Russland-Affäre:Trump im Fokus

  • Sonderermittler Robert Mueller hat Berichten zufolge Ermittlungen gegen US-Präsident Donald Trump aufgenommen.
  • Damit sichert er sich auch seinen eigenen Arbeitsplatz - Gerüchten zufolge wollte Trump ihn nämlich loswerden.
  • Auch Trumps enger Vertrauter und Schwiegersohn, Jared Kushner, steht inzwischen im Fokus der Ermittlungen.

Von Hubert Wetzel, Washington

Es ist natürlich reiner Zufall, dass sich der Einbruch im Hauptquartier der Demokraten, mit dem einst der Watergate-Skandal begann, in diesen Tagen zum 45. Mal jährt. Mitarbeiter des republikanischen Präsidenten Richard Nixon hatten damals einige Handlanger angeheuert, die Abhörgeräte in den Büros der Demokraten im Watergate-Gebäude in Washington einbauen sollten. Am 17. Juni 1972 brachen sie ein, wurden aber entdeckt und verhaftet. Am Ende der Geschichte stand der Rücktritt von Präsident Nixon am 9. August 1974, der so seiner Amtsenthebung durch den Kongress zuvorkam.

Nun hat - zumindest nach allem, was man bisher weiß - jene als das "Russlandding" bekannte Affäre, in die der heutige republikanische Präsident Donald Trump verstrickt ist, noch nicht die Dimension des Watergate-Skandals erreicht. Es gibt keine Belege für illegale Machenschaften des Präsidenten. Aber das könnte mittlerweile zweitrangig sein. Denn wenn es eine Lehre aus Watergate gibt, dann ist es diese: Manchmal richtet der Versuch, einen Skandal zu vertuschen, mehr Schaden an, als der Skandal selbst. Es war nicht der Einbruch, der Nixon und etliche seiner Mitarbeiter in den Abgrund riss. Es waren die Lügen, die Nixons Leute später dem FBI erzählten. Verurteilt wurden sie in den meisten Fällen für zwei Straftaten: perjury sowie obstruction of justice - Meineid und Behinderung der Justiz.

Insofern war es ein Donnerschlag, als die Washington Post am Mittwoch berichtete, dass der Sonderermittler Robert Mueller, der das "Russlandding" aufklären soll, nun auch gegen Präsident Trump persönlich ermittelt. Der Verdacht: Trump könnte sich der Behinderung der Justiz schuldig gemacht haben. Bewiesen ist nichts, ob je genug belastendes Material zusammenkommt, weiß niemand. Offensichtlich jedoch hat Mueller, ein erfahrener Ermittler und ehemaliger FBI-Direktor, genügend Indizien, um den amtierenden Präsidenten ins Fadenkreuz zu nehmen.

Das "Russlandding" begann im Herbst vorigen Jahres als außenpolitische Affäre. Die US-Geheimdienste kamen damals zu dem Schluss, dass Moskau versucht hatte, die amerikanische Präsidentschaftswahl zu sabotieren, der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton durch Hackerangriffe zu schaden, und Trump, der als russlandfreundlicher galt, zu helfen. Der frühere Präsident Barack Obama verhängte deswegen Sanktionen gegen Moskau.

Kurz nach Trumps Sieg kam dann die Frage auf, ob Leute in seinem Wahlkampfteam über die russischen Sabotageversuche Bescheid gewusst oder sogar dabei geholfen hatten. Das würde den Tatbestand der Kollusion erfüllen - einer geheimen, illegalen Zusammenarbeit zum Schaden Dritter -, wenn nicht sogar des Landesverrats. Aus der außenpolitischen Affäre wurde auf diese Weise eine innenpolitische, das FBI begann zu ermitteln. Dabei wurden allerlei Kontakte zwischen Trump-Leuten und diversen Russen bekannt, für manche gab es plausible Erklärungen, für manche nicht. Und immer wieder fiel der Name Michael Flynn, ein ehemaliger General, der Trump im Wahlkampf unterstützt hatte und von diesem nach dem Sieg für die Treue mit dem Posten des Nationalen Sicherheitsberaters belohnt wurde.

