Verkehr:Saudischer Diplomat verursacht tödlichen Fahrradunfall in Berlin

Mahnwache für getöteten Fahrradfahrer

Auf der Hermannstraße liegt zum Andenken an den getöteten Radfahrer ein weißes Fahrrad.

(Foto: dpa)

Sein Porsche stand im absoluten Halteverbot, die Tür wurde unvermittelt geöffnet, der Radler hatte keine Chance zu bremsen. Doch der Fahrer hat nicht viel zu befürchten, so wie Tausende Diplomaten jedes Jahr, die Verkehrsdelikte begehen.

Von Verena Mayer, Berlin

In Neukölln steht jetzt ein Geisterrad, ein weiß angestrichenes Fahrrad. Es soll an den Mann erinnern, der hier entlang radelte und die Fahrt nicht überlebte. Ein 55-Jähriger war es, er stürzte Dienstagabend an der Hermannstraße über eine geöffnete Autotür. Es ist schon der zweite Fahrradtote in diesem Jahr in Berlin.

Doch für Diskussionen sorgen diesmal nicht nur die vielen unsicheren oder erst gar nicht vorhandenen Fahrradwege, die dazu führen, dass die Zahl der tödlichen Unfälle in der Hauptstadt zuletzt stark angestiegen ist.

2016 starben 19 Radfahrer, neun mehr als im Jahr zuvor, jeder dritte Verkehrstote in Berlin war der polizeilichen Kriminalstatistik zufolge in einen Fahrradunfall verwickelt. Es sind auch die Umstände des Todes, die Empörung hervorrufen. Der Mann stürzte, als der Fahrer eines Porsche Cayenne, der im absoluten Halteverbot stand, unvermittelt die Autotür öffnete. Der Fahrradfahrer hatte keine Chance zu bremsen, er starb im Krankenhaus.

Und der Fahrer des Porsche wird wohl nicht viel zu befürchten haben, zumindest nicht vor einem deutschen Gericht: Er ist Diplomat im Dienste Saudi-Arabiens. Der Mann genieße Immunität, ein Strafverfahren sei daher nicht möglich, so ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft.

Immer wieder kommen Diplomaten mit dem Gesetz in Konflikt, vor einigen Jahren sorgte ein saudischer Diplomat für Schlagzeilen, als er seine Hausangstellten in sklavenähnlichen Verhältnissen ausbeutete. Am meisten passiert aber im Straßenverkehr. Immer wieder ist eines der 3000 Diplomaten-Fahrzeuge in Unfälle verwickelt, 2016 wurden insgesamt 22 880 Verkehrsdelikte registriert, wobei es sich meistens um Falschparken oder überhöhte Geschwindigkeit handelte. Aber es waren auch Unfälle mit Verletzten darunter, und in 50 Fällen beging der Verursacher Fahrerflucht.

Am häufigsten haben die diplomatischen Vertreter Chinas gegen die Verkehrsregeln verstoßen, gefolgt von Diplomaten aus Saudi-Arabien und Russland. Aber auch andere Länder fielen auf: So schaffte es der Sudan mit gerade mal zehn Fahrzeugen auf 565 Strafzettel. Dass die Zahlen im vergangenen Jahr etwas rückläufig waren, führt man im Auswärtigen Amt vor allem darauf zurück, dass man die Diplomaten darauf hinweise, sich doch an die deutschen Verkehrsregeln zu halten.

Auch in diesem Fall hat das Auswärtige Amt die Botschaft Saudi-Arabiens in einer Verbalnote um Stellungnahme gebeten. Man warte jetzt das Ende der polizeilichen Ermittlungen ab, gehe strafrechtlich relevanten Delikten von Diplomaten jedoch konsequent nach, etwa bei Trunkenheitsfahrten, Unfallflucht oder Körperverletzung, heißt es in einer Mitteilung. Das Gesandtschaftsrecht sehe dabei verschiedene Mittel vor: Die Aufhebung der Immunität könne beantragt, Staaten dazu aufgefordert werden, eine Person abzuberufen. Ausgewiesen wurde allerdings erst einmal ein Diplomat: Der bulgarische Botschafter nämlich, der 2004 volltrunken einen Polizisten angefahren hatte.

Inzwischen hat sich die Botschaft Saudi-Arabiens zu Wort gemeldet: Man habe mit "großer Bestürzung" von dem Unfall erfahren und spreche den Angehörigen "tief empfundenes Beileid" aus.

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