boomt in Medellín, das sind vor allem die Spaziergänge auf den Spuren Escobars.

Seit dem Start der weltweit erfolgreichen Netflix-Serie "Narcos" im Jahr 2015 scheint es bei der Glorifizierung dieses Mannes keine Grenzen mehr zu geben. Die Serie erzählt das schillernde Leben eines Outlaws, der kaltblütig und brutal erscheint, klar. Aber wie so viele reale und fiktionalisierte Gangsterbosse eben auch irgendwie tiefgründig und gerissen, bauernschlau und auf seine Weise erfolgreich. "Narcos" ist vermutlich die beste Mafia-Werbesendung seit Francis Ford Coppolas Paten-Trilogie.

In Medellín und um Medellín herum hat sich zuletzt eine Escobar-Verherrlichungsindustrie entwickelt, die immer bizarrere Züge annimmt. Seine 3000 Hektar große Hacienda Napolés wurde zu einem Freizeitpark umgestaltet. Man kann dort Escobars Privatflugzeuge, Escobars Ölgemälde und Escobars Nilpferde besichtigen. In der Innenstadt gibt es Touren mit dem leibhaftigen Roberto Escobar, der einst als Buchhalter das schmutzige Geld des Kartells verwaltete und heute von seinen Kunden 30 Euro nimmt, um das Bild seines 1993 von der Polizei erschossenen Bruders "zurechtzurücken".

Beim Besuch der zentralen Wallfahrtsorte erfährt man, dass Don Pablo neben einem gefürchteten Ganoven auch ein liebevoller Familienvater war. Auch Jhon Jairo Velásquez alias "Popeye", der einstige Chef des Killerkommandos von Escobar, ist wieder auf freiem Fuß und mischt fröhlich mit. Seinen schaurig faszinierten Zuhörern erzählt er, wie man am effektivsten einen Menschen tötet: "Zwei Kugeln oberhalb der Augenpartie."

Aus der Sicht von Medellíns Bürgermeister Federico Gutiérrez ist das alles ein Ärgernis. Er will seine Stadt als kreative Wissens- und Wirtschaftsmetropole präsentieren, sein Slogan lautet "Ein Stolz für die ganze Welt". Da stört das Stigma der Drogenhölle. Als neulich der US-Gangsterrapper Wiz Khalifa in Medellín auftauchte, um vor dem Grab Escobars öffentlichkeitswirksam zu kiffen, rastete Gutiérrez aus. Als erste Gegenmaßnahme kündigte er an, das sogenannte Edificio Monaco abreißen zu lassen, in dem sich einst die Wohnung und der Folterkeller Escobars befand, ein Highlight aller Narco-Touren. Stattdessen soll dort eine Opfer-Gedenkstätte entstehen, wo der berühmteste Tote der Stadt in jenes Licht gerückt wird, das ihm gebührt. In das eines Massenmörders, der ein ganzes Land terrorisierte und für den Tod von mindestens 4000 Menschen verantwortlich ist. Ob das den Ruf Medellíns nachhaltig verändert, ist allerdings fraglich. Netflix arbeitet übrigens gerade an einer Serie über Popeye.

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