Flynns Problem: Er hatte das FBI sowie Vizepräsident Mike Pence über seine Kontakte mit Vertretern der russischen Regierung belogen. Trump musste ihn deswegen Mitte Februar entlassen.

Flynn als Bauernopfer, das hätte vielleicht funktioniert

Der Präsident hätte die Sache danach auf sich beruhen lassen können - Flynn als Bauernopfer, das hätte vielleicht funktioniert. Doch Trump tat einige Dinge, die Mueller nun offenbar als mögliche Behinderung der Justiz wertet - aus der innenpolitischen wurde so eine Trump-Affäre. So nahm der Präsident im Februar den damaligen FBI-Direktor James Comey nach einem Treffen im Weißen Haus zur Seite und sagte, er "hoffe", dass die Ermittlungen gegen Flynn fallengelassen werden könnten. Gegenüber NSA-Direktor Michael Rogers und Geheimdienstkoordinator Dan Coats, die Mueller beide nächste Woche befragen will, soll Trump den Wunsch geäußert haben, dass diese zu Flynns Gunsten auf das FBI einwirken. Zudem soll er sie dazu aufgefordert haben, öffentlich zu bestreiten, dass es eine Kollusion zwischen ihm und Russland gegeben habe.

Comey war nach eigenen Angaben geschockt von den Äußerungen des Präsidenten, die er weniger als vagen Ausdruck der Hoffnung denn als Befehl des Präsidenten verstand, ein laufendes Ermittlungsverfahren gegen einen Freund zu beenden. Als der FBI-Direktor sich weigerte, feuerte Trump ihn Anfang Mai. Kurz darauf ließ er in einem Interview durchblicken, dass die Ermittlungen gegen Flynn - das "Russlandding", wie Trump sagte - einer der Gründe für Comeys Rauswurf waren.

Reicht das, um Trump Behinderung der Justiz vorzuwerfen? Und wenn ja, was folgt daraus? Die Antwort ist offen. Das FBI wird vermutlich keinen amtierenden Präsidenten anklagen wollen. Und um im Kongress genügend Stimmen für ein Impeachment zu bekommen, ein Amtsenthebungsverfahren wegen einer Straftat, müssten sehr viele Republikaner mit ihrem Präsidenten brechen. Das ist bisher nicht abzusehen. Im Gegenteil: Beide Seiten, sowohl Gegner als auch Unterstützer von Trump, graben sich derzeit ein.

Auf jeden Fall hat sich Mueller mit der an die Washington Post durchgestochenen Nachricht, dass er gegen Trump persönlich ermittele, eine Art Arbeitsplatzgarantie verschafft. Und vielleicht war das der Zweck. In den vergangenen Tagen hatte es Berichte gegeben, wonach Trump drauf und dran sei, wegen der Russland-Ermittlungen nach Comey nun auch Mueller zu feuern. Ob der Präsident das tatsächlich tun wollte, ist unklar. Angeblich musste ihn eine ganze Riege von Beratern von diesem provokanten Schritt abhalten. Jetzt jedoch, wo er selbst Ziel der Ermittlungen ist, ist es weit schwieriger für Trump, Mueller loszuwerden. Der Verdacht der Justizbehinderung würde durch Muellers Rauswurf zur Gewissheit.

Wie sehr die Ermittlungen Trump jedoch in Rage versetzen, wurde am Donnerstag klar. Er sei das Opfer einer "Hexenjagd", twitterte er wütend, die von "sehr schlechten Leuten" angeführt werde. Auch Trumps enger Vertrauter und Schwiegersohn, Jared Kushner, steht inzwischen im Fokus der Ermittlungen.

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