Geldanlage:Die riskante Rückkehr der Rohstoffe

Nach Jahren des Abschwungs steigen bei Gold, Zink und Co. die Preise wieder. Woher der Aufschwung rührt - und wie Anleger profitieren können. Ein Überblick in drei Teilen.

Von Lukas Zdrzalek

Wenn Anleger derzeit träumen, dann von einem Stoff, dessen Abbild in vielen deutschen Schulen zu finden ist. Dort hängt in den Chemieräumen eine Tafel mit 118 Kästchen, in deren oberer linker Ecke der Stoff mit der Abkürzung Li prangt. Die Tafel ist das Periodensystem, das alle chemischen Elemente darstellt, ist also quasi die Chemie-Bibel - und die Buchstaben Li stehen für Lithium. Unternehmen verbauen das leicht entflammbare Metall in Batterien und Akkus, die künftig noch wichtiger werden, weil Autos bald schon elektrisch fahren sollen. Mancher Investor lässt sich da zu einer simplen Gleichung verleiten: Wenn immer mehr E-Autos umher kurven, zieht die Lithiumnachfrage an, steigt der Preis immer weiter. Der Solactive-Global-Lithium-Index, eine Aktien-Zusammenstellung mit den wichtigsten Lithium-Werten, hat seit Januar 2016 gut 50 Prozent hinzugewonnen - und ist zur Chiffre für die Rohstoffmärkte geworden.

Rohstoffe waren als Anlageklasse zwischenzeitlich nicht mehr satisfaktionsfähig, so brutal waren die Preise abgestürzt. Das Edelmetall Gold verlor zeitweise gut 35 Prozent, Kupfer beinahe 50 Prozent. Öl, der wichtigste Rohstoff der Welt, kostete gar kaum mehr als 25 US-Dollar pro Fass. Jetzt drehen die Preise: Gold ist circa 20 Prozent teurer als noch im Januar 2016, Kupfer rund 25 Prozent, Zink kommt auf gut 60 Prozent. Die zaghafte Rückkehr der Rohstoffe, sie kann Sparer zum riskanten Einstieg verleiten - was Anleger jetzt wissen müssen.

Der Stabilitätsanker: Wie Rohstoffe Vermögen absichern

Es gibt zwei Gründe, warum Rohstoffanlagen sinnig sein können. Der erste ist: Rohstoffe helfen Sparern, ihr Vermögen breiter zu streuen - und sich so gegen Aktiencrashs abzusichern. Die Rohstoffpreise können in anderen Zyklen steigen und fallen als die von Wertpapieren. Wenn die Wirtschaft kriselt, fallen die Aktienkurse - und die Nachfrage nach Rohstoffen. Trotzdem können die Preise von Zink, Kupfer und Co. steigen, wenn sie gerade besonders knapp sind, weil die Minenbetreiber äußerst wenig fördern. Die geringere Nachfrage übersteigt also das noch geringere Angebot, Rohstoffe werden teurer.

Der zweite Grund, der für Rohstoffe spricht: "Sie können helfen, ein Vermögen vor Inflation zu schützen", sagt der Münchner Vermögensverwalter Markus Steinbeis. Die Logik hinter seinem Argument zeigt sich im Vergleich mit Währungen: Notenbanken können Geld beliebig vermehren, der Wert einer Währung sinkt dadurch. Gold, Zink und Co. dagegen sind endlich; bleibt die Nachfrage konstant oder zieht sie an, steigen die Preise. Legen die Rohstoffnotierungen stärker zu, als das Geld an Wert verliert, können Sparer diesen Verlust ausgleichen. Trotzdem sollten Anleger nicht ihr gesamtes Vermögen in Rohstoffe stecken, weil sie sich abhängig machen von deren Launen.

Der China-Faktor: Warum die Rohstoffpreise wieder steigen

Bis zur Finanzkrise kannten die Rohstoffpreise jahrelang nur eine Richtung: nach oben. Schwellenländer wie China wuchsen mit teils zweistelligen Wachstumsraten, die Regierungen steckten Milliarden in Infrastrukturprojekte, in Autobahnen und Eisenbahnen - die Millionen Tonnen an Rohstoffen aufzehrten. Mit der Krise setzte ein Preisverfall ein, der sich verschärfte, weil Rohstoffkonzerne neue Minen in Betrieb nahmen - obwohl die Nachfrage nachließ. "Die Branche hat also ihre eigene Krise mitverursacht", sagt der Münchner Vermögensverwalter Steinbeis.

Wider Image: Kogelo, Kenya - Obama's Ancestral Home

Lockruf des Goldes: Bei dem Dorf Kogelo in Kenia graben Goldsucher nach dem Edelmetall.

(Foto: Thomas Mukoya/Reuters)

Das ist typisch für die Rohstoffindustrie: Im Boom finanzieren die Firmen neue Minen. Das Problem: Die Abbaustätten kommen erst mit Verzögerung, "erst nach vielen Jahren an den Markt", sagt Christian Gombert, Rohstoffkenner der Frankfurter Privatbank Hauck & Aufhäuser. Die Konzerne müssen zuerst neue Abbaugebiete finden, Genehmigungen beantragen, die Mine errichten, müssen Mitarbeiter anstellen. Fallen währenddessen die Preise ein wenig, gehen die Minen aber trotzdem in Betrieb, weil es zu teuer wäre, sie zu Investitionsruinen verkommen zu lassen.

Derzeit steigen die Preise, weil sich die Weltwirtschaft stabilisiert hat, Chinas Wachstum nicht noch weiter eingebrochen ist und andere Schwellenländer wie Russland die tiefste Rezession überwunden haben. Zudem kommen weniger neue Minen an den Markt, so bleibt das Angebot recht stabil. Die Frage ist nur, ob der Preisanstieg andauert. "Viele Schwellenländer sind relativ stark verschuldet", sagt Michael Ott, Rohstoffexperte der Commerzbank. Den Staaten fehlt Geld, um Investitionen zu finanzieren - die einen neuen Rohstoffboom auslösen könnten.

Steigende Preise, die mit Verzögerung zu einem steigenden Angebot führen - und die fallende Preise nach sich ziehen; beim Wunderstoff Lithium droht dieses Auf und Ab im Kleinformat. So begehrt das Metall auch ist, der Rohstoff ist nicht knapp, es liegt genug davon in der Erde, etwa in Australien und Südamerika. "Und Rohstofffirmen bauen gerade ihre Lithium-Förderung massiv aus", sagt Torsten Brandenburg von der Deutschen Rohstoffagentur. Die Firmen werden die steigende Nachfrage also wohl gut bedienen können, der Preis dürfte nicht zu stark steigen. Die Lithiumkäufer wie Autokonzerne könnten wiederum versuchen, das Metall durch einen billigeren Stoff zu ersetzen. Gehen übermäßiges Angebot und sinkende Nachfrage einher, kann es zu einem Preisverfall kommen, drohen Anlegern Verluste.

Das Sparertrio: Wie Anleger in Rohstoffe investieren

Physisch: Warum nicht physisch Zink kaufen und zu Hause einlagern, wo der Preis doch so stark gestiegen ist? Das Problem: Die Finanzmärkte handeln viele Rohstoffe nur in großen Mengen, Zink etwa in Tonnen. "Es macht nur bei Edelmetallen Sinn, sie physisch zu kaufen", sagt Hauck-&-Aufhäuser-Experte Christian Gombert. Die Mengen sind handlich: Sparer können Gold und Co. als Münzen kaufen, die nur wenige Gramm wiegen. Anleger müssen sich jedoch einen Tresor beschaffen und ihre Edelmetalle versichern, falls Kriminelle zu Hause einbrechen.

Geldanlage: SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

ETCs: Bitte was? Hinter der komplizierten Abkürzung steht ein Finanzprodukt, das sich leicht erklären lässt. ETCs sind börsengehandelte Wertpapiere, die die Preise von Metallen, Öl und anderen Rohstoffen nachbilden - ohne dass Anleger die Rohstoffe selbst besitzen müssen. Der zweite Vorteil: Sparer können die Papiere schneller loswerden als physische Rohstoffe, die sie erst zum Edelmetallhändler bringen müssen. Das große Risiko vieler ETCs ist: Sie unterliegen dem Emittentenrisiko. Geht der Anbieter des Papiers, der Emittent, pleite, können Anleger ihr ganzes Geld verlieren. Sparer können diesen Makel umgehen, indem sie physisch hinterlegte ETCs kaufen. Die Anbieter dieser ETC-Art lagern etwa ein Edelmetall bei einem Treuhänder ein, der den Rohstoff nicht verleihen darf. Nur kommt so ein altes Problem zurück: die Kosten für die Lagerung.

Aktien: Anleger können Aktien von Rohstofffirmen kaufen, etwa von Minenbetreibern. Sparer wetten dann nicht direkt auf einen Rohstoff, sondern nur indirekt darauf, wie ein Preisanstieg einen Konzern beeinflusst. Bei Minenunternehmen gilt: "Sie bergen besonders große Chancen - und Risiken", sagt Commerzbanker Ott. Steigt der Goldpreis um fünf Prozent, können Minenaktien um das Zehnfache hinzugewinnen, also um 50 Prozent. Fällt Gold um fünf Prozent, können Minenwerte auch das Zehnfache an Wert verlieren.

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